Céline Bonacina, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Jazz Balticas Samstagnacht der Gegensätze mit Céline Bonacina und Band sowie Nils Wülker & Arne Jansen
Tiefes Tönen gefolgt von Lullabys

Nach einer ersten Stippvisite ins JazzCafé im Jahr 2017 kehrte Céline Bonacina die zurückliegende Samstagnacht mit neuer Band (bis auf Chris Jennings) auf die JazzBaltica-MainStage zurück. Mit dem Titel Trust legte die bald 50jährige Baritonsaxophonistin und Komponistin im golden glitzernden Anzug sofort mächtig los; ein kräftiger Start in ein vielfältiges, abwechslungsreiches Konzert.

Ich habe immer ein bisschen Schwierigkeiten, wenn ausschließlich mit einem Namen geworben wird, gerade wenn die Mitmusiker über solch eine Qualität (und solch große Namen) verfügen wie Chris Jennings am Bass und Stéphane Galland am Schlagwerk. Der junge Pianist Julian Caetano am Flügel und Keyboard ist wohl der unbekannteste der Vier, aber Bonacina hatte ihn nicht ohne Grund in ihr Quartett geholt. Er steigerte sich von Stück zu Stück, an den Keys fand ich ihn bisweilen noch ausdrucksvoller als am Grand Piano. Und im vierten Stück zeigte er, dass er auch singen kann und bereichernde Gegenparts zur Saxophonstimme erklingen ließ.

Céline Bonacina - Jump!, Maritim MainStage, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannCéline Bonacina - Jump!, Maritim MainStage, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Die bisweilen ebenfalls singende Französin Céline Bonacina steht für das mächtige Baritonsaxophon, das sie so virtuos wie wenige beherrscht. Es ist beileibe nicht nur die Technik, hinzu kommt eine Vielfalt der Stimmungen, die sie und die Band mit ihrer Musik vermittelten. Alles war dabei: leicht dahinschwebende, flirrende Töne, kräftiger Groove, verträumte ebenso wie wild schwingende, rhythmische Momente. Die Titel wechselten zwischen getragenen Melodien und fetzigem, schnellen Spiel. In ihrem an eine Bachsuite angelehntem Solostück bewies die mehrfache Preisträgerin ihr großes technisches Können, basierend auf einem klassischen Musikstudium. Im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch variierte sie zwischen durchdringenden tiefen Tönen und auf das Saxophon übertragene Koloraturen in der Höhe. Diese flogen jedoch nicht ins Nirgendwo, sondern wurden durch die Bässe stets geerdet. Viele, die Bonacina das erste Mal live erleben, sind fasziniert, dass diese gewaltige Kraft ihrer beinahe grazilen Erscheinung entspringt.

Julian Caetano, Céline Bonacina und Chris Jennings, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannJulian Caetano, Céline Bonacina und Chris Jennings, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Auch wenn sie einen Solo-Abend gestalten könnte, drückte die Band diesem Abend im schwülwarmen, fast komplett gefüllten Konzertsaal ihren Stempel auf. Chris Jennings zeigt bei vielen Großen der Szene, dass er mehr als eine solide Grundlage am Bass bildet; er hat einen eigenen, bisweilen lyrischen Stil, bestehend aus perfekter Technik und einfühlsamen Spiel. Es ist immer wieder ein Genuss, diesen bescheidenen Musiker und Komponisten zu hören und zu erleben. Der Pianist, Sänger und Komponist Caetano musste sich ob seiner stilistischen Vielfalt nicht verstecken, manchmal franzten seine Soli für meinen Geschmack etwas zu sehr aus, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Stéphane Galland gab dem Mix aus Fusion mit europäisch-afrikanischen Wurzeln eine stets passgenaue, rhythmische Basis, garniert mit kleinen leuchtenden Funken und durfte im letzten Stück mit Bezug auf Bonacinas Jahre in La Réunion nochmals richtig Gas geben. Alle zusammen zeigten tadeloses Zusammenspiel innerhalb spannender Arrangements. Nach einer Zugabe und Standing Ovations entließ die fröhliche Truppe ihre Anhänger*innen zum CD-Stand, damit diese sich bis zum nächsten Live-Konzert mit musikalischen Konserven ausstatten konnten. Das Publikum war gespannt, was es nun im zweiten Set des Doppelkonzertes erwarten würde.

Céline Bonacina und Stéphane Galland, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannCéline Bonacina und Stéphane Galland, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Wer sich bereits vor dem Konzertabend mit Nils Wülker & Arne Jansen beschäftigt (oder den gebürtigen Bonner und den gebürtigen Kieler gehört) hatte, wusste, dass es ganz anders werden würde. Der Trompeter und der Gitarrist bauen weite, sphärische Klangwelten auf Basis von selbst erzeugten Loops und elektronischer Verfremdung. Darüber improvisieren sie mal abwechselnd, mal gemeinsam, stets melodiös, in der Regel eingängig; (auch) Jazz für Menschen, die sonst keinen Zugang zu Jazz haben.

Die beiden Musiker, die auch privat befreundet sind, standen vergangene Samstagnacht zwar allein auf der weiten Bühne, zeigten aber schon mit Ihrem ersten Stück YaYaYa, dass sie den weiten Raum des Timmendorfer Konzertsaals mühelos füllen konnten. Hier erfuhren die verbliebenen Besucher*innen nochmals mehr als im vorangegangen Set, dass die ausgefeilte Lichtshow die Musik kongenial unterstützte. So wurde aus Musik und Licht ein träumerisches, schönes Gesamtbild. Der elektronische Sound verstärkte die sphärischen Elemente, erzeugte „Tiefe in der Einfachheit“ (JAZZETHIK).

Nils Wülker und Arne Jansen, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannNils Wülker und Arne Jansen, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Nils Wülker & Arne Jansen spielen nun seit ungefähr 20 Jahren zusammen, bestritten 2019 eine Duo-Tour und nahmen schließlich 2023 ihre erste gemeinsame CD auf. Diese belegte ebenso wie das Folgealbum Platz 1 der deutschen Jazz-Charts.

In "Beyond the Bavarian Sky", neben dem Eröffnungsstück für mich aufgrund seines kurzen abwechslungsreicheren Arrangements fast das schönste Stück des Abends spielte Jansen ausnahmsweise die Akustikgitarre, ansonsten verwendete er stets eine Gibson Les Paul. Weite Klangteppiche erzeugten eine gelassene Stimmung, die ab und an Ausflüge für eher rockig flotte Kontraste zuließ.

Nils Wülker und Arne Jansen, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannNils Wülker und Arne Jansen, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Im Programm waren neben Eigenkompositionen auch Cover bekannter Titel wie "Hurt" von Nine Inch Nails. Wülker erzählte, dass sie sich da jedoch mehr auf die Version von Johnny Cash bezogen. Ein dickes Brett, das zu bohren nicht ganz einfach geriet. Hier hätte ich mir mehr Reduktion auf das Wesentliche gewünscht. Das galt auch für das eine oder andere Stück. Manchmal waren die immer wiederkehrenden Samples auf Dauer zu eintönig und erzeugten eher Langeweile anstelle von entspannender Ruhe. Auch an den Abschlüssen einzelner Titel dürfen die beiden Vollblutmusiker gerne noch etwas feilen. Wülker und Jansen können das, das haben sie mehrfach, auch vergangene Samstagnacht, gezeigt. In Folge dessen erhielten sie weit nach Mitternacht ebenfalls Standing Ovations und wurden nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen. Die Stühle wurden weggeräumt und die lange Samstagnacht der 35. Jazz Baltica war fast zu Ende. (Text: Karin Brüggemann und Nicolaus Fischer-Brüggemann)


Fotos: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Das Konzert in der ZDF-Mediathek


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