Einmal im Jahr gibt es das sogenannte Reflektor-Festival in der Elbphilharmonie, bei dem ein außergewöhnlicher Künstler oder eine herausragende Musikerin ein Programm über mehrere Tage zusammenstellen darf. Dabei gibt es eigene Konzerte sowie Auftritte der eingeladenen „Lieblingskünstler*innen“. In den letzten Jahren waren dafür zum Beispiel Laurie Andersson, Brian Eno oder André Heller zuständig. Im März 2025 zeichnete die vielseitige Schweizer Singer-Songwriterin Sophie Hunger verantwortlich.
Eine ihrer persönlich ausgewählten Gast-Künstlerinnen war dabei die grandiose österreichische Sängerin Soap & Skin, aka Anja Plaschg, die am Sonntag, begleitet von einem fünfköpfigen Kammer-Orchester, einen denkwürdigen Auftritt hinlegte. Die Mittdreißigerin aus Wien ist seit ihrem Debüt „Lovetune for Vacuum“ das Aushängeschild des österreichischen Alternativ-Pop. Dabei feiert sie nicht nur Erfolge als Sängerin, sondern auch als Komponistin, hervorragende Pianistin, Produzentin und Schauspielerin wie Regisseurin. So spielte sie auf dem bei der Berlinale aufgeführten Historien-Horrorfilm „Des Teufels Bad“ (2024) von Ulrich Seidel die Hauptrolle, obwohl sie eigentlich nur die Musik zu dem Streifen komponieren sollte.
Foto: (c) Peter Adamik
Ansonsten gibt sich die Musikerin meist recht zurückhaltend und scheu. Kaum ein Lächeln kommt über ihr Gesicht, das von Ernsthaftigkeit geprägt ist. Dabei kann die zarte Sängerin aber auch ganz andere Saiten aufziehen, wie sie in Hamburg bewies. In einen unschuldigen weißen Hosenanzug gekleidet sitzt sie zunächst allein an ihrem Klavier und singt als Opener ihrer mitreißenden Show den brachialen Song „The End“ von den Doors, mit dem der legendäre Jim Morrison in Ödipus-Manier seine Wut herausschreit und seinen Vater killen will, wie auch die Mutter am liebsten vergewaltigen würde. Schon hier zeigt sich, dass Soap & Skin überwiegend Stücke ihres aktuellen Albums „Torso“, auf dem sie diverse Cover-Versionen ihrer wichtigsten Musiker-Kolleg*innen, die ihre eigene Musiker-Laufbahn beeinflusst haben, versammelt hat. Wobei Cover eigentlich der falsche Ausdruck ist, denn sie singt und spielt die bekannten Stücke nicht nur einfach nach, sondern interpretiert sie meist völlig neu, sodass das Original kaum noch zu erkennen ist. Oft bleibt tatsächlich nur noch ein Torso des Ursprungs-Song übrig.
Foto: (c) Peter Adamik
Mal singt Soap & Skin ganz zart und lieblich, dann wieder schreit es aus ihr lautstark heraus, was in der Elphie mitunter noch durch starkes Echo verstärkt wird. Dazu klirrt das Klavier von Industrial-Elektro-Collagen unterstützt, sowie von dem wunderbaren Kammer-Orchester begleitet. Ihre fünf Mitstreiter*innen sind Emily Steward (Violine und Gesang), Anna Starzinger (Violoncello), Viola Falb (Bass-Clarinette), Martin Ptak (Posaune, Piano und Harmonium) sowie Martin Eberle (Trompete und Flügelhorn). Gemeinsam bringen sie den berühmten Synth-Pop-Song „Voyage, Voyage“ von Desireless aus dem Jahre 1987 zu Gehör. Eigentlich ein typischer, wenn auch düsterer Dance-Track mit eindeutigem Beat, wird daraus bei Soap & Skin ein ganz eigener Song mit kühlem Sound und der typisch geisterhaften tiefen Stimmlage von Anja Plaschg.
Foto: (c) Peter Adamik
Aber sie kann auch scheinbar kindlich hoch singen, wie beim Duo mit ihrem Kollegen Martin Ptak am Harmonium von Hans Zimmers Film-Musik „God Yu Tekem Laef Blong Mi“. Ganz brachial wurde es mit Stoboskop-artigem Licht-Gewitter und theatralisch zackigem Gehämmer auf dem Klavier und Stakkato-Geigen beim Instrumental „Meltdown“ von Clint Mansell. Überhaupt überzeugt die gesamte Show nicht nur musikalisch sondern auch durch eine wunderbare Licht-Inszenierung. Während Soap & Skin zunächst nur am Klavier sitzt und sich an Neu-Interpretationen diverser Stücke von Cat Power (Maybe not), Sufjan Stevens (Mystery of Love) oder von der stimmgewaltigen Shirley Bassey (Born to Lose) herantraut und dabei auf englisch singt, wird es im zweiten Teil noch dynamischer.
Foto: (c) Peter Adamik
Zunächst singt sie aber als Andenken an ihren zu früh verstorbenen Vater das gleichnamige Lied auf deutsch, gefolgt vom gefühlvollem „Heal“. Dann aber untermalt sie die folgenden Stücke mit extravaganten Schlangen-Tanz-Moves, unterstützt durch spartanische Elektronik und dem reduzierten Sound ihrer wunderbaren Begleit-Musiker*innen. Sie singt alte Hits von David Bowie (Girls love me), Tom Waits (Johnsburg, Illinois), Lana Del Rey (God and Monsters) oder Robert Johnson (Me and the Devil Blues). Sie produziert dabei aber ihre ganz eigenen Versionen. So zum Beispiel in der ersten Zugabe, als bei dem verspielt klingenden „Pale Blue Eyes“ von den Velvet Underground und Lou Reed die Melodie bis auf den Refrain kaum wiederzukennen ist. Dabei kommt sie von der Bühne und verteilt Blumen an das begeistert berauschte Publikum, das sie mit Standing Ovation abfeiert.
Foto: (c) Peter Adamik
Danach kommt auch noch einmal ihr kleines Kammer-Orchester auf die Bühne und beendet das großartige Programm mit „Stars“ von Janis Ian, sowie die Eigenkomposition „Boat turns toward the Port“. Ganz großes Kino! Bleibt zu hoffen, dass die wunderbare Soap & Skin demnächst mal wieder den Weg in den Norden findet.