Auch wenn man den Eindruck hat, dass die Events beim SHMF, dem Schleswig–Holstein Musik Festival, im Vordergrund stehen, geht es wohl doch um Musik. Der will das Festival nun schon seit 30 Jahren, seit seiner Gründung 1986, dienen, sie an den Menschen bringen.
18 lange Jahre bemühte es dazu Länder als Schwerpunkte. Sie sollten die Programme des Sommers zusammenhalten. Österreich machte im Reigen den Anfang, das Baltikum beschloss ihn 2013. Mit Christian Kuhnt als neuem Leiter des Festivals sind es Komponistenretrospektiven. Zuerst ging es 2014 um Felix Mendelssohn Bartholdy, Peter Tschaikowsky folgte, und heuer (befleißigen wir uns seiner Heimatsprache) ist es der gute Papa Haydn aus Wien. Mit dieser neuen Ausrichtung hatte Lübeck und seine angesehene Musikhochschule, der das Brahms-Institut angeschlossen ist, besonderes Glück, weil bei den bisher Ausgewählten zum hier gepflegten Komponistenidol Johannes Brahms allerlei an Bezügen herauszustellen war und ist. Das förderte die Zusammenarbeit mit dem Festival und ließ zwanglos Ausstellungen ergänzend arrangieren. „Konstellationen“ waren das Thema bei Mendelssohn, „Kontrapunkte“ bei Tschaikowsky und nun, als drittes „K“, „Kontinuitäten“ von Haydn zu Brahms. Das sind alles reizvolle Aspekte, die in wissenschaftlichen Symposien zu vertiefen sich anbot.
Vitrinen und Schaukästen, dazu Hörsäulen veranschaulichen optisch und akustisch, wie stark sich der Hamburger Komponist mit Haydn auseinandergesetzt hat, nicht nur in seinem Opus 56, den Haydn-Variationen für Orchester, auch für zwei Klaviere gesetzt. Dies Werk hatte er in Tutzing komponiert. Es bildet naturgemäß einen Mittelpunkt. Die Ausstellung präsentiert u. a. den Programmzettel der Uraufführung der Orchesterversion der Variation. Auf ihm ist zu lesen: „Sonntag den 19. April 1874, Mittags halb 1 Uhr: / Viertes und letztes Gesellschafts-Concert / unter Leitung des artistischen Directors, Herrn / Johannes Brahms.“ Inzwischen weiß die Forschung, dass Brahms einem Irrtum unterlag und dass das Thema gar nicht von Haydn stammte. Dennoch ist unzweifelhaft, auch in der Ausstellung mehrfach belegt, dass Brahms sich intensiv mit Haydn beschäftigte, vor allem Streichquartette und Sinfoniesätze ausführlich studierte. Mittler war der Haydn-Biograf Carl Ferdinand Pohl, der als Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Brahms eine große Menge von Studienmaterial zur Verfügung stellen konnte. Auch diesem Mittler ist eine Vitrine gewidmet.
Otto Biba, im Institut gern gebetener Gast aus Wien und heutiger Archivdirektor der Wiener Sammlung, hielt den Festvortrag. Er trug im Titel den Anfang eines bewundernden Ausrufs, den Richard Heuberger in seinen Erinnerungen an Johannes Brahms zitiert: „Das war ein Kerl!“ Herausgegeben waren die Erinnerungen 1976 von dem in Lübeck lebenden Brahmsforscher Kurt Hofmann. Dessen private Sammlung, zusammen mit seiner Ehefrau Renate Hofmann in Jahrzehnten zusammengetragen, wurde 1991 Grundstock des Instituts, das er vor Sandberger auch leitete. Brahms soll bewundernd fortgesetzt haben: „Wie miserabel sind wir gegen sowas!“ Biba nun wies nach, wie sehr der Hamburger mit seiner Bewunderung für Haydn dazu beigetragen hatte, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Haydn-Renaissance einsetzte. Zur großen Zentenarfeier im Haydn-Jahr 1909 war der Durchbruch endlich manifest. Auch dies belegt die Ausstellung mit dem Blick auf die sechs französischen Komponisten, darunter Debussy und Ravel, die Haydn zu Ehren Werke geschaffen hatten.
Zu sehen ist die Ausstellung in der Villa Eschenburg vom 1. Juli bis 17. Dezember 2016, mittwochs und sonnabends von 14–18 Uhr. Der Eintritt ist frei!