Blick in die Katharinenkirche, Foto: Holger Kistenmacher

Raum-Installation in der Katharinenkirche
"Aber die Mauern leuchten" von Possehl-Preis-Trägerin Johanna Broziat

Schon beim Betreten der historischen Katharinenkirche in der Lübecker Altstadt fällt auf, dass sich die sonst eher schlichten Kirchenräume verändert haben. Quer durch den eher grauen Backstein-Bau der ehemaligen Franziskanerkirche mit den einfachen braunen Kirchenbänken fällt der Blick auf die farbenfrohe Raum-Intervention, die die Possehl-Preis-Trägerin 2024, Johanna Broziat (1982) geschaffen hat.

Am hinteren Ende des Kirchenraumes, wo normalerweise der sogenannte Unterchor mit seinen Säulen und Bögen liegt, leuchten jetzt knall-bunte Stoffbahnen aus filigranen Lycra-Stoff-Rechtecken (insgesamt 63 qm), die die Künstlerin in großformatige Bahnen vernäht hat. Die Installation der leuchtenden Stoffbahnen bringen den Raum von Außen wie von Innen in seiner Architektur in neue Assoziations-Gefilde. Manch einer mag sich an die ehemals farbigen Glasfenster der Kirche erinnert fühlen, die heute nur noch in Fragmenten im St. Annen-Museum erhalten geblieben sind. Andere sehen den gotischen Kirchenraum in völlig neuer Struktur. Samtweich und dehnbar umschließt der farbige Stoff die vorhandenen Bögen, betont die Durchlässigkeit des Raumes, wie auch eine neue Abgeschlossenheit. Vergangenheit und Gegenwart sollen einen neuen intuitiven und sinnlichen Zugang zur Geschichte der Stadt und dem Kirchengebäude ermöglichen, erhofft sich die Künstlerin.

Blick in den Unterchor, Foto: Holger KistenmacherBlick in den Unterchor, Foto: Holger Kistenmacher

Normalerweise experimentiert die Künstlerin meist mit allerlei Fundstücken und gesammelten Materialien unterschiedlichster Art. Das können Steine, Hölzer, Glas oder auch Stoffe sein, die sie zu großen Raum-Installationen arrangiert oder zu detailreichen Objekten, Drucken oder Bücher verarbeitet. Mit ihrer Raum-Intervention in der Katharinenkirche schafft sie eine neue Skulptur, die das Herzstück der ehemaligen Franziskanerkirche, den im deutschsprachigen Raum einzigartigen Unterchor völlig neu interpretiert. Durch zwei Einlässe kann man in den hinteren Bereich hineingehen und erlebt ein völlig neues Lichtereignis. Gerade jetzt bei sonnigem Wetter leuchtet es durch die bunten Stoffbahnen wie in gedimmtem Licht. Kräftige Farben, die geheimnisvolles Licht durchlassen und den Unterchor in ein stimmungsvolles neues Raum-Konstrukt verwandeln.

Einerseits wirkt der Raum wie eine Baustelle mit seiner Staubigkeit und den einfachen Materialien, wie den schnöden Holzlatten, die die Stoffbahnen tragen, gleichzeitig aber bringt die Lichtwirkung der Installation eine elegante Farbigkeit ins Spiel, die für verträumte Stimmung und Leichtigkeit zwischen den Säulen und Bögen sorgen im sonst doch eher grauen Gemäuer der Kirche. Natürlich hat die Kirche mit ihren kostbaren Kunstwerken wie der Tintoretto-Malerei und der riesigen Bernd-Notke-Reiter-Skulptur, um nur die beiden wertvollsten zu nennen, so einiges zu bieten. Doch gleichzeitig wirkt alles ein wenig verstaubt und wenig anheimelnd. Dafür sorgt Johanna Broziat mit ihrer ausgezeichneten Arbeit nun für wunderbare Leichtigkeit und reichlich Farbe.

Die Raum-Installation ist in der Katherinenkirche, Königstraße 29 jeweils Donnerstags bis Sonntags von 12 bis 16 Uhr noch bis zum 12.10.2025 zu besichtigen.

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Fotos: Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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