Das übliche Programmschema war auch bei dem letzten NDR-Konzert in dieser Saison eingehalten (6. Juni 2025): Dem kleinen Ohrenschmeichler zu Beginn folgte etwas Konzertantes und im zweiten Teil ein eher anspruchsvolles Werk, zumeist ein sinfonisches. So weit, so gut. Doch diesmal hatte der Sender sich selbst übertroffen. Zum einen bot das Programm drei herausfordernde, nicht alltägliche Werke. Zum anderen traten gleich drei Solisten auf, alles geleitet von einem Dirigenten, für den es die erste Begegnung mit den Elbphilharmonikern war.
Auch dieses, das achte und vorletzte Konzert der ablaufenden Saison, bot ein Programm der ganz besonderen Art. Wann hört man schon im ersten Teil ein Duo von gewichtigen Klavierkonzerten ein und desselben Komponisten? Und wann kommt das vor, dass im zweiten Teil die Sinfonie eines Klassikers im Programm ist, eines Komponisten, der wohl nur wenigen bekannt war. Er war schlicht vergessen worden. Aber warum?
Die große Konzertsaal der Lübecker Musik- und Kongresshalle ist prall gefüllt mit Kapuzen-Pullovern, Baseball-Kappen und genretypischen Oversize-Hosen, sie prägen das Bild der Besucher*innen. Ein eher untypisches Publikum für das Kammermusik-Orchester des „Takeover!Ensembles“ von Miki Kekenj, das den Abend klassisch mit einem Satz aus dem „Concerto Grosso“ von Antonio Vivaldi eröffnet - und das Volk jubelt begeistert.
Lübecks Publikum wurde in letzter Zeit bereits mehrmals mit Werken des Schweizer Komponisten Frank Martin ((1890 - 1974) konfrontiert, - aus vielen Gründen. Im November des letzten Jahres jährte sich sein 50. Todestag, zudem ist seine Musik trotz aller Modernismen in Klang und Rhythmik in einem Duktus verfasst, der immer verständlich ist, auch sein will. Er sollte also gehört werden.
Der Name „Mozart.“ prangte in dicken Lettern auf dem Programmheft, darunter das Foto einer Geigerin, die ihr Instrument präsentierte. Es war der Hinweis, dass der NDR bei diesem Konzert, dem siebten seiner sinfonischen Reihe, das Programm aus einem der Violin-Konzerte und weiteren Werken nur von Wolfgang Amadeus Mozart zusammengestellt hatte. Mit ihm kennt sich der Musikliebhaber in der Regel recht gut aus, musste allerdings am Abend des 4. Aprils 2025 schnell feststellen, dass ihm in dieser Kompaktheit das klassische Wunderkind aus Wien doch in ganz besonderer Weise begegnete.
Einmal im Jahr gibt es das sogenannte Reflektor-Festival in der Elbphilharmonie, bei dem ein außergewöhnlicher Künstler oder eine herausragende Musikerin ein Programm über mehrere Tage zusammenstellen darf. Dabei gibt es eigene Konzerte sowie Auftritte der eingeladenen „Lieblingskünstler*innen“. In den letzten Jahren waren dafür zum Beispiel Laurie Andersson, Brian Eno oder André Heller zuständig. Im März 2025 zeichnete die vielseitige Schweizer Singer-Songwriterin Sophie Hunger verantwortlich.
Nach dem quasi „Lustspiel“ über Vivaldis „Jahreszeiten“ mit dem Janoska Ensemble bescherten die Lübecker Philharmoniker unter ihrem GMD Stefan Vladar nun in ihrem nächsten, dem sechsten Sinfoniekonzert eines mit einem ganz anderen Programm. Ernster war es und gewichtiger. Vor allem das Violinkonzert Mieczysław Weinbergs im ersten Teil beeindruckte stark.
Dass eine Dirigentin vor einem sinfonischen Orchester steht wie jetzt Anja Bihlmaier, die Chefin des Residentie Orchest Den Haag, geschieht immer noch selten. In der letzten Saison hatte von den acht Konzerten des NDR eines eine Dirigentin geleitet. Sie trat zudem noch mit einer Solistin auf. Diese Saison bietet das gleiche Verhältnis, wobei das weibliche Element indes dadurch verstärkt wurde, dass eine Komposition einer Frau das Programm eröffnete.
Das Janoska Ensemble, das sind drei Brüder und ihr Schwager, alles klassisch ausgebildete, hoch virtuose Musiker. Zwei von den Brüdern, Ondrej und Roman, sind Geiger und František ein Pianist. Eingeheiratet hat Julius Darwas, ein Kontrabassist. Das ergab bei ihrem Lübecker Auftritt ein veritables Klavierquartett. „Polyglott“ wird ihre Musiksprache genannt, die bunte Stilmischung ist zudem in ihren auffallenden Programmen als „Janoska Style“ inzwischen unverwechselbar. Wer das Ensemble je gehört hat, jetzt auch in Lübeck, weiß, was das ist.
Einige herausragende Konzerte der Elbphilharmoniker gab es in dieser Saison bereits, doch das am 24. Januar 2025 gehört zu denen, die noch eine Steigerung boten. Zu danken war das in erster Linie dem Gastdirigenten James Gaffigan, geboren 1979 in New York.