Als die charismatische Sängerin, Gitarristin und Komponistin Fatoumata Diawara die blau ausgeleuchtete Bühne in der Gollan-Werft betritt, brandet Jubel und Vorfreude bei den gut 1000 Besucher*innen auf. Ihre exotische Aufmachung aus exzentrischer Haarpracht mit Hörnchen, Zöpfen und Perlen treffen auf bunte Stoffe, viel Schmuck und ein elegantes schwarzes, geschnürtes Bustier.
Mit einem Dauer-Lächeln greift sie in ihre Gitarrenseiten und stimmt die ersten Stücke ihres neuen Doppelalbums an. Begleitet von einer gut eingespielten 4-Mann-Band aus Schlagzeug, Gitarre, Bass und Piano und Synthesizer spielt sie ihre Version von Afro-Pop, die gekonnt die Brücke zwischen afrikanischen Klängen und westlicher Popmusik schlägt, wie sie auch auf ihrer aktuellen Doppel-CD „London Ko“ beweist. Dieses dritte Studioalbum der malischen Sängerin enthält Features von Damon Alban, Roberto Fonseca (Buena Vista Social Club) und Angie Stone.
Als eine der herausragenden Stimmen Afrikas und des globalen Pops lässt sich Fatoumata Diawaras Musik zwischen Afro-Pop, Afro-Folk und Afro-Futurismus einordnen. Dabei strotzt sie vor Selbstbewusstsein und beruft sich auf keine Geringere als Nina Simone, die ihr vorgemacht hat, dass man als Frau selbstbestimmt und eigenständig Musik komponieren und auf die Bühne bringen kann. In einem Statement bedankt sie sich auf der Bühne bei ihrer berühmten Vorgängerin. Gleichzeitig fordert sie die Frauen im Publikum zu Mut, Freiheit und Selbstermächtigung auf. „Wake up Africa, Wake up Woman of the world“, ruft sie unter dem Jubel der Leute ins Publikum.
Ihr Auftritt inmitten von Tradition und Moderne hat eine lächelnde und tanzfreudige Ausstrahlung, die locker auf ihr Publikum überspringt. Im Rhythmus des Wassoulou und westafrikanischer Gesangstechnik mixt sie mit ihrer wunderbaren zurückhaltenden Band zeitgenössische Klänge von Rock, Pop und Jazz mit dem Sound ihrer afrikanischen Heimat. „London Ko“ steht dabei für einen imaginären Kontinent, der Europa und Afrika näher zusammenbringt, insbesondere London und Bamako.
In ihren Texten zwischen Avantgarde und Hommagen an ihre Vorfahren macht die Sängerin und Schauspielerin aufmerksam auf aktuelle Konflikte der Gegenwart in Mali und verarbeitet eigene Erfahrungen, insbesondere bezüglich der Rolle der Frauen und der Kinder. Dazu macht sie explizit mehrere kämpferische Ansagen, die mit Jubel vom Publikum aufgenommen werden. Ihre politischen Statements zu Frieden und Liebe auf der Welt, gegen Kriege und Ungerechtigkeit treffen auf viel Zustimmung.
Immer wieder ergreift sie zwischen den gut tanzbaren Stücken das Wort und setzt sich als Feministin für Freiheit, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Mut der Frauen ein. Besonders bezüglich ihrer eigenen Erfahrung aus Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung in Afrika hat sie ihren persönlichen Widerstand entgegen zu setzen. Der Song „Sete“ ist dafür ein Beispiel: „Ich bin die einzige Künstlerin auf meinem gesamten Kontinent, die darüber spricht“, sagt Diawara. „Wir sind Millionen von Frauen auf diesem verrückten Planeten, die ohne unsere „Flower“ leben sollen. Das ist nicht fair“. Dabei geht es nicht nur um Sexualität, sondern auch um Stärke und Energie. „Die weibliche Genitalverstümmelung muss aufhören!“
Dann greift sie wieder zur Gitarre und spielt ein tolles Solo. Oder sie dreht sich in dynamischen Tanzfiguren um ihre eigene Achse bis zur scheinbaren Trance. Am Ende, als fast der gesamte Saal tanzt, kommt sie noch einmal im Zugaben-Teil mit einer Maske vor dem Gesicht auf die Bühne. Ohne zu singen tanzt sie in rasanten Drehungen tranceartig und bläst dabei auf der Trillerpfeife. Vier mutige Besucher erklimmen die Bühne und tanzen mit ihr gemeinsam. Besonders ein drahtiger Mann in Glitzersakko glänzt dabei mit rasanter Arm- und Beinarbeit, dass selbst die Queen of Afropop ins Staunen kommt.
Nach diesem fast schon 2-stündigen, spirituellen Erlebnis für alle muss ich aber trotzdem noch ein wenig Kritik loswerden. Es war absolut schade, dass das Konzert bei bestem Sommerwetter nicht draußen und open air stattgefunden hat. Man kam in der Halle ganz schön ins Schwitzen, was viele Leute aus dem Publikum dementsprechend veranlasste, den Stall zu verlassen und sich im offenen Teil der Gollan-Werft im Sand und den Liegestühlen zu erholen. Gleichzeitig war die Tonmischung nicht besonders ausgereift. Leider ging die rauchig-tiefe Stimme von Fatoumata Diawara teilweise ziemlich unter. Dem Augenschmaus des Konzerts und ihrer radikalen Stellungnahme bezüglich Frauenrechte, Love and Peace tat das aber keinen Abbruch.
Fotos: (c) Holger Kistenmacher