Prattico Quartett und Streicher-Sektion des Classical Beat Festivalorchesters

Classical Beat Festival 2023
Simone Prattico findet mit seiner Crew einen Heimathafen in Travemünde

Simone Prattico: „Ich habe immer nach den tiefen Wurzeln der Musik, die mir auf meinem Weg begegnet ist, gesucht und versucht, diese Wurzeln mit der Musik zu verbinden, mit der ich als Kind aufgewachsen bin."

„'Oriundo - Sailing in the North' symbolisiert genau dieses ständige Bedürfnis, meine musikalischen Wurzeln mit anderen Kulturen und Musiksprachen zu verbinden und zu teilen, in diesem Fall mit skandinavischen Künstlern. Wenn diese Magie geschieht, erkennen wir, dass es in der Musik nicht wirklich einen Norden oder Süden gibt, sondern nur einen "idealen Ort", an dem Musiker zusammenkommen können, um auf authentische Weise Kunst zu schaffen. In diesem Sinne denke ich, dass das Classical Beat Festival diesen "idealen Ort", an dem diese musikalische Alchemie Gestalt annimmt, perfekt repräsentiert. Ich bin glücklich, ein Teil davon zu sein." So beschreibt der Ausnahmeschlagzeuger Simone Prattico, der sein Programm "Oriundo" zusammen mit dem Prattico Quartett am 24. Juli 2023 im Ballsaal im ATLANTIC Grand Hotel Travemünde präsentierte, seine musikalische Vision in einer Sonderveröffentlichung von Travemünde Aktuell.

Acelino de Paula und Simone PratticoAcelino de Paula und Simone Prattico

Auch auf der Bühne gab Prattico den Geschichtenerzähler, sei es mit dem Mikrofon in der Hand oder als Bandleader. Im ersten Set ausschließlich mit seinem Quartett: Acelino de Paula bot ein solides Fundament am fünfseitigen E-Bass und zeigte auf kleinen Ausflügen, dass er noch einiges mehr in seinem Köcher hatte, Øyvind Nypan setzte seine Telecaster kraftvoll wie lyrisch in Szene und Klaus Mueller hatte häufig die Möglichkeit, die Musiktitel mit Keyboard und Flügel melodiös zu führen.

Wenn ein Schlagzeuger, der seit seinem vierten Lebensjahr mit dem Instrument verbunden ist, ein Quartett leitet, kann man davon ausgehen, dass die Rhythmen etwas vertrackter sind, was die Band gleich mit dem ersten Stück Tanger von ihrem aktuellen Album Oriundo zeigte. Und das Prattico mit einem ersten Schlagzeugsolo krönte, einem, dem noch viele an diesem Abend folgen sollten.

Prattico QuartettPrattico Quartett

Der italienische Begriff „Oriundo“ bedeutet auf Deutsch „Eingeborener“ und bezieht sich auf die Nachkommen von Einwander*innen, die meist aus dem Süden Italiens stammen und ihrem Herkunftsland fremd geworden sind. Simone Prattico ist einer der vielen fern der Ursprungsheimat umherziehenden Jazzmusiker*innen, der aber immer wieder seine Heimat dort findet, wo er sich gerade aufhält. Seine Herkunft bleibt in seinem Spiel deutlich: Verspielter, rhythmischer Witz wie sentimentale Einlagen prägten die Titel des Abends, manchmal scheint sogar etwas Italianità durch die Arrangements hindurch. Mir gefielen die Extreme am besten: die besonders rhythmischen Stücke wie Cravo e Canela von Milton Nascimento oder die besonders langsamen wie Helene, das Prattico für seine Frau schrieb.

Prattico Quartett und Streicher-Sektion des Classical Beat FestivalorchestersPrattico Quartett und Streicher-Sektion des Classical Beat Festivalorchesters

Im zweiten Set zeigte sich erneut die besondere Qualität von Classical Beat: der stets von Neuem umgesetzte Claim, die Grenzen der einzelnen Genres aufzuheben bzw. zu überschreiten. Eine kleinere achtköpfige Streicher-Sektion des Classical Beat Orchesters unter Leitung von Bernd Ruf bereicherte die Titel des Quartetts mittels von Klaus Mueller geschriebenen Arrangements: Die jungen Musiker*innen ergänzten nicht nur, sie schufen gemeinsam mit der Band etwas Neues, das (auch) diesen Abend zu etwas Einzigartigem geraten ließ. Das Publikum war begeistert und entließ die Musiker*innen, denen bis auf das synchrone Verbeugen alles gelang, erst nach einer Zugabe!

Bleibt noch zu erwähnen, dass Atmosphäre, Sound und Licht im altehrwürdigen und gut gefüllten Ballsaal bestens geeignet waren, eines der von Prattico geliebten Quartieri Spagnoli zu erzeugen, ein Zuhause, egal wo auf der Welt und an diesem Abend in Travemünde.


Fotos: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann


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