Sir András Schiff, Foto: (c) Nicolas Brodard

SHMF 2019
Sir András Schiff bringt ein Stück vom Himmel in die MuK

Am Mittwoch, 17. Juli um 20 Uhr in der sehr gut gefüllten MuK: Der Meister betritt die Bühne, verneigt sich einmal kurz hinter dem Flügel, nimmt Platz und legt sofort los. Denn er hat ja noch einiges vor an diesem Abend: Der in Ungarn gebürtige Grandseigneur spielt das gesamte Wohltemperierte Klavier II von Johann Sebastian Bach.

Freunde hatten mich gewarnt: „Das wird harte Kost heute, zwei Stunden Piano solo ohne Pause.“ Stimmte aber überhaupt nicht. Erstens gab es eine Pause, zweitens dauerte das Konzert inklusive Zugabe 3 ¼ Stunden und drittens war das alles andere als „harte Kost“.

An diesem Abend trafen zwei Glücksfälle zusammen: Das geniale Werk eines begnadeten Komponisten interpretiert von einem in Technik und Interpretation über jeden Zweifel erhabenen Künstler. Immer wieder stellt sich die Frage: Wie hätte der große Bach, hätte er solch ein Instrument, einen modernen Steinway, zur Verfügung gehabt, die 24 Satzpaare bestehend aus je einem Präludium und einer Fuge in allen Dur- und Molltonarten, chromatisch aufsteigend angeordnet von C-Dur bis h-Moll, umgesetzt. Da die Frage nie beantwortet werden kann, erübrigt es sich, eine Originaltreue zu fordern bzw. zu suchen.

Der Brite ließ dieses schwer zu spielende Werk flüssig und perlend erklingen, sorgte für Dynamik dort, wo es passte, ohne zu übertreiben und arbeitete elegant die Unterschiede dieser vielfältigen Kompositionen heraus. Meinen Sitznachbarn erinnerte der leichte Anschlag an den späten Rubinstein. Es ist verwunderlich, dass der 1953 geborene Schiff erst zuletzt die stark verdiente Popularität in der Öffentlichkeit erreichen durfte; in Fachkreisen war er schon zuvor (beinahe) unumstritten. Liegt es vielleicht daran, dass er bei dem für Klassikfans ungewohnten Label ECM veröffentlicht? Das Publikum, zumindest der Anteil mit genügendem Sitzfleisch, dankte dem Künstler mit stehenden Ovationen.

Ganz nebenbei: Sir András Schiff hatte zwei Abende zuvor schon in Flensburg mit dem Wohltemperierten Klavier I geglänzt, alles wie auch am Mittwochabend ohne Noten. Befreundete Musiker hätten vielleicht gesagt: „Einmal so spielen und dann sterben!“. Auch dem sei widersprochen: Bachs Musik ist ein Aufruf zu leben und wenn wir sie so wie beim Schleswig-Holstein Musikfestival hören dürfen, haben wir schon hier auf Erden ein Stück vom Himmel erfahren.


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