Kolektif-Leader Richard Laniepce und Sängerin Asli Dogan, Foto: Holger Kistenmacher

Auftakt zum Werftsommer 2025
Kolektif Istanbul bringt die Kulturwerft Gollan zum Tanzen

Was passiert, wenn die Stühle aus der rustikalen Kulturwerft Gollan mit ihrem wunderbaren Industrial-Chic ausgeräumt werden und eine Party- und Tanz-freudige Menge die Halle stürmt, konnte man am Freitag zum Auftakt des Werft-Sommers erleben. Angepasst zum Themenschwerpunkt Istanbul des Schleswig-Holstein Musik Festivals eroberte das Kolektif Istanbul die Bühne, die Herzen und die Beine des erwartungsvollen Publikums.

Die wilde Combo aus der Stadt am Bosporus brauchte zwar ein paar Nummern, um das versammelte Volk aus überwiegend weiblichen und türkischstämmigen Besuchern in Wallung zu bringen. Dann begann aber die zackige Musik aus Osteuropa, der Türkei und Kurdistan Wirkung zu zeigen. Es begann mit Trompetenklängen von Alsi Dogan, die auch für den Gesang zuständig ist, die an den Einmarsch der Athleten in einem Zirkus erinnerten. Die Band selbst nennt ihre Art von Musik „Progressive Hochzeitsmusik“. Dabei sind im Laufe des Abends aber auch verschiedenste Einflüsse aus Jazz, Funk, Balkanpop a lá Emir Kusturica aus seinen wunderbaren Balkan-Komödien, typischer Roma-Hochzeitsmusik oder orientalischen Klängen aus der Türkei zu erkennen.

An der Klarinette Talat Karaoglu, Foto: Holger KistenmacherAn der Klarinette Talat Karaoglu, Foto: Holger Kistenmacher

Der Gründer der Band, Richard Laniepce kommt ursprünglich aus Frankreich und ist Bretone, der eigentlich Instrumentenbauer und ausgebildeter Dudelsackspieler ist. Bei einer Reise durch Osteuropa (Rumänien, Bulgarien) und der Türkei auf der Suche nach neuen Instrumenten und neuen Rhythmen blieb er schließlich in Istanbul hängen. Bereits vorher hatte er in Paris die Sängerin und Trompeterin Asli Dogan kennengelernt. Später wählten sie gemeinsam ihren Lebensmittelpunkt in der wunderbaren Stadt am Bosporus, am Treffpunkt zwischen Orient und Okzident.

Sie begannen mit einem großen Pool an Musikern, zunächst tatsächlich Hochzeitsmusik zu spielen, woraus sich im Laufe der Jahre dann die Combo vom Kolektif Istanbul entwickelte, die mittlerweile seit 16 Jahren überall unterwegs ist.

Kolektif Istanbul in der Kulturwerft Gollan, Foto: Holger KistenmacherKolektif Istanbul in der Kulturwerft Gollan, Foto: Holger Kistenmacher

Bestehend aus Klarinette (Talat Karaoglu), Saxophon (Richard Laniepce), Keyboard (Tamer Karaoglu) und Schlagzeug (Ediz Enver Nehat), eben die Instrumente, die man auf Feiern der türkischen Minderheit in Bulgarien hört, bestimmen ihre Musik. Anstatt Bassklänge werden die dunklen Töne des Sousaphons von Ertan Sahin dazu gesteuert, der normalerweise die Tuba im Philharmonischen Orchester von Istanbul spielt. Dazu kommt dann in der aktuellen Band die Sängerin und Trompeterin Asli Dogan.

Neben den verschiedenen schmissigen Nummern, die sofort in die Beine gehen, durften die einzelnen Musiker*innen auch in beeindruckenden Soli beweisen, wie gut sie ihre Instrumente beherrschen. So ließ Ertan Sahin sein 17 Kilogramm schweres Gerät röhren und brummen wie ein landendes Flugzeug. Dann wiederum hörte sich das um den ganzen Körper gewickelte Blasinstrument an wie ein von australischen Aborigines geblasenes Didgeridoo. Dazu sang der Bretone Laniepce eine kleine Kostprobe vom Pop-Hit „Sweet dreams“ von den Eurythmics und Annie Lennox, der dankbar vom Publikum aufgenommen wurde und vielstimmig und Text-sicher weiter gesungen wurde. Die Vielseitigkeit der Musik der Band war also Programm und dementsprechend scheinbar für alle bestens geeignet zum Feiern und Tanzen.

Volles Haus beim Werftsommer Auftakt, Foto: Holger KistenmacherVolles Haus beim Werftsommer Auftakt, Foto: Holger Kistenmacher

Zwar war an dem Abend nirgendwo ein Hochzeitspaar zu sehen, dafür wurde es nach den ersten drei Aufwärm-Stücken dann aber doch ziemlich losgelöst. Überall bis in die hintersten Reihen wurden die Arme dynamisch in die Luft geworfen, während selbst ziemlich ausladende Hüften zum Kreisen gebracht wurden. Überall wurde das Tanzbein geschwungen. Genau wie das Credo der Band ist: Egal ob auf Hochzeiten oder an den verschiedensten Ecken der Erde (wie dem Montreux Jazz Festival oder in Brasilien oder Afrika): Es geht immer darum, die Menschen zum Tanzen zu bringen. Und es wurde ein ausgesprochenes Fest bis tief in die Nacht, weil auch nach dem Konzert noch wie in einem Club zur orientalisch-elektronischen Musik des DJ „Ipek Ipekcioglu“ mit ihrem Set aus Middle Easter Elektro und TechnOrient getanzt werden konnte.


Fotos: Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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