Fette Hupe, Foto: Nicolaus Fischer-Brüggemann

Der Samstag
JazzBaltica – at full speed

Bergfest auf der JazzBaltica mit viel Gigs Open Air oder im Jazz Café. Leider nicht alles zu genießen; da müsste man sich schon aufteilen können.

So starte ich mit Fette Hupe: 16 Männer, 1 Frau, ein Dirigent: Viel Drive, akustische Geschichten, klasse Balladen, dichte Arrangements und für meinen Geschmack zu wenige Titel in Overdrive (denn da war die Fette Hupe noch besser). Die Truppe gastierte das erste Mal in Schleswig-Holstein und mit dem Auftritt auf der Main Stage ging für Conductor Jörn Marcussen-Wulff, mit JazzBaltica auf Salzau aufgewachsen, ein langer Traum in Erfüllung.

Das Publikum belohnte die fette Mukke und sympathischen Zwischenmoderationen mit Standing Ovations, eine Parallele zum nachfolgenden Konzert des Marcin Wasilewski-Trios, das mit beinahe zartem Jazz den wie stets bis auf den letzten Platz gefüllten Saal beeindruckte. Für manche der Höhepunkt von JazzBaltica: Das eingespielte Trio mit 25-jähriger Bühnenerfahrung entwickelte (auch) mit leisen Tönen eine solche Intensität, dass die Hörer*innen andächtig schwiegen, in schönen Melodien fast ertranken, um dann umso lauter zu klatschen. Da war keine Dissonanz zu hören, manchmal ging es knapp am Kitsch vorbei, die drei Polen leuchteten in der häufig gewählten gemächlicheren Gangart ebenso wie in den schnellen Tempi. Ohne Zugabe kamen sie nicht weg und so hörte ich das erste Mal bei JazzBaltica ein Stück von Marvin Gaye.

Marcin Wasilewski-Trio, Foto: Nicolaus Fischer-BrüggemannMarcin Wasilewski-Trio, Foto: Nicolaus Fischer-Brüggemann

Draußen im mehr als vollen Jazzcafé das Emil Brandqvist-Trio, das ich gerne auf der großen Bühne gesehen hätte, mit dem Klangkosmos nordischer Weiten und parallel dazu Cubolumos auf der Open Air Bühne: Junge Schleswig-Holsteiner, die ihre eigene Form von Jazz entwickeln. Die beiden Bands waren räumlich etwas zu nah. Während der leisen Passagen im Jazz Café hörte man die Tonreste, die von draußen durch die Scheiben drangen und draußen hörte man die Musik, die mittels Verstärkern aus dem Jazz Café ins Freie übertragen wurde. Das sorgte bisweilen für Kopfschütteln wie getrübten Musikgenuss und geht hoffentlich die nächsten Male besser. Drinnen im Maritim das Lisbeth Quartett, für manche noch einen kleinen Tacken besser als Marcin Wasilewski und seine Mannen und im Anschluss nordische Weiten des Mathias Eick-Quintetts.

Emil Brandqvist-Trio, Foto: Nicolaus Fischer-BrüggemannEmil Brandqvist-Trio, Foto: Nicolaus Fischer-Brüggemann

Einen Film gab es dieses Mal auch zu sehen: Die bewegende Geschichte der Begründer des Blue Note-Labels und dennoch, leider, bevor der Film zu Ende war, schnell wieder in den großen Saal zu Marilyn Mazur’s Shamania. Die Dänin in ihrem Schlagwerkkäfig hatte ich - das letzte Mal vor über dreißig Jahren gesehen - noch gut in Erinnerung und war gespannt, was kommen würde. Das Resultat ist schwer zu beschreiben: Es war mehr eine Performance als ein Konzert: 10 Frauen inklusive einer Tänzerin improvisierten teilweise sehr frei, archaische Laute wurden in unterschiedlichste rhythmische Strukturen verpackt. Arno Gruen hätte es wohl wilde weibliche Urkraft genannt; ich empfand - eine solche Beurteilung nicht zu treffen wagend - das Gesamtkunstwerk immer wieder spannend, zwischendurch jedoch nur schwer verständlich. Insgesamt gab es sehr unterschiedliche Reaktionen, von „in den 80ern stecken geblieben“ über „langweilig“ bis zu „faszinierend“.

Marilyn Mazur’s Shamania, Foto: Nicolaus Fischer-BrüggemannMarilyn Mazur’s Shamania, Foto: Nicolaus Fischer-Brüggemann

Im Anschluss Nils Wülker wieder mit kontrastreichem leicht rockig-jazzigen Mainstream, das fand ich dann zu glatt und wechselte noch in den schwül-heißen Jazz Club, um zumindest den Beginn der Jam-Session zu erleben. Da sah ich ein skandinavisches Familientreffen, eingeleitet von Karin Hammars Fab 4, das 01:30 Uhr, als ich mich müde verabschiedete, eigentlich erst richtig in die Gänge kam.


Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.