Wer meine Sendung auf Lübeck FM verfolgt (HinHörn, jeden ersten Dienstag im Monat von 18:00 bis 19:00 Uhr), mag schon etwas erfahren haben; hier in ausführlicherer Beschreibung drei neue Scheiben, die ich empfehlen möchte: Chris Gall - Impressionists Improvised: Flirrende Klangwelten, Hannah Köpf - FLOWERMIND: Berührende Texte auf harmonischem Fundament und das Christine Corvisier Quintett - Chansons de Cologne“ Vol.2: Französische Chansons in den Modern Jazz katapultiert. (Dieses Album ist hier zu gewinnen!)
Den Auftakt macht Chris Gall mit Impressionists Improvised
Chris Gall kommt mit seiner aktuellen CD sich selbst, oder besser, seinem aktuellen musikalischen Selbst immer näher. Der studierte Jazz-Pianist und Komponist (beide Abschlüsse im Berklee College of Music) hatte nach meinem Hören schon immer gerne impressionistische Anleihen in seine Stücke aufgenommen. Mit seinem dritten Soloalbum, das von der Presse bereits mit vielen Lorbeeren umkränzt wurde, taucht er in die Klangwelten des Impressionismus ein und improvisiert über bekannte Stücke von prägenden Komponisten wie Claude Debussy, Maurice Ravel oder Erik Satie. Mal getupft, mal mit kräftigen Strichen überträgt er Momentaufnahmen von Stimmungen auf das Piano forte und schafft mit Hilfe seiner Virtuosität und vor allem seines tiefen musikalischen Verständnisses eine Galerie großer impressionistischer Klangbilder.
Laut Wikipedia ging der wesentliche Impuls für den musikalischen Impressionismus von der Malerei aus. In der Musik ist Impressionismus eine von ungefähr 1890 bis 1920 vorherrschende Stilrichtung, deren impulsgebender Hauptvertreter der französische Komponist Claude Debussy war. Ebenso wie der Impressionismus in Malerei und Literatur versucht der musikalische Impressionismus Eindrücke von Augenblicken darzustellen. Aus diesem Grund liegt das Hauptaugenmerk der Komponisten nicht auf der Form der Musik … sondern auf dem Klangbild.150 Jahre nach der Geburtsstunde des Impressionismus lässt Gall die Essenz dieser Epoche neu aufblühen. Der gebürtige Münchner ergänzt und überarbeitet bekannte Werke, bleibt mal näher, mal weiter weg vom Original, und fügt eigene, dem Wesen impressionistischer Musik verwandte Kompositionen hinzu. Da entsteht eine leichte, flirrende Vielfalt, die ruht, zum Verweilen einlädt, dann wieder aufbraust und mit großer Kraft vorwärts strebt. Keine Musik für nebenbei, Musik zum Eintauchen in musikalische Klanggemälde, die auch nach mehrfachem Hören neue Perspektiven entdecken lassen.
Chris Gall - Impressionists Improvised. (GLM Fine Music FM421 VÖ: 28.03.2025)
Hannah Köpf: Flowermind - von vorne bis hinten lockerer, leichter Singer-Songwriting-Pop mit Tiefgang.
Sie mögen guten Pop, Folk, Americana, West-Coast? Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah liegt? „Es gibt Tage, an denen möchte man nur die perfekte Musik hören. (…) Musik also, die etwas hat von vielem, vielleicht etwas von der fedrigen Leichtigkeit einer Joni Mitchell, von der einschmeichelnden Wärme einer Norah Jones, ein bisschen was von der Intelligenz eines Paul Simon. Und dann hört man Hannah Köpf und sagt „Ooh!“ schreibt die WELT. Und auch SZ zieht Parallelen zu Singer-Songwriter-Ikone Joni Mitchell.
Diese vollmundigen Vergleiche legen die Latte hoch. Meine Güte, dachte ich und durfte feststellen, ohne Schubladen zu bemühen: Die 43 Minuten lange Scheibe hat große Qualität, lebt von der wunderschönen Stimme Köpfs, luftig leicht, gepaart mit dem Wohlgefühl, in der eigenen Lieblingsdecke eingekuschelt zu sein, dies auf einem harmonisch strukturiertem Klangteppich, der aus alten Wurzeln schöpft. Mehrstimmige Gesangsparts, klasse englischsprachige Texte (ruhig mal nachlesen, wenn sie nicht gleich verstanden werden), überzeugende, runde Arrangements mit tollen Musiker*innen, die zwischendurch auch mal mit kleinen Soli brillieren dürfen, geben den Kick.
Manchmal geht ein Stück langsam los, um plötzlich eine Entwicklung voller rhythmischer Kraft zu nehmen, die Band gibt Gas, das macht das Album so reizvoll, es gibt Wohlklang ohne Langeweile, die Stücke sind vielfältig genug, die Scheibe gut kuratiert. Joon Laukamp – fiddle, Mike Roelofs – piano, Wurlitzer, Hammond organ, Bastian Ruppert – electric guitars, acoustic guitar, Jakob Kühnemann – double bass, Torsten „HazE“ Haas – electric bass, Tim Dudek – drums, percussion, mandolin, pedal steel, additional keys and guitars, backing vocals, Lisa Kühnemann, Eva Buchmann – backings on „Lighthearted Love“ und natürlich Hannah Köpf, die singt und fast alles komponiert und mitarrangiert hat, spielen locker und variantenreich, mal ruhiger, mal schneller, bisweilen fast swingend. Bei vielen bleibt vielleicht Lighthearted Love am meisten hängen, mich erinnert es ein bisschen an Steely Dan; das könnte ein Hit des kommenden Sommers werden.
Hannah Köpf - Flowermind. (GLM FM 432, VÖ: 16.05.2025)
Einen Ausschnitt, wie das Album erstellt wurde zeigt:
Christine Corvisier Quintett: Chansons de Cologne“ Vol.2: Die Saxophonistin interpretiert mit ihrem Quintett den Chanson ganz neu
Wir kommen, was die musikalischen Ursprünge betrifft, zurück nach Frankreich: „Es ist schon erstaunlich, wie kunstvoll Christine Corvisier die sattsam bekannten Chansons adäquat in die Sprache des modern Jazz übersetzt hat“, schrieb das Jazzpodium 2022 zur ersten Ausgabe von Corvisiers Übersetzung alter französischer Chansons in zeitgenössischen Jazz und Jazz fun fügte hinzu: „Schon die ersten Minuten des Hörens lassen keinen Zweifel daran, dass wir es hier mit Musik von großem Format zu tun haben. Es handelt sich hier um echten, reinrassigen, großartigen Jazz. Der warme, samtige Ton des Saxophons der Bandleaderin und die gefühlvollen Phrasen können selbst den kältesten Herbsttag erwärmen. Wir sind begeistert!“
All das gilt mindestens ebenso für Vol. 2: Selten enger, durchgehend lockerer im Umgang mit dem Originalmaterial katapultiert die Band um die Saxophonistin, die ihre neue musikalische Heimat in Köln gefunden hat, den Chanson in den Modern Jazz. Denn „es ist eindeutig Jazz“, das sagt die in 1982 in Perpignan geborene Corvisier selbst, Musette schimmert nur selten durch. Gleichzeitig ist faszinierend, den Wurzeln in den Interpretationen der Französin nachzuspüren. Und ihre kompositorischen Weiterführungen zu hören, denn tatsächlich sind es nur vier Tracks, die auf alten Chansons basieren: Zwei Stücke von Gilbert Bécaud, eines von Charles Aznavour und als letztes, abrundendes Stück, die Hymne auf das Meer, „La mer“ von Charles Trenet. Die anderen fünf sind von Scobel und Corvisier geschrieben.„Dieses Repertoire an französischen Chansons schlummerte in mir und verband sich mit den vielen schönen Erinnerungen an meine Kindheit. Ich wollte sie einfach hervorholen, sie wiederaufleben lassen und sie mit meinem Erwachsenenleben als Jazzmusikerin und Expatriatin in Köln vermischen. Es war eine intensive und emotionale Erfahrung für mich, die ich gerne mit den wunderbaren Musikern dieser Band geteilt habe und die dies möglich gemacht haben“, erklärt Christine Corvisier, die Bandleaderin am Tenorsaxophon. Unterstützt wird sie von einem großartigen Klangkörper: Sebastian Scobel am Piano, Martin Schulte spielt die Gitarre, David Andres am Bass, Alex Parzhuber, neu am Schlagzeug, und als Gast Marshall Gilkes (auf zwei Tracks) an der Posaune nehmen den Geist des Fließens und der Leichtigkeit der französischen Chansons auf und gleiten improvisierend, gut aufeinander hörend, dahin. Sie sind eingespielt und erzeugen Dichte, die sie mit dem einen oder anderen gelungen Solo bereichern.
Christine Corvisier ist regelmäßig im Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld zu hören (und zu sehen), hier hoch in den Norden kommt sie Anfang Oktober nur bis Bad Bevensen und Oldenburg.
Gewinnspiel
Wer im Raum Lübeck jetzt schon mehr von ihr hören will, kauft entweder ihre neue CD oder gewinnt Sie bei Beantwortung folgender Frage: Wo ist Christine Corvisiers musikalische Heimat heute?
Senden sie Ihre Antwort an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! , die früheste (richtige) Antwort gewinnt. Bitte vergessen Sie nicht Ihren Absender, damit wir Ihnen die CD zusenden können.
Christine Corvisier Quintett: Chansons de Cologne“ Vol.2. (Neuklang, NCD4293, VÖ: 14.03.2025)
Eine Einführung in die Musik der neuen CD liefert dieses Video: