Bevor im nächsten Jahr die große Umbau- und Renovierungsarbeit bei vollem Betrieb in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel über die Bühne geht, wurde letzte Woche noch einmal große Saisoneröffnung gefeiert. Legenden der Avantgarde stehen im nächsten Jahr hauptsächlich auf dem Programm, von Pina Bausch bis William Forsythe.
Kontrovers, kreativ, komplex, kritisch lauten die Attribute der drei künstlerischen Programmpunkte, die ich in der zweiten Festivalwoche auf Kampnagel besuchen durfte. Aber man könnte genauso gut sagen: mutig, mitreissend, wortgewaltig und witzig.
In Anlehnung an den großen Filmkünstler David Lynch hatte der Leiter des Internationalen Sommerfestival 2025, Andràs Siebold das diesjährige Motto des künstlerischen Avantgarde-Festival auf Kampnagel in Hamburg „Räume zum Träumen“ ausgerufen. Dabei schien es sich am Beginn des Festivals eher um Albträume zu handeln.
Es ist das vierte Kapitel der Zusammenarbeit des französisch-belgischen Choreografen Damien Jalet und des japanischen visuellen Künstlers Kohei Nawa in einer kontinuierlichen Tanzreihe: 2016 Vessel, 2021 Mist und 2023 Planet, das auch auf Kampnagel zu sehen war. Dabei ist Mirage die erste Arbeit von Jalet für das Ballett des Grand Théâtre de Genève, wo er als assoziierter Künstler unter dem Ballett-Direktor Sidi Larbi Cherkaoui arbeitet.
Der Choreograf und Direktor des Pariser Chaillot Théâtre national de la Danse ist bekannt für seine außergewöhnlichen Kollaborationen mit Menschen außerhalb der Kunstwelt. Zwar hat er auch mit Tanz-Größen wie Meg Stuart oder Christian Rizzo zusammen gearbeitet, bekannt gemacht haben ihn aber Produktionen mit ehemaligen Box-Champions, populären Wrestling-Stars oder Zirkusartisten. Jetzt hat er sich mit zwei Meister*innen der Kletterei und des Hochseils zusammen getan.
Der spektakuläre Tanzabend auf der großen Bühne K6 beginnt sehr behutsam. 11 Tänzer*innen sitzen im Kreis mit den nackten Rücken zum Publikum und umgeben von silbrig glänzenden Objekten wie Hühner, Stiere, Besen und Büsche, Symbole eines afrikanischen Dorflebens. Bekleidet in weißen, langen Röcken voller stacheliger Wäscheklammern werden erstmal die starren Ballettschuhe geschnürt.
Sieben lange Jahre mussten die Fans des belgisch-marokkanischen Ausnahme-Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui warten, um mal wieder eine seiner Arbeiten in Hamburg zu sehen und zu genießen.
Das war die übergeordnete Frage, die sich das Publikum bei dem künstlerischen Experiment am letzten Wochenende auf Kampnagel stellen musste. Mit „Spiegelneuronen“ hatte sich die Berliner Tanzkompanie von Sasha Waltz & Guests zusammen mit dem Regisseur Stefan Kaegi, den man hauptsächlich vom „Rimini Protokoll“ kennt, vorgenommen, das versammelte Publikum in Bewegung zu versetzen.
Bevor ich mir ab Mittwoch 5 Tage lang mit nordischen Filmen ordentlich etwas für die Augen gönne, habe ich mir am Wochenende auf Kampnagel beim Überjazz-Festival noch einmal die Ohren frei blasen lassen. Das Publikum bekam beim vielfältigen und jenseits allem Mainstream angesiedelten Musik-Festival für Jazz und artverwandte Musikrichtungen im Jahr 2024 jede Menge Musik angeboten, wobei für alle etwas dabei war.
Sechs lange Jahre mussten ihre Fans warten, um die flämische Ausnahme-Choreografin und Pionierin des zeitgenössischen Tanzes, Anne Teresa De Keersmaeker und ihre großartige Tanz-Truppe „Rosas“ mal wieder auf der großen Bühne von Kampnagel zu sehen. Mit ihrer Inszenierung des Jahres (Tanz aktuell) „Exit above - after the tempest“ war sie jetzt für drei Aufführungen in Hamburg zu Gast.