Wir Norddeutschen sind ja bekanntlich hart im Nehmen, besonders wenn es um die momentanen Wetterkapriolen geht. So ging am Sonntag (30.07) beim angekündigten Konzert des London Afrobeat Collective erstmal nichts.
Dafür ging ein ziemlich derber Regenguss hernieder, der das versammelte Volk für das Open-Air-Konzert unter das Dach der örtlichen Sudden Death Brauerei trieb. Aber gut gelaunt wurde stattdessen erstmal ein frisches Bier bestellt. Die Instrumente und Lautsprecher auf der Bühne verschwanden unter riesigen Plastikplanen und man harrte der Dinge beim Klönschnack.
Als es zu regnen aufhörte, wurde die Bühne gewischt und das tanzfreudige Volk schlenderte auf das Gelände der Gollan Kulturwerft. Schließlich war man gut präpariert mit Ostfriesennerz, Regenplanen und riesigen Schirmen und jeder Menge gute Laune. Auch die anfänglichen Elektro-Probleme wurden weggescherzt. Sollte es sich doch schließlich um ein neues Konzept handeln, wie im Vorfeld des Werftsommers des SHMF erklärt wurde, das auf Nachhaltigkeit beruht. Will heißen: lokale Anbieter von Getränken und Speisen, Pfandbecher und eine Bühne, die von der Vorwerke Diakonie stammte, sowie ein Bus-Shuttle vom Hauptbahnhof. „Spielt doch unplugged!“, kam es aus dem Publikum unter allgemeinem Gelächter. Aber Gemach. Dann kamen die acht Musiker/innen aus England, Italien, Frankreich, Argentinien, Neuseeland und dem Kongo auf die Bühne und legten mit funkigen Gitarrenriffs von Alex Farell los
Die bunte Truppe macht Tanzmusik mit klaren Ansagen. Dementsprechend erklärte die charismatische Sängerin ihr erstes Stück „Freedom“. Es geht um Freiheit und im Zuge von „Black-Lifes-Matter“ natürlich darum, nicht nur kein Rassist zu sein, sondern eine klare antirassistische Haltung zu zeigen. Und auch mit ihren feministischen Botschaften kommt LAC an. Sie geht direkt ins Hirn und Herz und dann ins Tanzbein. Mit dem energetischen Sound aus Funk, Jazz und Dub führt das Musikkollektiv aus London das Erbe des Begründers des Afrobeats: Fela Kuti ins 21. Jahrhundert. Die äußerst rhythmische und tanzbare Musik kombiniert Fela Kuti mit Parliament Funkadelic und Frank Zappa und fordert lautstark „Social Justice“ (soziale Gerechtigkeit).
Gleichzeitig mischte die Combo Afrobeat und Salsa, während die Sängerin ins Spanische wechselte und ihre Hüften und den Po kreisen ließ. Und das Publikum lernte noch ein wenig Ningala, die Sprache ihrer kongolesischen Heimat, wie die Sängerin erklärte. Mit „Esango“ (Joy oder auch Freude) brachte sie positive Vibes auf die Bühne. Dazu heizte ihre Band aus zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Trompete, Saxophon und Bongos den Leute kräftig ein. Überall wurde gewippt, getanzt und geklatscht, auch als der Regen wieder leicht einsetzte. Dafür gab es einen großartigen Regenbogen, der über die alten Fabrikhallen zog. Es folgten hauptsächlich neue Nummern vom aktuellen Album der Band „Humans“, wie Power to the Woman, Stop Talking, Tolembi, All you need is air oder Walk alone.
Natürlich hätte man sich die Eröffnung des diesjährigen Werftsommers in der Gollan-Werft etwas sonniger gewünscht, aber hauptsächlich die Musik ging in die Beine und hatte auch noch den nötigen politischen Anspruch. Das Publikum ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und tanzte den Regen einfach weg.
Meine persönlichen Gedanken gingen da schon etwas in die Zukunft, wenn ich daran dachte, dass sich mein Fotografen-Kollege Olaf und mit ihm ca. 80.000 Leute gerade auf den Weg nach Wacken machten...
Fotos: (c) Holger Kistemacher