Für die Kunstfreunde gibt es alljährlich Pflicht-Termine. Sei es die Biennale in Venedig, die Documenta in Kassel oder die Art Basel in der Schweiz, für die mit den dicken Geldbörsen. Für norddeutsche Kunstliebhaber/innen ist die NordArt in Büdelsdorf bei Rendsburg so ein Termin.
Seit 25 Jahren hat sich die internationale Kunst-Schau rund um das „Kunstwerk Carlshütte“, der ehemaligen Eisengießerei mit ihren 22.000 Quadratmetern Grundfläche, der Aco Wagen-Remise und dem 80.000 Quadratmeter großen, wunderbaren Park weit über Europa hinaus einen sehr guten Namen gemacht. Dort werden aber nicht nur internationale Künstler und Künstlerinnen, egal ob Stars der Szene als auch Newcomer in einer jedes Jahr neu kuratierten Kunstschau präsentiert, sondern auch Konzerte, Lesungen und Filmvorführungen.
In diesem Jahr darf die NordArt auf 25 Jahre erfolgreiche Ausstellungen zurückblicken. Dementsprechend liegt ein besonderer Fokus auf Preisträger/innen der jährlichen NordArt-Preise wie auch auf die Publikums-Lieblinge, die von den Besuchern zwischen 2010 und 2023 prämiert wurden. Darunter so bekannte Künstler wie David Cerny aus Tschechien, Liu Ruowang aus China, Michal Gabriel ebenfalls aus Tschechien oder die Deutschen Jörg Plickat und Wolfgang Gramm. Zu den Publikums-Preisträgern gehören unter anderem Demirtas Server aus der Türkei, Sabine Emmerich aus Deutschland, Dan Hudson aus Kanada oder die norddeutschen Realisten.
Wie jedes Jahr bilden Künstler/innen aus China einen besonderen Schwerpunkt. Einige von ihnen werden schon viele Jahre besonders präsentiert. Die Macher der NordArt haben anscheinend einen besonderen Kontakt in das fernöstliche Riesenreich, welches immer wieder mit aufwendigen und schwergewichtigen Skulpturen und Installationen aufwarten kann, wie die Sternenkucker aus unzähligen Gorillas, die seit Jahren irgendwie durch den wunderbaren Park wandern. Ähnlich ergeht es diversen anderen Groß-Skulpturen, die man jedes Jahr woanders entdecken kann. Vielleicht sind die Transport- und Aufbaukosten einfach zu groß, um sie nach nur einem Jahr wieder zurück zuschicken. Egal, so manche Skulptur wie die bunten Container von Luba Mikle oder der riesige Hase sind immer noch ein Hingucker. So hat sich dieses Jahr auch der körperlose, rote Hund vom Türken Erdal Yasaroglu zwischen die Obstbäume im Park aufgemacht.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist diesmal die Mongolei, die man landläufig wohl eher nicht mit moderner Gegenwartskunst in Verbindung bringt. Aber wohl gefehlt. Unter dem Titel „Per Aspera ad Astra“ sind insgesamt 20 Künstler und Künstlerinnen nach Büdelsdorf gekommen, um ihre sehenswerte zeitgenössische Kunst zu präsentieren. Besonders auffällig ist zum Beispiel eine Installation von roten Insekten, die vom Boden auf die Wände kriechen. Geschaffen hat das wunderbare Objekt und die Installation aus Schulterknochen von Schaf und Ziege Battogtokh Turbat. Die Sonderschau findet man in der ACO Wagenremise im Park.
Daneben begeistern aber noch zwei besondere Kunstprojekte. Der Brite Paul Critchley hat sein Malerei-Projekt „A Sense of Place“ mit nach Büdelsdorf gebracht. Der Maler, der kaum gerade Linien kennt und auf die Widersprüchlichkeiten und Täuschungen des menschlichen Auges setzt, besitzt viel Humor. So gestaltet er Wohnräume wie Bäder und Küchen mit Blümchen-Tapete, wo alles schief und schräg daherkommt. Anscheinend steht dort unser Olaf nackt und sexy unter der Dusche, während auf dem Klo Toilettenpapier mit Putin drauf zum Arschabwischen bereit hängt, super witzig und auch kritisch.
Ein zweites wunderbares Projekt sind die kinetischen Installationen von Willi Reiche aus Deutschland: Von der Wiege bis zur Bahre. Er hat mechanische Gerätschaften, Installationen und Objekte geschaffen, die den Menschen von der Geburt bis zum Tod begleiten. Amüsant und sehr filigran bis unglaublich.
Einer meiner diesjährigen Favoriten ist der Niederländer Jan Gerber, der Foto-Collagen auf Leinwänden zeigt. Da gibt es skurrile Wäscheleinen-Bilder, die wie Tiere aussehen, Häuser mit Gesichtern oder Badeszenen der Absurditäten, wie die vier älteren Damen, die ein Seil halten, dessen anderes Ende sich schon eine weitere alte Damen um den Knöchel gelegt hat. Sie hält sich die Nase zu und will anscheinend einen Bungee-Jump in einen dreckigen, tiefer gelegenen Kanal in einer Industrie-Landschaft wagen - absurd und komisch zugleich.
Insgesamt gibt es wieder unzählige Kunstwerke aus sämtlichen Genres zwischen Malerei, Skulptur, Foto, Video oder Installation. Vieles davon ist gewohnt gigantisch oder verspielt filigran. Bei einigen Bildern bleibt man einfach fasziniert minutenlang stehen, um ja auch alle Details zu sehen, wie auf dem Wimmelbild von James Johnson-Perkins aus Venedig nach Canaletto, wo alles zwischen Flipper, Tarzan, Adolf Hitler wie den Starwars-Helden versammelt ist, was man aus Film, Funk und Medien kennt. Ähnlich skurril geht es im Pianesi-Gefängnis-Bild von Eben Fog aus Dänemark zu, das an Dürer oder Maler des Mittelalters erinnert, irgendwo zwischen Hölle und Paradies, wo Lust und Schmerz, Sinn und Irrwitz nur knapp auseinander liegen.
Und natürlich darf ein ausgiebiger Spaziergang mit Kunstgenuss im herrlichen Park unter schattigen Obstbäumen und rund um den romantischen Teich nicht fehlen, wie auch das saftige Stück Apfelkuchen und eine Tasse Milchkaffee im Garten-Labyrinth.
Büdelsdorf und die NordArt, wir sehen uns nächstes Jahr wieder!
(Übrigens geht die Ausstellung noch bis zum 6. Oktober 2024). Infos unter www.nordart.de
Fotos: Holger Kistenmacher