Ein roter Vorhang statt des mondänen Schmuckvorhangs und unten am Bühnenrand ein Streifenband mit wechselnden Dreiecken, Weiß, für das Unschuldige und Rot, für das, was das Herz erwärmt – es macht sichtbar, dass der Besucher des Traumhauses an der Beckergrube diesmal anders verzaubert werden soll.
Viele Inszenierungen von Giacomo Pucchinis genialer „La Bohème“ gibt es schon. Sie ist nun einmal die überall beim Publikum geliebte Oper, und sie füllt zuverlässig die Häuser. Dass es allerdings im Norden fast auf gleichem Breitengrad und im Tagesabstand gleich zwei Neuinszenierungen zu begutachten gab, ist schon bemerkenswert.
Zum Saisonbeginn bescherte Kiels Oper seinem Publikum mit Giacomo Puccinis „La Bohème“ einen Dauer- und Welterfolg (Premiere: 9. September 2023). Jahreszeitlich wäre der Weihnachtsabend passender, wie die erste Regieanmerkung verrät. Am Aufführungstag aber waren es 30 Grad draußen, (wohlgemerkt: plus, nicht minus). Alexandra Liedtke, die Regisseurin, hatte offensichtlich vorausgedacht und war dem vorgegebenen Jahreszeitenarrangement ausgewichen, indem sie andere Akzente setzte.
Es lief gut, zunächst noch etwas befremdlich, später immer besser. Viel Szenenapplaus bewies das. Er galt naturgemäß immer dem, was die Sänger im Moment oder in Minuten davor leisteten. Denn in dieser Oper gab es ja noch große Arien zu hören, die die Seelenzustände, vom Orchester feinsinnig untermalt, hinaustrugen.
Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ war für Lübeck schon einmal projektiert, vor fast genau drei Jahren. Corona aber verhinderte, dass die Oper realisiert wurde. Sie sollte Finalstück der damals scheidenden Operndirektorin Katharina Kost-Tolmein werden, in dem Stefan Vladar, ihr Nachfolger im Amt, die musikalische Leitung gehabt hätte. Jetzt war sein Stellvertreter damit betraut, der erste Kapellmeister Takahiro Nagasaki. Er fand mit den Lübecker Philharmonikern den treffenden Ton für eine musikalisch hörenswerte Inszenierung.
Die Oper Kiel hat sich mit Karol Szymanowskis „König Roger“ eines Werkes angenommen (Premiere 25. Februar 2023), dessen Besonderheit schon darin liegt, dass es kaum gespielt wird. Das hat seine Gründe.
Die neueste Aufführung von Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ (Premiere: 27. Januar 2023) macht einfach Spaß. Es ist ein Erlebnis für beides, für das Ohr und für das Auge, wobei der Verstand bei diesem überdrehten Sujet lieber zu Hause bleibt.
Die Themen heute sind anders. Aber als Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“ 1963 erschien, war das Werk von großem Belang. Der Mauerbau schuf kurz vorher eine Situation, die schockierte, wie es nun Putins Einmarsch in die Ukraine tut.