Ein Festival für alle, egal ob jung oder alt, behindert oder nicht behindert, Bio-Deutscher oder Zugewanderter, Mann, Frau oder alles dazwischen und rundherum, schwarz, weiß oder braun, oder was auch immer. Allerdings gilt dieses vielleicht sogar in Europa größte inklusive Musik- und Kunst-Festival als eine Riesen-Party nur für Menschen, die sich ganz konkret und explizit gegen Faschismus, Intoleranz, Rassismus, Homophobie und für Demokratie aussprechen.
So sah es auch Michael „Roosty“ Schmerschneider, der das Publikum noch einmal dazu aufrief, alle diese Aspekte des wunderbaren Festivals zu beherzigen, bevor er den Stargast Clueso auf die Bühne bat. Aber schon ab nachmittags wurde dem zahlreichen Publikum aus Nah und Fern bei hochsommerlichen Temperaturen kräftig eingeheizt. Also musste Frontmann Hauke von Horeis schon mit dem Feuerwehrschlauch die Fans seiner Band Odeville abkühlen.
Odeville, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Die Hamburger Punk-Rockband mit eindeutiger Message und klarer Haltung gegen Rechts, gegen Intoleranz und jegliche Form von Diskriminierung passte zielgenau in die Politik des Festivals und durfte die Main-Stage am Nachmittag eröffnen. Wobei Sänger Hauke von Horeis dem typischen Klischee des Rockmusikers entspricht. Rock-Musiker-Persönlichkeit mit Sonnenbrille, Schlapper-Look, Hut, tätowierten Armen, schnoddriger Sprache, aber voll Humor und Selbst-Witz und Haltung. Diese bewies er nach dem Konzert, indem er noch mit Kindern und Jugendlichen vom Jugend-Parlament über Demokratie und Deutschland diskutierte.
Kinder- und Jugend-Parlament, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Dann erstmal die Wasserflasche an einer der diversen Umsonst-Wasser-Zapfstellen neu gefüllt und ab in den Schatten der Jungle-Stage. Hier hatten es sich besonders viele Leute auf Liegestühlen und allerlei Sessel, Sofas und Sitzecken gemütlich gemacht. Bis Serpentin, die sexy Powerfrau (siehe Titelfoto) mit ihrem Indie und Elektro-Sound wieder für Tanzstimmung sorgte. Die Newcomerin, die locker jeden Club mit ihrer Power und tanzbaren Musik rocken könnte, lieferte einen gefeierten Set ab.
Zwischendurch mal eine Runde gedreht, um zu schauen, was es an bunter Vielfalt sonst wieder so gab. Gerade am Nachmittag waren viele Familien mit Kindern da, die überall jonglieren, malen, basteln, sich schminken lassen oder Kurzfilme für Kids von den Nordischen Filmtagen schauen konnten. Jede Menge leckere Fress-Buden von Vegan bis Japanisch über Quark-Eis bis Stockbrot, ob syrisch, türkisch oder klassisch als Curry-Wurst mit Pommes - für jeden Geschmack und Hunger war was dabei. Auch die Zapfstellen für jedwede Flüssigkeiten waren wieder aus ganz Lübeck versammelt, vom Tonfink bis zum TibiaTick. Wobei das Kandinsky voll ins Programm passte, indem es weit sichtbar proklamierte: Kein Bier für Nazis!
Eindeutige Ansage, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Weiter im Musik-Programm: Auf der Haupt-Bühne gab es zwei Gäste aus Süddeutschland. New-Comer Paul Wetz, ein deutschsprachiger Singer-Songwriter hatte seinen Kumpel am Piano dabei, den er schon aus Grundschulzeiten kennt. Sie produzierten poppige Songs, teilweise mit Techno-Rhythmen, die gut tanzbar waren. Der Sänger in seiner Glitzer-Hose lief immer wieder bis an den Rand des langen Steges, der von der Bühne bis ins Publikum reichte, um seine Fans zum Klatschen, Springen oder Mitsingen zu animieren. Man merkte, es gefiel ihm eindeutig in Lübeck, wobei er natürlich auch gleich viel neues Musik-Material vor großem Publikum testen konnte.
Paul Wetz, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Wieder zurück in den Schatten der Jungle-Bühne, vorbei an allerlei Stelzen-Läuferinnen, lustigen Spaß-Machern und jonglierenden Kids. Auf der Bühne selbst dann das queer-feministische Trio „Gute Katze, Böse Katze“ aus Rosa Licht, Campina de la Fuente und Axel Hollywood. Die tanzfreudigen Katzen, die aber auch ordentlich Krallen zeigen können, waren bereits im letzten Jahr dort zu Gast. Mit ihrem queer-feministischen Kuschelrock bewiesen die Musiker*innen aus Hamburg einerseits Tanz-Qualität, aber auch bissige Texte und klare Kante gegen Patriarchen, Homophobie, strukturellen Sexismus und rücksichtslosen Kapitalismus. Eine Mischung, die bei dem begeistertem Publikum aller Gender und Alter gut ankam.
Foto: (c) Holger Kistenmacher
Raus aus dem Schatten, wo die Hitze des Tages auch zu späterer Stunde kaum abnahm, wurden die Schlangen an den Getränke-Ständen länger und länger. Die riesige Wiese vor der Haupt-Bühne war mittlerweile rappelvoll. Alle wollten Clueso sehen, den Star des Tages. Aber zunächst gab es noch eine kleine, süße Überraschung. Festival-Leiter Schmerschneider erinnerte noch einmal alle, wofür das wunderbare Festival steht: Musik gegen Faschismus jeglicher Form, für Frieden, Freiheit, Spass und Liebe und Demokratie.
Kinder-Chor Tiny Wolfes, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Dann kündigte er überraschenderweise den Kinderchor „Tiny Wolfes“ aus Bergen bei Celle an. Der vielfältige Kinderchor, der als Grundschulprojekt begann, brachte vier wunderbare Stücke von Coldplay bis Danger Dan zu Gehör, ganz niedlich und zu Tränen rührend.
Dann enterten endlich Clueso und seine Band die Bühne, die professionell mit Video-Leinwänden und Laser-Beleuchtung ausgestattet war. Bestens gelaunt sprintete Clueso den Laufsteg ins Publikum rauf und runter und zelebrierte seinen Deutsch-Pop, der ihm schon so manche Nummer eins in den Hit-Paraden verschafft hatte. Man erinnere sich an das Duett mit Udo Lindenberg: Cello.
Clueso, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Ein wunderbar heißer Tag voller Musik, Freude, Spass und klarer Haltung verzaubert bis zur späten Stunde das zahlreiche Publikum. Überall leuchten bunte Lampen und tanzendes Volk vergnügt sich bei langsam sinkenden Temperaturen und frischen Getränken. So sollte ein Festival für alle aussehen!!!
Fotos: (c) Holger Kistenmacher