Liu Ruowang: Pinocchio

Internationale Kunst in Büdelsdorf
Monumentales und Mörderisches auf der NordArt 2023

Die gigantischen Skulpturengruppen aus China gehören ja schon fast zur Tradition der NordArt in Büdelsdorf. So wandern seit Jahren die riesigen Gorillas in Gruppen durch die ehemaligen Hallen der Carlshütte und durch den Skulpturen-Park. Dort wartet jetzt eine riesige braune Pinocchio-Figur - umringt von ernst schauenden Menschen - auf staunende Besucher. Sie ist ein Werk des Preisträgers 2022: Liu Ruowang aus China.

Aber auch sonst tummeln sich in der XXL-Ausstellung mit ihren 22.000 Quadratmetern Hallenflächen, der ACO Wagenremise und dem 80.000 Quadratmeter großen Skulpturen-Park wieder unzählige monumentale Kunstwerke, überwiegend aus dem Gastland China. Einen weiteren Länder-Fokus legt die diesjährige Schau auf die Künstler/innen aus der Türkei. Kuratiert von Kemal Tufan, zeigen insgesamt 17 Künstler/innen aus dem Land am Bosporus ihre wunderbaren Werke.

Ayla Turan: Kinder auf StelzenAyla Turan: Kinder auf Stelzen

So stakst ein rückenloser „Streunender Hund“ auf roten Stöckerbeinen von Erdil Yaşaroğlu durch die Gegend, während Ayla Turan Kinder auf Stelzen balancieren lässt. Eine alte Frau im abgedunkelten Raum lässt gruseln, während Kadriye İnal mit einer Hochglanz-Skulptur ihrer Tochter mit roter Pudelmütze ein Lächeln erzeugt. Typisch türkisch sind die dekonstruierten Teppichen des in Hamburg lebenden Şakir Gökçebağ, könnte man meinen. Und an der Wand hängt eine weiße Spiderman-ähnliche Figur in weiss, während sich ein männliches Pendant auf nur einer Hand abstützt.

In die erste Halle geleitet uns eine Gesichter-Galerie von Samuel Salcedo aus Spanien, die einem am Ende die Zunge rausstreckt, der Künstler hat auch noch in der Halle teils rostige, teils silberglänzende Köpfe, die er versonnen gen Himmel blicken läßt, platziert. Ein absurdes Begrüßungskommando für die insgesamt 200 Künstler mit über 1000 Werken aus aller Welt, die es diesmal nach Büdelsdorf geschafft haben. Die riesigen Hallen sind dieses Jahr etwas lichter gestaltet und bieten mit den grinsenden Giganten von Liu Ruowang in einem Wasser-Bassin den ersten monumentalen Blickfang. Seine glänzenden Riesen-Dodos lassen den Blick auf ein gigantisches Containerkreuz des Slowaken Lubo Mikle wandern, während die dicken Figuren des Lübecker Malers Rolf Ohst an alte Kindermärchen erinnern.

Gigantisches Containerkreuz von Lubo Mikle und ein Dodo von Liu RuowangGigantisches Containerkreuz von Lubo Mikle und ein Dodo von Liu Ruowang

Ein weiterer Preisträger und Publikums-Liebling ist der Pole Michal Jackowski. Er hat diesmal einen ganzen antiken Tempel gestaltet aus Skulpturen und Videos mit dem Titel „Antique Games“. Mein persönlicher Favorit aus kunstfertiger Kreativität und politischem Statement. Ein weiterer Höhepunkt ist das Fotoprojekt der Armenierin Lilya Corneli, die in Deutschland lebt und berühmte Gemälde von Klimt bis Schiele in grandiosen Fotos nachgestellt hat. Sehenswert.

Ganz witzig und aber auch unglaublich akkurat sind die Schuhköpfe und die Musikskulpturen des Deutschen Dejo Denzer, der aus Stöckelschuhen oder Fell schräge Köpfe bastelt. Auch seine an der Wand hängenden Skulpturen aus auseinandergenommenen Musikinstrumenten lassen zum Beispiel ein Klavier zum Fisch mutieren - sehr fantasievoll und meisterlich ausgeführt.

Lilya CorneliLilya Corneli

Aber darüberhinaus gibt es auch wieder unzählige Malerei in allen Formaten und Inhalten. Zum Beispiel die „100 Gesichter Christi“ von Lucio Greco aus Italien. Aber auch die Fotografie ist vielfach vertreten, wie riesige Unterwasser-Bilder oder die Tanzfotos „Chimäre“ von Markus Rock aus Deutschland. Wem dann so langsam der Kopf schwirrt wegen der Vielfältigkeit der Werke, nimmt sich vielleicht eine kleine Auszeit im herrlich angelegten Bambusgarten in der großen Halle und lässt den Blick durch die weitläufigen Fabrikräume schweifen. Oder man setzt seinen Kunst-Spaziergang durch den herrlichen, von unzähligen großen Bäumen und Teichen bespielten Skulpturen-Park fort. Der Genießer begibt sich vielleicht auch lieber in das Gartenlabyrinth und resümiert die Kunsterlebnisse bei Kaffee und Kuchen im wunderbaren Café.

Für die Krimi-Fans hat die NordArt aber dieses Jahr noch ein kleines Extra parat: Arne Rüskamp hat seinen Regionalkrimi „Die Toten von Laboe“ auf die NordArt verlegt. Dort taucht nämlich unter den Kunstwerken eine spezielle Skulptur auf. Da sitzt nämlich ein bekannter Schlagersänger als lebensechter Abguss auf einem Stuhl. Allerdings wird dieser Frankie Flügge seit geraumer Zeit vermisst. Die ehemalige Polizistin Marie Geisler, die jetzt einen Catering-Service betreibt, vermutet, dass der Schlagerstar post mortem Modell gesessen hat. Er wurde wohl in den Stuhl gesetzt, mit einer aushärtenden Flüssigkeit übergossen und später nach der Aushärtung aus der Skulptur entfernt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Frauke geht Marie Geisler der geheimnisvollen Sache auf den Grund.
Arne Rüskamp: Die Toten von Laboe, Emons-Verlag, 18. Mai 2023, Amazon.

Carlshütte Halle IVCarlshütte Halle IV

Die NordArt läuft in Büdelsdorf noch bis zum 8.Oktober 2023 und ist jeweils Dienstags bis Sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Während des Schleswig-Holstein Musikfestivals dient die Ausstellung auch wieder als Konzertbühne für diverse Konzerte. Der Eintritt variiert zwischen 18.50 und 21 Euro als Tages-Ticket.

Weitere Infos über www.nordart.de
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Viel Spa? beim Kunst-Pflichttermin des Nordens wünscht Holger Kistenmacher!

Fotos: (c) Holger Kistenmacher

 

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.