Foto: (c) Copenhagen Film Company ApS

62. Nordische Filmtage Lübeck
Der Kampf um Grönland

Erschütternd, ergreifend, ermutigend - das sind einige Attribute, die mir zu diesem Dokumentarfilm einfallen, der ein aktuelles Stimmungsbild von der größten Insel der Erde zeichnet.

In dem dänisch, grönländisch, norwegischem Film des Regisseurs Kenneth Sorento kommen vier Protagonisten/innen zu Wort, die versuchen, ein realistisches Bild über die verschiedenen Stimmungen im Land zu präsentieren. Seit 1721 gehört das riesige Grönland zum kleinen Königreich Dänemark, aber andere Weltmächte strecken ihre Finger aus nach der Insel, die mit Fischerei, Tourismus und vermuteten Bodenschätzen großes Potential hat. Donald Trump versuchte unlängst, Grönland einfach zu kaufen, was sowohl Grönländer, als auch Dänen schlicht als einen weiteren Witz dieses durchgeknallten Deal-Makers verwarfen. Aber auch China versucht, mit riesigen Krediten für Flughafenbau und Ausbau der Infrastruktur mehr Einfluss auf die dünn besiedelte Insel zu erkaufen. Auch dieses Ansinnen wurde mehrheitlich abgelehnt.

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Aber was wollen die Grönländer wirklich selbst? Bei einer Bevölkerungszahl von nur 56.000 Einwohnern hat das Land eine erschreckende Zahl an Suiziden zu verzeichnen. Alkoholismus ist ein weiteres schweres soziales Problem, genauso wie eine eklatante Anzahl an Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch von Kindern. Diesen Problemen des Landes stellen sich die vier HauptdarstellerInnen des Films auf ihre eigene, persönliche Art und Weise.

Da ist der Rapper Josef Tarrak-Petrussen und seine Verlobte Panninguaq Heilmann, die sich auf ihre Inuit-Kultur rückbesinnen, und sich Gesichts-Tattoos stechen lassen, dann heiraten und einen Sohn bekommen. Gleichzeitig textet der junge Sänger provokante Songs in grönländisch, die die Probleme klar benennen. Es geht um Selbstbewußtsein, Steigerung des Selbstwertgefühls, Solidarität und Stolz auf die eigene Herkunft. Gleichzeitig betonen beide, wie wichtig es ihnen ist, Verantwortung für ihr kleines Kind und das eigene Leben zu übernehmen. Beide hatten Alkoholiker-Eltern, die die Familie schnell verließen und sich nicht weiter um die eigenen Kinder kümmerten. Auch darin sehen sie ihren Anteil am Kampf um die Unabhängigkeit von Grönland.

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Einen anderen Weg beschreiten der junge Kameramann Kaaleeraq M. Andersen und seine Konkurrentin Tillie Martinussen, die beide in den Wahlkampf ziehen, um einen Sitz im grönländischen Parlament zu gewinnen. Er spricht sich für Loslösung von Dänemark aus, während sie an der vernünftigen Zusammenarbeit mit dem Königreich festhalten will. Aber gemeinsam ist ihr Wille nach mehr Eigenständigkeit bei besseren Bedingungen, die auch die oben genannten akuten sozialen Probleme konkret angehen sollen. Aber gerade das ominöse Angebot von Donald Trump sorgt für allgemeine Einigkeit. Hinzu kommt, dass die dänische Ministerpräsidentin in einer Replik auf Trump endlich klarstellt, worauf viele Grönländer lange warten mussten: Grönland gehört den Grönländern!!!

Ergreifend an dem Film sind die Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bewohner, die sich in einer großen Demonstration anlässlich eines weiteren Selbstmordopfers vor dem Parlament versammeln. Auch ein anschließendes Konzert mit dem Rapper Tarrak, der kein Blatt vor dem Mund nimmt und seine Trauer und Anteilnahme mit seiner Musik auf den Punkt bringt. Ein Film, der Mut macht, auch wenn die Trumps dieser Welt und die eigenen sozialen Probleme übermächtig erscheinen. Unbedingt anschauen!

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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