Kristjan Järvi und das Baltic Sea Philharmonic Orchestra, Foto: (c) Hildegard Przybyla

SHMF 2024
Ein spektakulär wiederbelebter "Nussknacker"

Das zur Weihnachtszeit so beliebte Nussknacker-Ballett von Tschaikowsky mag etliche Konzertbesucher in die ausgebuchte Lübecker MuK gelockt haben, aber dort sind sie eines Besseren belehrt worden.

Das Baltic Sea Philharmonic Orchestra und allen voran der Dirigent und Arrangeur Kristjan Järvi haben den weltberühmten Nussknacker spannend neu inszeniert. Sie mischen den Klängen Tschaikowskys Satzteile anderer Komponisten wie Grieg, Elgar, Klimek oder ganz modern Malanchetchi hinzu und schaffen so ein einzigartiges Gesamtkunstwerk.

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Das Baltic Sea Philharmonic Orchestra ist über die europäischen Grenzen hinaus nicht nur für seine experimentell innovativen Improvisationen bekannt, sondern tritt auch mit klassischen Werken weltweit in renommierten Konzertsälen auf. Schon dem Namen nach vertritt das Orchester die Ostseeregion als kulturell miteinander verschmolzenen Raum. Seine Mitglieder kommen aus den neun demokratischen Ostsee-Anrainerstaaten; soweit sie russischer Nationalität sind, leben sie im Exil in Westeuropa. Verbunden aus den zehn verschiedenen Traditionen ist ein eigener musikalischer Stil entstanden. Das Besondere an dem Orchester ist zudem, dass ausschließlich auswendig und zumeist stehend gespielt wird.

Spektakulär ist an diesem Abend bereits das Betreten der Bühne. Einzeln, katzenartig schleichend, kommt das Orchester nach und nach sphärisch singend und spielend in den Saal. Die Musiker nehmen wohl geordnet nach Instrumenten und Kleiderfarben langsam ihre Plätze ein. Sie bleiben stehen, ohne Noten und Stühle, bis der strahlend lächelnde Kristjan Järvi, eine kleine Rassel schwingend, erscheint und die sphärische Improvisation nahtlos in die Nussknacker-Ballett-Musik Tschaikowskys übergehen lässt.

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Kristjan Järvi dirigiert mit echter Freude, teilweise enthusiastisch tanzend, geht dabei zu einzelnen Musikern und animiert das Publikum mitzusingen und zu schnipsen. Auch das Orchester bewegt sich, wechselt die Positionen und tauscht sich in Mimik und Bewegung miteinander aus.

Die Originalkomposition erklingt in Fragmenten, immer wieder dynamisch passend unterbrochen von stimmungsvollen Satzfolgen anderer berühmter Kollegen. So gibt die Pianistin Gabriele Berkeryte einen virtuosen Auszug aus Griegs Klavierkonzert a-Moll und wird wieder abgelöst von Partien Elgars, dem musikalischen "Vater" des Dirigenten Arvo Pärt sowie des Orchestermitglieds Marius Malanetchi. Es entsteht eine dichte, sehr lebendige Musik, immer entlang an der Ballettmusik Tschaikowskys als starkem roten Faden.

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Einen besonderen Bezug zur Weihnachtsstadt Lübeck hat Peter Tschaikowsky schon früh gelegt. Er hat anlässlich eines Hamburg-Aufenthalts auch Lübeck besucht und mag nach den Worten des SHMF-Intendanten Dr. Christian Kuhnt 1888 mit der Bahn gekommen sein. Seinerzeit befand sich der Lübecker Bahnhof auf dem Gelände der heutigen MuK, so dass davon auszugehen sei, dass er auf einem im hinteren Parkett zu verortenden Gleis ausgestiegen sein mag.


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