Gabi Bannow empfängt mit einem herzlichen Moin in ihrer ‚Galerie für eine Nacht‘ an der Ecke Hundestraße/Tünkenhagen. Die ehemalige Einzelhandelsfiliale, die ihre Großeltern dort einst betrieben, hat die Künstlerin auf innovativ-charmante Weise zu einem Galerie-Cafè umfunktioniert.
Oder ist es doch eher eine Café-Galerie? Ob nun mehr von dem einen oder anderen Aspekt darin steckt, oder beide gleichermaßen voneinander profitieren, diese Einschätzung darf jeder und jede selbst vornehmen. Der alte Verkaufstresen dient als Bar und Auslage für einige Hefter, in denen Interessierte sich einen Eindruck über die Diversität von Gabi Bannows Kunst verschaffen können. Zwei optisch nicht weniger interessante Kaffeemaschinen komplettieren das hybride Bild. Als Präsentationsfläche für eine Auswahl ihrer Originale nutzt Bannow die Wände der beiden kleinen Räume, außerdem das ehemalige Verkaufsregal hinter der Bar. Auch die Wände ihres Wohnbereichs im hinteren Teil des gemütlichen Altbaus sind mit Eigenkreationen geschmückt - oder mit solchen ihres älteren Sohnes, der ebenfalls bildender Künstler ist, allerdings in Berlin. Der jüngere führt dort zwei Cafés. Zufall?
Leonhard Calm: Wie bist du auf die Idee gekommen, neben deiner Tätigkeit als Künstlerin noch dieses Café zu eröffnen?
Gabi Bannow: Ich kam auf die Idee, weil ich mich von meinem Mann damals getrennt habe und mit meinen Söhnen in dieses Haus gezogen bin. Und diesen Laden haben wir nur als Abstellraum genutzt. Irgendwann kam ich auf den Gedanken: Du hast hier diesen Laden zur Verfügung und machst da gar nichts draus. Das war 2006 zur Museumsnacht, und da hab‘ ich für eine Nacht hier meine Kunst ausgestellt. Da war die Museumsnacht noch nicht so überlaufen wie heute und ich war so ein bisschen der Geheimtipp in diesem Jahr, weil ich nicht im Programm stand. Das hat Spaß gemacht. Und das war eigentlich der Startschuss. Der Name ist geblieben. Und ab dann habe ich jeden Samstag aufgemacht. Aber anfangs war das noch sehr zäh, denn wenn du nur Kunst hast, kommt kaum einer rein.
Calm: Wieso nicht?
Bannow: Ich glaube, einmal hast du die Leute, die haben Hemmungen, weil sie, wenn sie in eine Galerie gehen, das Gefühl haben, sie müssten etwas Schlaues dazu sagen. Und außerdem interessiert es auch sowieso nur eine gewisse Gruppe von Menschen. Irgendwann durfte ich dann den Dachboden ausbauen (Anm.: das Haus steht unter Denkmalschutz) und bin mit meiner Restaurationswerkstatt nach oben gezogen. Dann hatte ich diesen zweiten Raum noch frei und kam auf die Idee, aus dem Ganzen dieses Galerie-Café zu machen. Ich hab‘ das Gesamtkonzept also letzten Endes ein bisschen aufgebrochen, sodass auch Leute reinkommen, die eigentlich nur ‘nen Kaffee trinken wollen und sich dann aber trotzdem mit der Kunst auseinandersetzen. Weil sie hier ja nun schon mal sitzen. (Lacht) Ich habe auf diese Weise einfach mehr Leute, die meine Kunst wahrnehmen.
Calm: Wer kommt so bei dir rein? Immer dieselben Leute oder zum Beispiel auch Touristen?
Bannow: Die Sommer sind schon eigentlich am besten, weil dann mehr Touristen da sind. Einmal hatte ich am Vorabend einer Vernissage einen Frankfurter zu Gast, und die scheinen ja generell mehr Geld zu haben, und der hat sich dann in ein Bild verguckt und direkt gesagt: Das nehm ich mit.
Calm: Die Lübecker sind da zurückhaltender?
Bannow: Die Lübecker kaufen eher mal, wenn ich Vernissage hab‘. Aber da ist es schwer, an neue Kundschaft ranzukommen. Da müsste ich eigentlich einen Galeristen oder eine Galeristin haben. Ich habe so viel zu tun, dass ich es nie geschafft habe, mich darum zu kümmern. Mein älterer Sohn, der ist Künstler in Berlin, der hat einen Galeristen. Der muss das natürlich machen. Ich wüsste aber auch nicht, welcher Lübecker einen Galeristen hat. Entweder haben die selber eine Galerie oder auch Zweitjobs. Ich restauriere jedenfalls alte Bilder, verkaufe meine eigene Kunst und habe zusätzlich den Laden - habe aus dem Grund aber natürlich auch nur zeitlich begrenzt geöffnet.
Calm: Wie bist du darauf gekommen, das Konzept Galerie-Café ausgerechnet in diesen Räumlichkeiten umzusetzen?
Bannow: Weil die schon da waren. Wenn ich irgendwas anmieten müsste, wäre das viel zu teuer. Ich muss auch alles alleine machen, damit das wirtschaftlich bleibt. Bei mir ist das Problem: Ich bin ja Künstlerin und in der Künstlersozialkasse, muss also meinen Haupterwerb durch Bilderverkauf bestreiten. Aus diesem Grund öffne ich das Café nur zu begrenzten Zeiten. Ich restauriere ja auch Bilder und das erkennen die leider auch nicht an. Das ist ja ein Kunsthandwerk. Wobei neulich jemand meinte, das habe sich geändert. Vielleicht muss ich da noch einmal nachhaken.
Calm: Woraus ziehst du deine Inspiration? Du bist ja ziemlich produktiv.
Bannow: Mein Hauptthema ist ja der Mensch. Ich wollte damals freie Kunst studieren, aber mit knapp 18, nach dem Abi, da haben mir die Dozenten von den Kunsthochschulen alle Angst gemacht. Also hab‘ ich Mode studiert. Und da haben wir ja ganz viele Körperstudien gemacht. Und wenn du das zehn Jahre lang machst, dann prägt das natürlich deine Kunst. Ich beobachte auch einfach gerne Menschen, egal wo ich bin, und das fließt dann in meine Kunst rein. Mein älterer Sohn hat beispielsweise einmal ein halbes Jahr in New York studiert. Da habe ich ihn besucht und aus sowas schöpfe ich dann für lange Zeit. Da habe ich dann auch immer so einen Fundus aus Fotos, gute Fotos allgemein inspirieren mich auch. Wahrnehmungen anderer Leute. Und die versuche ich dann anders umzusetzen.
Calm: Birgt das nicht manchmal auch Probleme?
Bannow: Naja, jemand aus meinem Bekanntenkreis beispielsweise hatte einmal den Fall, da hat er ein Motiv von einer Fotografin auf Instagram künstlerisch umgesetzt und die hat dann wirklich geklagt. Das kann passieren, da muss man aufpassen. Aber man verfremdet die Dinge ja auch, das ist ja auch künstlerische Freiheit.
Calm: Wie viele Bilder malst du, sagen wir, im Jahr? Oder hast du einfach produktive Phasen und andere, in denen weniger läuft?
Bannow: Also jeder Künstler ist ja anders. Ich habe mal mit einem gesprochen, der setzt sich jeden Tag konsequent hin ins Atelier und macht was. Und ich kann eher am Stück was machen, muss richtig eintauchen. Insofern war der letzte Lockdown der Pandemie für mich eine Glückszeit, da bin ich viele Wochen am Stück in meinem Atelier abgetaucht. Im Winter kann ich generell besser arbeiten, da wird es da oben (unterm Dachboden, Anm.) auch nicht so heiß. Im Sommer mache ich dann auch schon mal andere Sachen. In letzter Zeit war mir meine Enkeltochter wichtig, da habe ich mehr Zeit mit ihr verbracht als dass ich gemalt habe.
Calm: Hat dir im Lockdown nicht irgendwann der Input gefehlt?
Bannow: Nein, weil ich einfach meine Fotos auf dem Handy durchgegangen bin und festgestellt habe: Da hast du ja erst einen Bruchteil von umgesetzt.
Calm: Also besteht bei dir nicht die Gefahr für Schaffenskrisen?
Bannow: Doch natürlich. Als meine Eltern beide innerhalb von acht Wochen gestorben sind, da hat mir die Vorstellung ins Atelier zu gehen so viel Druck gemacht, auch weil noch so viel zu erledigen war, so viel Stress - da konnte ich gar nichts tun.
Calm: Und hattest du als Künstlerin auch mal Existenzängste oder ähnliches?
Bannow: Es gibt ja Künstler, die müssen immer irgendwas machen. Sonst sagen sie, es gehe ihnen schlecht. Ich fühle mich in der Hinsicht eigentlich nie schlecht. Aber wenn es mal gut läuft, dann stelle ich fest: Dieses Gefühl, dass man etwas aus sich heraus erschafft, etwas Einzigartiges - das ist so ein sattes, wohliges Gefühl, das muss ich schon immer mal wieder haben. Aber wenn‘s jetzt mal nicht läuft, dann bringt mich das nicht um. Mein Sohn ermuntert mich immer und sagt, meine Sachen seien so gut, ich müsste eigentlich viel mehr verkaufen. Aber ich müsste mich dann viel mehr kümmern, um die Vermarktung. Und dann habe ich in Berlin bei zwei Galeristen mal nachgefragt und gemerkt: Bei mir ist vom Alter her der Zug schon ein bisschen abgefahren. Die wollen ja in junge Talente investieren und die über Jahre aufbauen und damit ihr Geld verdienen. Und ich zum Beispiel kann und möchte ja gar nicht meine gesamte Zeit in die Kunst investieren.
Calm: Du hast ja auch deinen Laden…
Bannow: Ja, und das ist mein großes Glück! Da sag ich mir auch immer: Zum Glück gehört mir das Haus und ich muss für den Laden keine Miete stemmen, keine Ateliermiete, Werkstattmiete, mit denen andere Künstler klarkommen müsse - sonst hätte ich die Möglichkeiten nicht. Vieles im Leben kannst du ja nicht planen, es kommt so wie es kommt und bei allem Negativen ist auch immer was Positives dabei.
Calm: Hast du das Gefühl, als Künstlerin eher positiv oder eher negativ motiviert zu sein?
Bannow: Eher positiv. Weil ich sowieso ein positiver Mensch bin. Ich nehme mir jetzt nicht unbedingt vor, etwas Schönes zu malen, aber ich hab‘ ja ein Designstudium hinter mir, das mich auch geprägt hat und ich denke, ich selber würde mir auch kein Kunstwerk hinhängen, das mich täglich runterzieht.
Calm: Es gibt ja viele Künstler, die in ihrer Kunst etwas verarbeiten…
Bannow: Das mache ich, glaube ich, trotzdem. Als ich mir neulich ein paar Bilder von vor ein paar Jahren angeschaut habe, da hab‘ ich manchmal Sachen gesehen, die mir damals noch gar nicht so klar gewesen sind. Dinge, die mich zu dieser Zeit beschäftigt haben. Ich habe immer gedacht, ich mache eigentlich so schöne, bunte, farbige Bilder. Und dann habe ich irgendwann mal dieses Motiv gemalt. Das sind ja eher verhaltene Farben und auch vom Motiv her, das fand ich von der Ausstrahlung her eigentlich ein bisschen depressiv. Aber es war auf der Vernissage das Erste, was ich verkauft habe. Ich musste es noch einmal für eine Kundin nachmalen und habe auch mehrere Drucke schon verkauft. Andere Leute sehen ja auch die Kunst anders. Ich male etwas und habe Gefühle dabei, aber der Betrachter sieht das ganze ja aus seiner Warte heraus und spürt Dinge, die ich vielleicht gar nicht gemeint habe. (Kramt) Dieses hier zum Beispiel, das habe ich verkauft an einen Hamburger. Und jemand hat zu ihm gesagt: Oh Gott, die arme Frau, das ist ja ‘ne Bettlerin und ihre Schuhsohlen sind schon ganz durchgelaufen und das war aber nur ‘ne Asiatin, die Im Coffee Shop am Fenster gesessen hat, die Füße hochgelegt, und sich nen Kaffee gegönnt hat. Das ist immer ganz lustig, was für Resonanzen die Bilder haben.
Calm: Und das stört dich nicht, wenn Leute etwas Anderes in deinen Bildern sehen als du?
Bannow: Nein, nein. Ich hab‘ eher gemerkt: Du darfst gar nicht zu viel erzählen, weil die Leute ja auch ihre eigene Wahrnehmung behalten wollen.
Calm: Hast du künstlerische Idole, auch vom Stil her? Oder eher nicht?
Bannow: Ne, eher nicht. Ich kann ja auch unterschiedlich malen, mal fein und akkurat, dann wieder intensiver. Ich habe mir aber mal bewusst so Sachen von Elvira Bach angeguckt. Die hat so Frauenbilder gemalt, die aber auch kraftvoll waren und spontan umgesetzt. Die ist gar nicht so in die Details gegangen und das war dann schon inspirierend für mich. Da hab‘ ich mich schon mal hingesetzt und versucht, wie Elvira Bach zu malen.
Calm: Und das hat funktioniert?
Bannow: Ja, auf jeden Fall! Weil ich sonst immer viel zu pingelig bin. Ich muss mich oft von meinen eigenen Vorstellungen befreien. Ich sehe ja durch mein Studium jede Proportion, die nicht stimmt. Und mein Sohn hat ja beispielsweise freie Kunst studiert, und die waren natürlich auch im Aktzeichnen viel freier. Da hat er immer gesagt: Wir können machen, was wir wollen, wir können einen Punkt und einen Strich zeichnen und das ist auch in Ordnung. Ganz freie Kunst ist eben noch mal ein Stück freier.
Das Galerie-Café ‚Galerie für eine Nacht‘ an der Ecke Hundestraße/Tünkenhagen ist auch im Winter immer donnerstags und freitags, 15-18 Uhr, sowie samstags, 11-17 Uhr, geöffnet. Der Eintritt lohnt sich, sowohl für Kunst-, als auch Kaffee-Liebhaber!