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Internationales Zentrum für schönere Künste
Sasha Waltz & Guests mit Premiere zur Saisoneröffnung auf Kampnagel

Im Hintergrund leuchtet die Bühnenrückwand in sattem Rot, während die 11 Tänzer und Tänzerinnen sich über den dunklen Bühnenboden schreitend langsam warm laufen. Als die minimalistische Musik von Terry Riley aus dem Jahre 1964 einsetzt, erstrahlt das Licht und zeigt das Ensemble in ihren luftigen Kostümen in bunten Pastelltönen.

Die international besetzte Tänzer/innen-Schar beginnt mit einer ersten von insgesamt 53 Bewegungsvariationen, die die Choreografie von Sasha Waltz vorgibt und die sich an den ebenfalls 53 musikalischen Figuren, die der revolutionären Komposition „In C“ zugrunde liegen, orientiert. Es gibt dabei klare Regeln und Strukturen, die von den Tänzern und Tänzerinnen beachtet werden müssen.

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Einerseits agieren sie individuell, andererseits improvisieren sie als Teil der Gruppe. So entsteht ein choreografisches Spielsystem aus 53 Bewegungsfiguren, das bewußt nicht als fertiges Stück konzipiert ist, sondern eine offene und experimentelle Struktur bildet, bei der jede Aufführung anders daher kommt. Es gibt viel Platz für eigene Interpretationen und Improvisationen des Einzelnen aber auch des gesamten Ensembles.

Es beginnt mit zuckenden Schulterhebungen und Kopfbewegungen, die sich an der zackigen, häufig sehr rhythmischen Musik orientieren. Es folgen Läufe, Sprünge, statische Elemente mit komplizierten Figuren und Gruppenbewegungen im Stand und am Boden. In großen Bögen werden die Arme geschwungen oder komplexe Fingerhaltungen integriert. Meist beginnt ein Tänzer eine der neuen Bewegungsfiguren, die dann vom gesamten Ensemble in Duos, Trios oder als Linie übernommen werden.

Immer mal wieder tanzt dabei so ein einzelner Tänzer oder Tänzerin aus der Reihe und beginnt eine neue Figur. Je komplexer und komplizierter die Bewegungsabläufe, umso mehr kommen die Protagonisten auf der Bühne in Schweiß. Das offene Stück stellt sich als teils fröhlicher, teils hoch anstrengender Parforceritt für alle Teilnehmer/innen auf der Bühne heraus. 60 Minuten lang wirbeln sie in wechselndem Licht und zu der drängenden Musik über die Bühne.

Dabei war das Stück während der Corona-Zeit völlig im Digitalen entstanden, weil sich die Tänzer nicht treffen konnten und öffentliche Auftritte vor Publikum unmöglich waren. So hat Sasha Waltz ein 53-teiliges Video-Tutorials für alle entwickelt, das von allen individuell gesichtet und trainiert werden konnte. Auch die erste gemeinsame Aufführung wurde als Stream an das Tanz-Publikum als Premiere gezeigt. Diese Art des Erarbeitens einer neuen Gesamt- Choreografie bot allen Teilnehmenden eine neue flexible künstlerische Produktionsweise, aber auch neue individuelle Herangehensweisen an einen neuen tänzerischen Stoff.

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Gleichzeitig bieten die dabei entstandenen Tutorials die Grundlage für förmlich Jedermann, egal ob Profi oder Laie, ob alt oder jung, sich tänzerisch zu entwickeln und zu trainieren. „In C“ ist somit ein innovatives Stück Choreografie, das Spass macht, atemberaubenden, stark strukturierten Tanz zeigt, aber auch viele Möglichkeiten bietet für alle alten und neuen Freunde des modernen Gegenwarts-Tanz.

So waren schlussendlich alle sehr zufrieden und begeistert. Die strahlenden Tänzer und Tänzerinnen wurden mit Applaus überschüttet und auch die Kampnagel-Chefin Amelie Deufelhart bedankte sich beim anschließendem Premieren-Büfett mit Wein und Käse bei ihrer alten Kollegin und Freundin Sasha Waltz und ihrem gesamten Ensemble für diesen rasanten und wunderschönen Tanzabend. https://kampnagel.de/

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Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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