Nils Landgren hat als Leiter der JazzBaltica in diesem Jahr besonders viele Frauen engagiert, überwiegend als Bandleaderinnen. Grundsätzlich ist es ihm immer eine Herzensangelegenheit, gute Frauen auf die Bühne zu bringen.
So hat er vormals regelmäßig das Festival mit einer reinen Frauenband, den "AllStars" eröffnet. In diesem Jahr nun treten verstärkt Bandleaderinnen mit ihren Formationen auf: die Bassistin Lisa Wulff, die Posaunistin Karin Hammar, die Cellistin Nesrine, die Schlagzeugerin Eva Klesse, die Sängerin Camille Bertault oder die Trompeterin Andrea Motis.
Lisa Wulff präsentiert mit ihren drei Bandkollegen eigene Kompositionen, eigenwillig und abwechslungsreich. Reflektierend auf ihr grünes Outfit als neues Markenzeichen hat sie ein Stück "Green Ivy" genannt. In den Improvisationen fallen die vier Musiker dieser Band durch ein feinsinniges Miteinander auf.
Karin Hammar, dem Festival bestens bekannt, hat zu ihren üblichen drei Bandmitgliedern die Pianistin Rita Marcotulli zu sich ins Boot geholt. Ihre an sich gewohnte Spielfreude kommt hier nicht zum Zuge, sie überlässt gern und ausgiebig den anderen Musikern Raum für deren solistische Improvisationen.
Das darauf folgende "Tingvall Trio" überzeugt mit seinem professionell ausgereiften Programm. Der schwedische Tingvall am Piano, der kubanische Calvo am Kontrabass und der deutsche Schlagzeuger Spiegel bieten etliche Titel aus ihrem neuen Album "Birds". Sie grooven und swingen in höchster Spiellaune.
Eine absolute Überraschung kommt mit der Sängerin Camille Bertault auf die Bühne. Begleitet von dem starken Jazzpianisten David Helbock bietet sie umwerfende Gesangsmuster, mal als Text, ganz überwiegend aber nur vokalisierend. Sie verfügt über ein umfassendes Stimmvolumen und kann damit alle Stilrichtungen virtuos von lieblich bis perkussiv wiedergeben. Beide bedienen sich dabei auch bekannter Musikstücke sowie einiger Jazz-Standards, die sie geschickt variieren und originelle Improvisationen daraus spinnen. Zur Freude des Publikums gelingt ihnen gar eine improvisierte Variation nach einer der Goldberg-Variationen von Bach.
Den schmetternden Abschluss des Festivals setzen Günter Baby Sommers Blechbläser. Zehn Blechbläser, Trompeten, Posaunen und Saxophone blasen in dem Wettstreit, wer es am lautesten und schrillsten kann. Dabei übertönen sie den Meister am Schlagzeug sowie den Bassisten, das Klavier ist überhaupt nicht mehr zu hören. Zwischen den ohrenbetäubenden Stücken erklärt Baby Sommer den Dadaismus als seine persönliche Stilrichtung und kündigt so bekannte Stücke wie "Karawane" oder "Dunkle Wolken" an. Es fällt schwer, neben dem Krach der Blechbläser noch etwas von den zarten Tönen des Meisters am Schlagzeug zu erkennen. Das Publikum ist beeindruckt und klatscht unvermindert.
Die nächste JazzBaltica unter Nils Landgren ist bereits angesagt und findet vom 28. bis 30.06.2024 statt.