Håkan Hardenberger, Foto: Olaf Malzahn

SHMF 2016
Håkan Hardenberger und Academy of St. Martin in the Fields - Musik für das Gefühlskino

Wen offerierte an diesem Abend das SHMF (24. Juli 2016) als den eigentlichen Star? Beide glänzen am Musikhimmel, die Academy of St. Martin in the Fields und auch der Solist, der schwedische Trompeter Håkan Hardenberger.

Das Kammerorchester aus England, das unter der Leitung des Stuttgarter Geigers Tomo Keller auftrat, ist ein bahnbrechendes Kammerorchester. Es hat sich seine Meriten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdient, als es sich mit Ernst und Gewicht der Barockmusik annahm. Zunächst als reine Streichergruppe gegründet, erweiterte es sich später zum vollen sinfonischen Klangkörper, setzte auch an diesem Abend in der Rotunde der MuK immerhin zwei Flöten hinzu. Aber dieses Orchester verlor gegenüber den vielen dann auftrumpfenden Ensembles, die sich der Epoche auf historischen Instrumenten und mit wissenschaftlicher Akribie näherten, und das mit teils unglaublicher Virtuosität. Die Academy blieb allzeit bei zeitgenössischen Instrumenten und zelebrierte an diesem Abend zunächst auch Johann Sebastian Bachs drittes Brandenburgisches Konzert sauber und schnurrend, aber nicht gerade hinreißend.

Erst das Auftreten des Trompeters brachte den Glanz, den das Festival braucht. Er machte mit seinem ersten Beitrag, Michael Haydns Trompetenkonzert in C, auf den jüngeren, weniger bekannten, doch ebenso schöpferischen Bruder von Joseph Haydn aufmerksam. Dessen Komposition vereinte bereits auf erstaunliche Art die besonderen Charakterzüge der Trompete. Einerseits ist sie immer für tonkräftige Signale zuständig geblieben und überstrahlt mit ihrem Glanz alles im großen Klangbild. Andererseits hat Haydn in seinem Werk bereits die Fähigkeit zum melodischen Gestalten entdeckt. Håkan Hardenberger löste beides hervorragend ein, war im Klang weich und geschmeidig trotz extremer Höhe und überzeugte zugleich in der melodischen Gestaltung mit seinem empfindsamen Legato. Zum Abschluss des ersten Teils folgte im Programm Benjamin Brittens Simple Symphony. Sie wies noch einmal auf die elegante und virtuose Glanzzeit des Kammerorchesters zurück. Brittens reizvolles Jugendwerk wurde seinerzeit oft gespielt, vor allem der zweite Satz, das Playful Pizzicato. Er verfehlte auch diesmal seine Wirkung nicht und erhaschte spontanen Beifall.

Håkan Hardenberger, Foto: Olaf MalzahnHåkan Hardenberger, Foto: Olaf Malzahn

Der zweite Teil galt vor allem der Trompete und begann mit Robert Planels Konzert für Trompete und Streichorchester aus dem Jahre 1966, für den damaligen Trompetenstar Maurice André komponiert. Es mischt, gefällig und elegant im Stil, modische Merkmale aus verschiedenen Genres, eröffnete damit eine Abfolge von Werken aus einer unterhaltsamen, leicht konsumierbaren Musikwelt. Ihr und speziell der Filmmusik hat sich das Kammerorchester seit einigen Jahren geöffnet. Gabriel Fauré war dafür ein etwas älterer Zeuge mit einem sehr kurzen Nocturne, einem Satz aus der Shylock-Suite. Sie war als Bühnenmusik vom Genre her eine Vorgängerin zu William Waltons Two Pieces for Strings, Filmmusikstücke zu der 1944 von Sir Laurence Olivier gedrehten Shakespeare-Verfilmung von Henry V. In beider Komponisten Werken konnte man den samtweichen Streichersound des Orchesters bewundern.

Dazwischen erstaunte immer wieder die wundersame Welt der Trompete. Håkan Hardenberger erlaubte sich auf seinen Trompeten, in Versionen vom Pikkolo bis Kornett und Flügelhorn, kaum einmal ein Forte, zeigte vor allem die klangsensible, fast verhaltene Spielweise des glänzenden Blechinstruments. Dazu dienten Kompositionen von Joni Mitchell, Kurt Weill, Jan Lundgren und Michel Legrand in vielseitigen Arrangements des schwedischen Komponisten Roland Plöntinen. Doppelbödig klang das im Weill-Song One Touch, in anderen Werken aber trotz Hardenbergers raffinierter Klanggestaltung auch schwülstig, weil z. B. Jazz-Anspielungen zu glatt wirkten. Einziges Original war Tobias Broströms 2015 uraufgeführte Komposition Sputnik, ein harmonisch brav klingendes, aber rhythmisch sehr lebendiges Werk.

Wegen des langen Beifalls ließ sich der Solist trotz der Sommerhitze nicht lange bitten und bedankte sich mit Piazolla und einem Solo in balladenhaftem Jazz. 


Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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