Foto: Burkhard Zarnack

LN-Forum im Hansemuseum
30 Jahre Weltkulturerbe – ohne Welterbezentrum

Das LN-Forum im Hansemuseum ist in der Hansestadt ein inzwischen etablierter öffentlicher Diskussionstreffpunkt, in dem Themen der Stadt diskutiert werden, die aktuell sind und die dringend aufgegriffen werden müssen.

Insofern kann diese Veranstaltungsreihe der LN auch weiterhin eine wichtige Institution sein, um festgefahrene oder zähe politische, kulturelle und wirtschaftliche Prozesse öffentlich aufzuzeigen und – günstigenfalls – mit neuen Impulsen für Bürger und Politik zu versehen. Geeignete Themen gibt es in der Hansestadt genug. So die Diskussion über die renovierungsbedürftige Verkehrssituation in der Altstadt und die prekäre Hafensituation. Das Diskussionsforum „30 Jahre Weltkulturerbe Lübeck“ ist eigentlich ein kontroverses und vielschichtiges Thema, das nicht nur für die Altstadt Lübecks wichtig ist. Im Bewusstsein der (hanseatischen) Öffentlichkeit ist dieses Jubiläum, so der Eindruck, (noch) nicht so recht angekommen, zumindest scheint es nicht allzu präsent zu sein. Desto wichtiger ist eine Veranstaltung, die eine scheinbar selbstverständlich gewordene Auszeichnung der UNESCO wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt. Denn „Erbe“ bedeutet auch hier Verpflichtung, Pflege und besondere Zuwendung.

Es war dann auch das Verdienst von Barbara Schwartze (Lübeck-Travemünde-Marketing) und der Welterbebeauftragten der Stadt, Christine Koretzky, dieses Jubiläum durch Zusammenarbeit der beiden Dienststellen stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken. Desto hilfreicher, wenn ein Forum der LN diese Arbeit öffentlich unterstützt. Die Lübeckischen Blätter greifen auch dieses Thema gerne auf.

Wie ein roter Faden zog sich der Gedanke durch die (Podiums-)Diskussion im EHM, ob die Hansestadt, ähnlich wie viele andere Welterbestädte und -stätten (z. Zt. sind es in Deutschland 41) ein Zentrum braucht, das den Welterbecharakter der Stadt repräsentiert. Immer wieder fiel als Beispiel Wismar, wo die Initiatoren ein historisches Gebäude der Altstadt zum Welterbezentrum umgestaltet haben, und zwar so, dass die verschiedenen Gestaltungs- und Ausbauphasen des Hauses über die Jahrhunderte hinweg sichtbar geblieben sind bzw. (wieder) sichtbar gemacht wurden: Geschichte, anschaulich, anfassbar, begreifbar ...

Die Meinungen über die Einrichtung gingen auseinander. Manfred Finke als eingeladener Vertreter der BIRL (Bürgerinitiative rettet Lübeck), fordert die Einrichtung (schon seit Jahren) nachdrücklich. Aus der Verwaltung, einschließlich der anwesenden neuen Bausenatorin Joanna Glogau kamen eher zurückhaltende Äußerungen, die auf die Kosten hinwiesen und die eine Konkurrenz zu bereits bestehenden städtischen Einrichtungen dieser Art befürchteten. Tenor dieser Auffassungsrichtung: das Weltkulturerbe verlangt die Einrichtung eines kulturellen Zentrums nicht zwingend. Als Argument führten diese Vertreter ins Feld, dass ein fehlendes Zentrum nicht zu einer Gefährdung des Welterbestatus führt.

Die Zuwendung von knapp 20 Millionen Euro für die Einrichtung des Welterbe-Zentrums hat Lübeck, im Gegensatz zu anderen Standorten, verwendet, um die Archäologie des Gründungsviertels zu erkunden (auf andere Weise als z. B. Wismar). Das ist Geld, so die allgemeine Auffassung, welches sehr gut eingesetzt worden ist; denn die Chance einer großflächigen archäologischen Erkundung des (Gründungs-)Zentrums einer mittelalterlichen Stadt war einmalig.

Die Diskussion über die Entstehung des Gründungsviertels führte zu verschiedenen Fragen und Anmerkungen der Gesprächsteilnehmer auf dem Podium. Sebastian Färber von „Haus und Grund“ wies auf die Bedeutung privater Investoren für die Sanierung der Altstadtbausubstanz hin. Seit Beginn der Sanierung in den 70er Jahren seien von privater Seite, so Christine Koretzky, über 120 Millionen Euro in der Altstadt investiert worden. Inzwischen sei urbanes Wohnen, obwohl Sanierung viel Geld kostet, nicht nur ein Privileg reicher Leute. Nach wie vor müsse aber jemand, der ein Altstadthaus als Eigentümer erwirbt, viel Idealismus und Geduld mitbringen; Geld sowieso.

Blick auf das werdende Marienparkhaus. April 2017, Foto: Burkhard ZarnackBlick auf das werdende Marienparkhaus. April 2017, Foto: Burkhard ZarnackBei allen Problemen, die mit der Sanierung der Altstadt einhergehen – es gab diesbezüglich einige kritische Anmerkungen aus dem Publikum über die architektonischen Fehlentwicklungen der letzten Jahre (C&A-Gebäude, Haerder-Komplex, P&C-Gebäude am Kohlmarkt, Parkhaus Wehdehof) – konnte Christine Koretzky mitteilen, dass die Problemecke Marienkirchhof endlich angepackt würde. Sie stehe ganz oben auf der Prioritätenliste. Positiv wurde auch vom Publikum aufgenommen, dass die Mengstraße nicht als Ausweichzufahrt für das Parkhaus Wehdehof (nach Fertigstellung) erlaubt sein wird; Ausnahme seien lediglich die 17 verbliebenen Parkplätze von Anliegern. Die Zu- und Abfahrt zum Parkhaus erfolge ausschließlich über Fünfhausen. (Was Frau Glogau wohl noch nicht weiß: Die Hansestadt selbst gehört zum Kreis der „Anlieger“ im Wehdehof.)

Die neue Bausenatorin nutzte ihren ersten öffentlichen Auftritt, um für eine Perspektivwerkstatt zu werben, die sie einzurichten beabsichtigt. Ihr Ziel sei, eine möglichst große Transparenz in komplexe Planungen zu bringen und eine engagierte öffentliche Auseinandersetzung zu führen. Für diese Perspektivwerkstatt seien bereits Geldmittel bereitgestellt, sodass die Arbeit bald (im Herbst, wie sie meinte) beginnen könne.

Unterschiedliche Reaktionen rief der Vorschlag Manfred Finkes hervor, eine Art Welterbetaler von denjenigen zu erheben, die vom Welterbe touristisch profitieren. Das jüngste Beispiel, die Katharinenkirche, böte mit Hilfe einer zusätzlichen Einnahme die Möglichkeit, geöffnet zu werden, und zwar ohne den Rückgriff auf ehrenamtliche Helfer, so wie es heute geschieht. Diesen Gedanken lehnte Sebastian Färber mit dem Hinweis ab, dass die Investoren schon genug für die Erschließung und Sanierung bezahlt hätten und nicht auch noch zusätzlich zur Kasse gebeten werden dürften.

Als erfolgreichen Versuch, für die Besichtigung einer Kirche Eintritt zu verlangen, wurden die zwei Euro in der Marienkirche angeführt, die nur anfänglich bei den Besuchern für Irritationen gesorgt hätten.
Vehementen Widerspruch erntete Färber, als er die Einrichtung des Gestaltungsbeirats kritisierte. Diese zusätzliche Genehmigungsinstanz würde Investoren verschrecken. Christine Koretzky und weitere Diskussionsteilnehmer wiesen darauf hin, dass nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch die überwiegende Öffentlichkeit froh über diese Einrichtung sei. Der Gestaltungsbeirat habe architektonische Fehlentwicklungen verhindert. Das Beispiel Wehdehof könne in diesem Fall nicht angeführt werden, weil dieses Projekt durch eine „verantwortliche Person“ am Gestaltungsbeirat „vorbeigetragen“ worden sei.

Kritische Fragen des Publikums widmeten sich:
• dem Straßen- und Wegezustand in der Altstadt (teilweise schlimmer Zustand!)
• dem Gedanken der Verkehrsberuhigung (z. B. Königstraße)
• den von der Gastronomie z. T. genutzten Bürgersteige (sehr uneinheitliches Bild)
• dem teilweise beklagenswerten Zustand der Blockinnenhöfe (viele Eigentümer, aber keine Zuständigkeiten für die Pflege und Unterhaltung)
• dem Gedanken, ein Welterbezentrum auch als Wissensinsel einzurichten, z. B. für die physische Baukunde; sehr wichtig für Altstadtgebäudesanierer
• der Erinnerung und dem Wunsch, pädagogische Ansätze zu entwickeln, damit auch die nächste Generation in das mittelalterliche Erbe der Stadt eingeführt wird
• der Hoffnung, das Bau- bzw. Sanierungsgebiet Wallhalbinsel und Schlachthofareal/Roggenkoppel erfolgreich zu erschließen und im Idealfall sogar durch eine Brücke zu verbinden

Der Abend endete mit der Möglichkeit, sich mit den Teilnehmern der Diskussionsrunde in einem inoffiziellen Teil auszutauschen.

Weitere interessante Artikel der Lübeckischen Blätter finden sie im Download-Archiv.


Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.