Eine Zusammenarbeit zwischen den Museen in Bergen und dem Europäischen Hansemuseum gibt es schon eine geraume Weile. Zum Beispiel verfügt das Lübecker Hansemuseum in seiner permanenten Ausstellung über Dauerleihgaben aus der norwegischen Handelsmetropole. Eine Renovierung des KODE-Kunstmuseums in Bergen ermöglichte es jetzt, einen Teil der umfangreichen Silbersammlung nach Lübeck zu holen.
Die Ausstellung in Lübeck wird von der Direktorin des KODE-Museums, Karin Hinzbo, begleitet; zusammengestellt wurde sie von dem Senior-Kustos Trond Ingedah mit 260 Exponaten. Nach Beendigung geht die Schau in die Kunsthalle Emden. Zum KODE-Museum gehören etwa auch das Komponistenmuseum von Ole Bull und Edvard Grieg sowie das Harald Saeverud Museum Siljustöl. Der Silberschatz aus Bergen ist aus einer Privatsammlung des Norwegers Christen Sveaas hervorgegangen, die dieser dem Museum in Bergen schenkte. Sie besteht aus 960 Objekten, die die Geschichte von Handel und Verkehr einer international verbundenen Handelsstadt wie Bergen widerspiegelt.
Kustos Trond Ingedahl hob bei seiner Einführung nicht nur diesen (wirtschafts-)geschichtlichen Aspekt hervor, sondern auch den qualitativ hohen künstlerischen Wert der Sammlung. Offensichtlich – so führte er aus − ist die gegenwärtige Verwendung und Wertschätzung von Silber in Deutschland anders als in Norwegen. In Norwegen erfreut sich Silber in Haushalten nach wie vor einer hohen Wertschätzung. Silberschmuck, Silberbesteck und -geschirr seien nach wie vor hoch im Kurs.
Die norwegische Handelsstadt Bergen entwickelte sich im ausgehenden Mittelalter zu einer „City of silver“, wie der Kustos in seinen auf Englisch gehaltenen Ausführungen sagte. Silber kam über die internationalen Handelswege, also auch über Verbindungen der Hanse − Bergen verfügte seit 1360 über ein Hansekontor − in die Stadt und wurde von Kaufleuten und Handwerkern gesammelt. Goldschmiede, nicht zuletzt aus Deutschland, siedelten sich an und bereicherten die Kunstfertigkeit in Norwegen und Dänemark; ein unbedingt positiver Aspekt von Emigration und Internationalität, wie Ingendahl nachdrücklich hervorhob. Die Bezeichnung Arabeske deute beispielsweise auf Einflüsse aus der arabischen Welt hin, die ihren Weg nach Europa fanden: „Wir müssen die Grenzen offen halten“, schlussfolgerte er aus dieser auch für Bergen positiven Entwicklung.
Dem Käufer ging es beim Erwerb von Silberobjekten nicht nur um die tägliche Verwendung im Haushalt und um Sammelleidenschaft, sondern auch um eine Wertanlage; verfügte doch die Stadt Bergen in der frühen Neuzeit über keine Bank. In der Ausstellung wird anhand einiger umgedrehter Humpen sichtbar, dass auf deren Boden nicht nur Signaturen des jeweiligen Eigentümers eingraviert sind, sondern auch die Gewichtsangaben des Silberobjekts; das vereinfachte den An- und Verkauf in Verbindung mit dem Tageskurs. Zwar sei es aus heutiger Sicht schwer, den Wert in der damaligen Zeit abzuschätzen, aber man könne vorsichtig davon ausgehen, dass drei Silberlöffel etwa dem Gegenwert einer Kuh entsprachen.
Die Ausstellung ist dreiteilig aufgebaut. In ersten Teil wird auf die Geschichte des Silbers und des Silberhandels eingegangen, im zweiten auf den Silberboom nach der Entdeckung der reichen Silbervorkommen in Südamerika am Beispiel der Stadt Potosi in Bolivien („Silbergier“) und des Transports durch die Spanier nach Europa (Silberflotte), einschließlich vieler negativer Begleiterscheinungen (Sklaverei, Massaker an den Indios, Piraterie; Inflation).
Der letzte Raum ist ausschließlich der Silbersammlung aus Bergen mit ihren verschiedenen, künstlerisch teilweise bemerkenswerten Ausstellungsobjekten vorbehalten. Zu betrachten sind nicht nur Deckelhumpen in verschiedenen Ausprägungen und Größen, sondern auch Zunftpokale, die einzelne Zünfte in Auftrag gegeben hatten (hier Schneider und Bäcker) und die zu ihrem Inventar gehörten. Daneben gibt es Brautkronen in vergoldeten Ausführungen, die noch heute – wohl mehr im ländlichen Raum – in Norwegen von den Bräuten getragen werden. Als offene Silberbecher sind verschiedene Ausführungen eines „Hansebechers“ zu sehen, der ohne Deckel hergestellt wurde. Jede Menge Löffel sind ausgestellt, ebenfalls in unterschiedlichen Ausführungen; auch sie zeigen die Vielfalt des Kunsthandwerks und ihre praktische oder repräsentative Bedeutung, zugleich eine Wertanlage.
Neben einem Begleitkatalog von Tillmann Bendikowski, herausgegeben von der Leiterin des Museums Felicia Sternfeld, gibt es ein Begleitprogramm mit Sammlergesprächen, Schätzungen („Wir schätzen ihre Schätze“, mit Spezialisten von Christie´s), Vorträgen, Führungen, einen Grieg-Abend und einen Goldschmiedeworkshop mit Jana Nitsch. Für Kinder wird eine Schmuckwerkstatt eingerichtet; in Zusammenarbeit mit dem TheaterFigurenMuseum wird eine Märchenlesung mit norwegischen Märchen veranstaltet.
Silberglanz & Silbergier - Der Silberschatz aus Bergen
Ausstellung bis zum 26. Februar 2017
Öffnungszeiten: täglich 10-17 Uhr
Europäisches Hansemuseum
Informationen unter: www.hansemuseum.eu
Fotos: Olaf Malzahn, Burckhard Zarnack
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