Die aktuelle 30. Jubiläums-Saison der gefeierten Tanz-Company aus Berlin unter der Leitung der Choreografin Sasha Waltz durfte am Wochenende auch auf Kampnagel vor vollem Haus abgefeiert werden.
Geboten wurde ein zweiteiliger Tanzabend unter dem Namen Beethoven 7, wobei allerdings eine Triggerwarnung mit Ausgabe von Ohrstöpsel wegen großer Lautstärke zum Anfang für Verunsicherung sorgte. Es war nicht gänzlich verwunderlich, denn die Aufführung begann mit wummernden Bassklängen und sich heftig steigernden Rhythmen, was eher nach Techno aus dem Berghain als an Beethoven denken ließ. Der heftige, knallharte Soundteppich wurde live auf der Bühne produziert vom Elektro-Fachmann Diego Nogueras. Dazu gab es Nebelschwaden, aus dem sich langsam Alien-artige Gestalten mit Tier-ähnlichen Kopfbedeckungen heraus bewegten. In wunderschönen transparenten Kostümen huschten in Zeitlupen-Bewegungen insgesamt 13 Tänzer und Tänzerinnen über den Bühnenboden.
Getanzt werden sollten laut Sasha Waltz nach der Komposition Freiheit/Extasis von Noguera Zukunftsfragen nach individueller Freiheit und Entgrenzung. Die Welt im Spannungsfeld zwischen Utopie und Dystopie. Beethovens Sinfonie Nr. 7 in A-Dur (op.92), die 1812 entstand, als der Komponist schon fast taub war, befasste sich mit Fragen seiner Zeit, die für uns noch heute eine Rolle spielen: Das Scheitern einer Revolution, die erzwungene Rückkehr zu alten Traditionen, die Reibung zwischen dem Wunsch nach gesellschaftlicher Transformation und Restauration und der damit einhergehende Verlust von Freiheit und Zukunftsperspektiven.
Der zweite Teil des Abends stand dann ganz im Zeichen der klassischen Musik von Beethoven. Die hervorragend aufgelegte Tanz-Company mit ihren 13 diversen Tänzern und Tänzerinnen bewiesen ein weiteres Mal ihr herausragendes tänzerisches Können. Zunächst in weißen wallenden Kleidern und weißen Hosen und Unterhemden wurde mit Grazie und Eleganz fast schon Ballett-artig ein Reigen aus Drehungen, komplexen Schrittfolgen, großen Schwüngen und Umarmungen zelebriert. In Duos, Trios oder Grüppchen wurde der ganze Raum der Bühne genutzt, um mit ästhetischer Idee und künstlerischer Freiheit das choreografische Konzept von Sasha Waltz auf die Bühne zu bringen.
Nach einem Kostümwechsel der Frauen zu wallenden schwarzen Röcken und der Männer zu schwarzen Hosen und freien Oberkörpern wurden der verspielte Bewegungskanon kraftvoller und dynamischer. Weite Armschwünge und zackige Schrittkombinationen in großer Synchronität aller Tänzer*innen bei gleichzeitiger rhythmischer Aufnahme der Musik von Beethoven zauberten wunderschöne Tanzsequenzen auf die Bühne. Als dann auch noch eine Fahnen-schwingende Tänzerin eine riesige Gaze-Fahne kunstvoll zwischen die Tänzer und Tänzerinnen und bis dicht über die Köpfe des Publikums zu wirbeln wußte, wurde ein weiteres wunderschönes Bewegungsbild geschaffen.
Der verdiente und minutenlange Schlussapplaus des begeisterten Publikums war der gerechte Lohn für das Stück von Sasha Waltz und ihre großartige Tanz-Truppe.
Fotos: Holger Kistenmacher