Es wird wieder was auf die Film-hungrigen Augen geben
NFL-Team macht Appetit auf die Nordischen Filmtage

Ein volles und vielseitiges Programm wird versprochen, was dem Lübecker Publikum Anfang November geboten werden wird. Bekannt und bewährt sind die üblichen Sparten: Spielfilme, Dokus und Specials aus Skandinavien und dem Baltikum. Das Filmforum, die Retrospektive, Kinder- und Jugendfilme und die Kurzfilme – alle Abteilungen warten wieder mit einem ausgesuchten und feinen Angebot auf. Ja, was erwarten wir denn?

Es sind doch die Nordischen, schwermütigen, mitunter komödienhaften, aber nie leicht beschwingten Filmtage. Qualität, überwiegend jedenfalls. Und Besonderheiten jenseits des deutschen Mainstream. Nun, es sei mal dahingestellt, ob das Filmtage-Publikum das Andere überhaupt wollte. Nein, bestimmt nicht – Nordische Filmtage sind ein Versprechen: Anspruch. Melancholie. Weite, kalte Landschaft und nasse, kalte Städte. Wallander-Thrill im beschaulichen Südschweden oder Nesbø-Kampf am dunklen Oslo-Fjord. Nervenkitzel. Und oftmals dieser unnachahmliche, nordische Humor, den wir so lieben.

Ein kleiner Ruck ging durch das Pressevolk, als Kultursenatorin Kathrin Weiher in ihrer Rede an die Berichterstatter von Nah und Fern von „besonderen Highlights“ im 360-Grad-Format und einer Sonderveranstaltung im Gefängnishof des Hansemuseums sprach. – Nanu? Doch nicht das Übliche? Was kommt denn da auf uns zu? Etwa besondere Nordische Filmtage im Jahre 2016?

Kathrin Weiher und Linde FröhlichKathrin Weiher und Linde Fröhlich

Genau! So scheint es zu sein bzw. zu werden, denn wir Unwissenden haben ja den Beweis des Angekündigten noch nicht sehen dürfen. Wir blinzeln mal ein wenig in Richtung Anfang November:

„Es geht um die Rache der Provinz“, fasst Linde Fröhlich (Künstlerische Leitung NFL) den Schwerpunkt des Spielfilmprogramms zusammen. Was heißt das? Rachegeschichten abseits der Metropolen, zum Beispiel. Die Norweger möchten uns gern zeigen, wie an der Westküste ihres Landes die Rache an einem Hotelbesitzer aussehen könnte. In Island sorgt sich ein Chirurg um seine Tochter. Estland beschert uns eine Crime-Comedy, in der die Dorfbewohner so nach und nach erzählen, was eigentlich passiert ist. Zurück in das Jahr 1962 nimmt uns das finnische Werk über Olli Mäki, einen ambitionierten, zu sehr verliebten Boxer (Zitat aus dem Film, in den wir hineinblinzelten: „This ist the shittiest moment to fall in love.“).

Und nochmal Norwegen: Die Berglandschaft ist offenbar für einige nicht eindrücklich genug, da tobt sich nämlich ein Pyromane aus. Auch der Eröffnungsfilm Rosemari kommt aus dem Land der Fjorde. Ein weiterer Schwerpunkt bei den Spielfilmen wird das Thema „Veränderungen“ sein. Nun, Unebenheiten in den Lebenswegen sind ja immer bestes Ausgangsmaterial für gut erzählte Stories. Und zum Glück wird auch etwas fürs Herz dabei sein: Ein schwedischer Weihnachtsfilm! Obwohl – in der Kurzbeschreibung steht etwas von „Chaos“ und „Überraschung“. Offenbar haben die Schweden ihre eigene Vorstellung von harmonischem Dezember-Familienfest. Wir werden es abwarten müssen.

Filmszene aus dem Eröffnungsfilm RosemariFilmszene aus dem Eröffnungsfilm Rosemari

Was haben eigentlich die Nordischen Filmtage und Serien aus den entsprechend repräsentierten Ländern gemeinsam? Nichts. Die Herren Kommissare Beck, Wallander und Co. samt weiblicher Kolleginnen wie Lund und Huss, um mal die KrimiheldInnen zu nennen, tummeln sich nur im TV und fühlen sich dort doch wohl, sollte man meinen. Halt! Hier kündigt sich eine Trendwende in der 58 Jahre währenden NFL-Tradition an! „Serien erhalten endlich ihren Platz in den Nordischen Filmtagen“, so Christian Modersbach (Managing Director). Und so, wie er auf die Fortsetzungsgeschichten Appetit macht, sollte man sich vor den Filmtagen klonen lassen, um nicht eine der interessant klingenden Vorführungen zu verpassen. Es geht um Ehedramen, die sich mit Humor besser vertragen lassen. Um eine Springflut in Schweden. Um eine persönlich beunruhigte FBI-Profilerin. In Island wird beim Fischen eine Leiche geborgen. Und drei Serien „mit Männerthemen“, wie Christian Modersbach es nennt: Mord und Totschlag. Ehebruch. Betrug und Qual. Auf diese Einblicke in Männerwelten kann man ja mal gespannt sein.

Um es gleich vorweg zu sagen: Schotty kommt in diesem Jahr nicht. Kein Tatortreiniger, noch nicht einmal andeutungsweise. Das ist zwar skandalös, aber nicht zu ändern. Die Damen und Herren Filmemacher bewegen sich noch in ihrer Kreativitätsphase, da darf man nicht stören, heißt es. Na, dann mal „Schöne Grüße“ an das Tatortreiniger-Team! Aber nächstes Jahr bitte, bitte wieder zu den NFL kommen, Herr Mädel und Herr Feldhusen! Wir brauchen Sie!

Doris Bandhold (Filmforum)Doris Bandhold (Filmforum)Nun, das Filmforum packt eine ganze Menge anderer spannender Themen auf den Tisch bzw. die Kino-Leinwand. Langweilig wird es in der Sparte bestimmt nicht. Norddeutschland kann auch Mystery und Science-Fiction, wie uns der Streifen Wir sind die Flut beweisen wird. Vor 15 Jahren zog sich das Meer zurück und seitdem sind die Kinder des Dorfes verschwunden. Habe ich ja schon immer gesagt: Das Meer ist unheimlich und besitzbeanspruchend, schöner ist´s am See. Dieser Film wird es beweisen.

„Bewegende Filme für bewegte Zeiten“, lautet das Motto der Filmforum-Beiträge. Das Thema Migration wird in mehreren Werken aufgegriffen. „Die Probleme werden differenzierter aufgespaltet, wo aber auch Grenzen auftauchen, die man nicht einfach so lösen kann“, sagt Doris Bandhold über die von ihr betreute NFL-Sparte. Drei Spielfilmdebüts zeigt das Filmforum, viele Dokumentarfilme, und das Jubiläum „10 Jahre Hörfilm bei den NFL“ soll angemessen gefeiert werden. Besonderes Highlight: Die Florence Foster Jenkins Story über die schlechteste Opernsängerin aller Zeiten. Prominente Sahnehäubchen, die diese Doku in Lübeck präsentieren werden: Donna Leon und Joyce DiDonato. Ja, wer jetzt nicht weiß, wer diese sind und nicht zuordnen kann, warum der Besuch dieser Damen echt was Besonderes ist, der möge mal Wikipedia und Co. bemühen, um diese Bildungslücke zu schließen.

„Das ist eine Kuppel, die man aufblasen kann wie eine Hüpfburg, und dann hat man eine Rundum-360-Grad-Umsicht oben und um einen herum“, sagt Christian Modersbach. Fulldome heißt das, jenseits des Superbreitwandformats. Wovon ist, bitteschön, die Rede? „Aufblasbares Kino“, erklärt Modersbach geduldig. Es wird wohl was Großes, Knautschiges sein und auf der Wiese beim Altstadtbad Krähenteich aufgepustet werden. Wir Erlebnis-Zuschauer dürfen dann auf Liegestühlen in 58 Vorführungen mal gucken, wie sich Rundum-Kino so anfühlt. Das Ziel der ganzen Aktion erklärt Modersbach so: „Wir finden, dass die Geschichten über Formatänderungen auch anders und anders eindrücklich erzählt werden können.“ Die kurzen Filme nehmen uns mit in die Sami-Kultur und den Herdentrieb der Rentiere, Lars der Eisbär wird dem Fulldome einen Besuch abstatten, und dann war da noch was mit Motten im Film. „Ich habe mich in diese Motten verguckt“, sagt Herr Modersbach. Ein interessantes Bekenntnis. Ach so, es geht um menschliche Selbstüberschätzung. Das ist ja immer eine Filmgeschichte wert. Aber Motten?? Auch hier der Rat: Neugierig sein, abwarten, und dann hingehen!

Christian Modersbach, Linde Fröhlich, Doris bandhold, Franziska Kremser und Jörg SchöningChristian Modersbach, Linde Fröhlich, Doris bandhold, Franziska Kremser und Jörg Schöning

„Es wird noch was aufs Hirn geben“, sagt der Managing Director. Ein Nachtbus mit Tonspur, der am NFL-Samstag die Beteiligten ihren eigenen Film im Hirn entstehen lässt. Unklar, was gemeint ist? Einsteigen und überraschen lassen! Noch etwas Neues bei den Filmtagen: Im Foyer des Cinestar-Kinos wird man sich Virtual-Reality-Brillen ausleihen dürfen und dann mit Sheep View die Färöer Schafe besuchen. Virtuell, aber auch irgendwie rundum. „Diese Schafe können Sie begleiten“, erklärt Christian Modersbach. Irgendwie klingt das ein wenig nach Drohung …

Wie schade - auf die Retrospektive, die Kurzfilme und die Kinder- und Jugendfilme kann jetzt nicht näher eingegangen werden, mir läuft die Zeit weg. Obgleich auch hier einige Highlights dabei sein werden. Unter anderem Liebesfilme, denn „die sind immer notwendig für Jugendliche“, sagt Franziska Kremser-Klinkertz, die Fachfrau für diese NFL-Sparte. Genauso ist es. Aber ja nicht nur für Jugendliche. Ganz speziell wird auch die Verlagerung einer Vorführung im Rahmen der Retrospektive-Sparte werden, nämlich eine Vorführung des Hochseefilms Windjammer im Hof des Hansemuseums.

Nun werde ich mich wieder ans Skandinavisch-Lernen machen, als Vorbereitung für die Filmtage. Und ich werde in den verbleibenden knapp drei Wochen Film-fasten, um den Appetit auf diese Filmtage zu steigern. Das mit dem Klonen muss doch auch noch irgendwie hinzukriegen sein, denn sonst verpasse ich ja viel zu viel bei den 58. Nordischen Filmtagen Lübeck im November, dem schönsten Monat der Stadt.

58. Nordische Filmtage Lübeck (2. - 6. November 2016)


Fotos: Joachym Ettel


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