Armut, Atommüll, Flucht, KI, Klima, Kriege, nix zu wohnen, politischer Rechtsrutsch in aller Welt. Wachsende Verunwertung des individuellen Lebens im Konsumismus und die Erkenntnis, dass es Kapitalismus mit menschlichem Antlitz garnicht gibt. Ach.
Nachdem die Preise verteilt und die Kinos wieder auf Normal-Betrieb umgestellt sind, wird es Zeit, noch meine persönlichen Lieblingsfilme des Festivals kurz vorzustellen.
Sie war der absolute Star der diesjährigen NFL: Liv Ullmann. Seit 40 Jahren Ehrenvorsitzende der Filmtage und ein bescheidener, aber herzlicher Filmstar. Mittlerweile ist die Schauspielerin und Regisseurin aus Norwegen 84 Jahre alt, aber immer noch bezaubernd, freundlich, schön und aufrecht, den Menschen zugewandt. Kein Wunder, dass alle Welt sie ablichten wollte oder zumindest neben ihr auf dem roten Teppich stehen, wie zum Beispiel unser Bürgermeister Lindenau.
Die Eröffnung der 65. Nordischen Filmtage wurde gewohnt souverän von der Moderatorin Loretta Stern geleitet, die zunächst die bekannten Akteure aus Politik und Kultur begrüßte.
Ein Kind überquert eine Brücke aus Blüten und gelangt ins Totenreich, wo es seinen Vorfahren begegnet. Eine junge Frau bekommt einen epileptischen Anfall und spricht plötzlich eine Sprache, die sie in diesem Leben nie gelernt hat. Ein Geist wandert ruhelos durch Raum und Zeit und wird zum Gespenst, weil er nicht loslassen kann. Diese und fünf weitere Geschichten zeigt das Kino “Koki” vom 29. Oktober bis 26. November in der Filmreihe “Überirdisch”. Sie stellt Fragen, die uns alle betreffen: Gibt es etwas auf der “anderen Seite des Lebens”, und wie könnte dieses Jenseits aussehen?
Das Schönste für die Lübecker Stadtgesellschaft und seine cineastischen Gäste konnte der Künstlerische Leiter der 65. NFL, Thomas Hailer ganz am Ende verkünden: Die beliebte Erkennungsmelodie, der Filmtage-Tango wird in der Zeit des Festivals vom 1.- 5. November 2023 in einer Neubearbeitung von Professor Danksagmüller von der Musikhochschule Lübeck viermal am Tag vom Glockenspiel des Heiligen-Geist-Hospital zu hören sein.
Der spleenige texanische Filmmagier Wes Anderson ist bekannt für außergewöhnlich skurrile Filme, wie „Die Tiefseetaucher“ (2004), „Moonrise Kingdom“ (2012) oder „Grand Budapest Hotel“ (2014). Damit eroberte er nicht nur die Herzen der weltweiten Cineasten-Fan-Gemeinde, sondern ist vor allem auch bei der ersten Garde der Schauspielkunst in Hollywood schwer beliebt.
Der schwedisch-ägyptische Filmregisseur Tarik Saleh steht im Heimatland seines Vaters auf schwarzen Listen, weil sein Thriller „Die Nile Hilton Affäre“ aus dem Jahre 2017, der in Zeiten des Arabischen Frühlings spielte und über Polizei-Korruption berichtete, auf starkes Missfallen bei der Führung Ägyptens stieß. Eine Einreise von ihm dürfte folgenschwere Konsequenzen haben.
„Das wird ein lustiger Abend. Da sind nur Arschlöcher in dem Film“, sagt jemand, der es wissen muss. Und eines sei vorab gesagt: Das Kinodebut des Regisseurs Kristoffer Borglis, zur Zeit im Kommunalen Kino zu sehen, ist keine leichte Kost.