Foto: Leonhard Calm

SHMF 2024
Die King’s Singers beleben mit Vox Mandala, Vocoder und German Gents die MuK

Der Andrang ist beachtlich. Die Veranstalter der Musik- und Kongresshalle haben sogar den Mitteltresen im Foyer bestückt, was durchaus nicht bei jedem Konzert der Fall ist – sondern nur, wenn es auch lohnt.

Nun sind Konzerte im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals grundsätzlich ‚Hinhörer‘, das am heutigen Abend aber ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil neben den King's Singers, dem Vocalensemble von Weltrang, das mit seiner musikalischen Fusion von klassischer Gesangstechnik mit zeitloser Musik verschiedene Geschmäcker trifft - auch drei bedeutend jüngere Ensembles zum musikalischen Geschehen beitragen. Während die King’s Singers 2018 ihr fünfzigjähriges Bestehen feierten, bringen die anderen Gruppierungen zusammengerechnet 21 Jahre auf die Uhr. Für eine von ihnen, Vox Mandala, ist das Konzert gar ein Heimspiel. Möglicherweise ist es auch aus diesem Grund so schwer gewesen, eine Karte zu ergattern, ohne den King's Singers absprechen zu wollen, dass sie den Saal der MuK auch alleine hätten füllen können.

Die King’s Singers, deren Namen übrigens nicht auf den britischen Monarchen selbst Bezug nimmt, sondern auf das King’s College in Cambridge, legen vor und schnell wird deutlich: Leichtigkeit ist an diesem Abend das höchste der Gefühle - die Kunst, das Perfekte nicht nach Perfektion klingen zu lassen, sondern nach Naturzustand. Die sechs Männer arbeiten sich mit einer Freude durch die komplexesten Modulationen, die einem das Grinsen auf die Lippen zaubert, und schaffen es mit stimmig eingesetzten Gags, dem Publikum dieses Grinsen im Gesicht zu halten. Zusätzlich zeigen sie bei aller Klasse zu jeder Zeit sympathisches Understatement.

Es folgen: Vox Mandala. Unmittelbar nach den King’s Singers auf die Bühne zu treten erfordert Mut, den die acht Sängerinnen, allesamt aktuelle oder ehemalige Studentinnen der Musikhochschule, nie vermissen lassen. Wenn es ohnehin kaum möglich ist, eines der jüngeren Ensembles mit dem großen Vorbild zu vergleichen, so ist es bei Vox Mandala am wenigsten angebracht. Denn erstens nähern sie sich ihren Songs im Gegensatz zu den King’s Singers nicht mit klassischer Gesangstechnik und zweitens handelt es sich bei Vox Mandala um ein reines Frauenensemble. Nun haben Männerensembles aber den Vorteil der Countertenöre – bei den King’s Singers Edward Button und Patrick Dunachie –, die ihre Kopfstimme in beachtliche Höhen treiben und so die Abwesenheit von Frauenstimmen bis zu einem gewissen Grad kompensieren können. Da es den Frauen von Vox Mandala im Gegensatz dazu bei aller Qualität nicht möglich ist, ihre Stimmbänder über das naturgegebene Maß hinaus zu verlängern, müssen sie ohne besonders tiefe Frequenzen auskommen. Bemerkbar macht sich diese Einschränkung allerdings nicht, denn die in vielen Fällen selbstgeschriebenen Arrangements sind so gut auf die Stimmen der Sängerinnen abgestimmt, dass man als Zuhörer keine tieferen Stimmen vermisst. Ein Grund dafür ist sicher auch die Euphorie, welche die Sängerinnen über den Bühnenrand hinaus transportieren.

Die King’s Singer beschließen den ersten Teil mit einem Arrangement des Beatles-Klassikers „Ob-La-Di, Ob-La-Da“, das sie selbst als das schwierigste in ihrem Repertoire bezeichnen und das einmal anzuhören jedem Beatles- und A-Cappella-Fan ans Herz gelegt sei.

Nach der Pause folgen Vocoder aus Hamburg und die German Gents aus Berlin. Beide sind sie bereits in den Genuss einer oder mehrerer Masterclasses mit den King’s Singers gekommen. In den Gesang von Vocoder möchte man sich hineinlegen. Manchmal scheinen sie allerdings selbst der Versuchung zu erliegen, dies zu tun, wodurch ihrem Auftritt eine gewisse Leichtigkeit abhandenkommt. Am letzten Song wird dann aber die Arbeit mit den King‘s Singer deutlich: Den Klassiker „Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche“ präsentieren sie mit einer ironischen Selbstverständlichkeit, die keinerlei Wünsche offenlässt und auch dem Publikum einige beherzte Lacher entlockt. Die verdiente Belohnung: donnernder Applaus.

Die Stimmen der German Gents sitzen bei aller Jugendlichkeit perfekt, wie die Rosen in den Knopflöchern ihrer Anzüge. Wenn man etwas bemängeln wollte, dann, dass sie sich mit Stücken wie „Unter dem Lindenbaum“ und „Capri-Fischer“ doch arg auf die Kraft der Nostalgie verlassen. Die sichert ihnen zwar die Gunst des älteren Publikums, wirkt aber zuweilen etwas erzwungen. Dabei haben die vier jungen Herren eindeutig Potenzial für etwas mehr Mut zur Lockerheit.

Im letzten Konzertteil bitten die King’s Singers alle Sängerinnen und Sänger des Abends noch einmal gemeinsam auf die Bühne, um ihre Stimmen zu verschmelzen. Die extra aus der Hauptstadt in die Provinz gekommenen German Gents haben als einziges Ensemble augenscheinlich keine Zeit gefunden, die im Kollektiv präsentierten Songs auswendig zu lernen, was dem Ganzen einen etwas improvisierten Charakter verleiht. Dennoch zeigt dieser Abschluss noch einmal eindrücklich, dass es in der A-Cappella-Musik vordergründig eben nicht auf die Ensemblegröße oder Stimmverteilung ankommt - sondern auf die Freude daran, aus vielen Stimmen eine einzige werden zu lassen.

Konzerte wie dieses machen das SHMF zu einer alljährlichen Besonderheit, derer wir uns glücklich schätzen dürfen. Ungemein erfüllend wäre es, wenn die besonders Klatschambitionierten im Publikum begreifen würden, dass ein allzu zeitiger Applaus, der den letzten Klang eines auf diesen hinführenden A-Cappella-Arrangements ruiniert, nicht unbedingt die zielführendste Art ist, Bewunderung auszudrücken.


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