Bürgerschaft wagt das Projekt Wallhalbinsel

Die mit Spannung erwartete Entscheidung über das Projekt Wallhalbinsel diskutierte die Bürgerschaft kontrovers, aber nach den verschiedenen kritischen Stellungnahmen im Vorfeld der Debatte, zuletzt vom Leiter der KWL, Dirk Gerdes, hatte der Zuhörer ein schärferes Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Standpunkte erwartet. Wie erwartet sprach sich die SPD-Fraktion gegen das Projekt aus, alle anderen Mitglieder der Bürgerschaft, einschließlich der Linken, stimmten dafür.

Jan Lindenau, SPD, erhob in erster Linie wirtschaftliche Bedenken. Zwar sei das Projekt durchgeplant im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeiten, aber nicht hinsichtlich der Finanzierung. „Für drei Schuppen steht die Finanzierung noch aus.“ „Da wird wieder auf die Stiftungen gehofft“, kritisierte der Fraktionsvorsitzende und verband diesen Hinweis mit grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. Außerdem stünden 650.000 Euro für die Entwicklungskosten des Projekts aus.

Thorsten Fürter, Die Grünen, räumte eine gewisse Skepsis gegenüber dem Entwurf der PIH (= Projektgruppe Initiative Hafenschuppen) ein, findet aber den Entwurf, so wie er im „Konzept für die behutsame Entwicklung der Nördlichen Wallhalbinsel…“ vorliegt, „super“. Seine Fraktion wünscht sich jedoch 30% mehr Sozialwohnungen und den Schutz „aller denkmalgeschützten Sachen“, also auch der Eisenbahngleise einschließlich der Drehscheibe. Darüber hinaus solle die Halbinsel soweit wie möglich autofrei sein.

Bruno Böhm von den Freien Wählern wollte sogar so weit gehen, bei Nichteinhaltung von Terminen (Baubeginn und Fertigstellung) Strafzahlungen zu erheben (er setzte sich nicht durch).

Die Debatte brandete noch einmal auf, als Jan Lindenau auf die private Initiative in den ehemaligen Industriehallen des Werftgeländes Roddenkoppel hinwies, indem er meinte, dass dieses Projekt schon zum Laufen gebracht worden sei, während die Realisierung des Wallhalbinselprojekts noch lange auf sich warten lassen würde.

Dieser Vorwurf wurde von Hauke Wegner (CDU) zurückgewiesen, schließlich sitzen die Initiatoren der PIH erst seit zwei Jahren – gemäß dem Beschluss der Bürgerschaft – an diesem Projekt. „Sie haben gehofft, dass die Bürgerinitiative das Projekt nicht hinbekommt“, konterte er. Im Übrigen sei es unlauter, Kosten einzufordern, mit denen sie nichts zu tun haben und die von anderen verursacht wurden. Auch sei es nicht fair, jetzt einen Grundstückspreis zu fordern, der damals noch nicht bekannt gewesen sei. „Wenn die Stadt der Initiative die Zahl nicht nennt, kann die Stadt der Initiative jetzt nicht vorwerfen, dass sie sie nicht hat“, formulierte Ragnar Lüttke, Die Linke, griffig.

„Jedes Projekt hat Risiken“, „Wir sollten es wagen“, fasste Thorsten Fürter von den Grünen die Mehrheitsmeinung des Hauses zusammen. Damit ist das Projekt Wallhalbinsel auf den Weg gebracht. Für den Denkmalschutz der Hansestadt Lübeck bedeutet diese Entscheidung einen Meilenstein, denn erstmals wendet sich die Stadt dem Thema Erhalt und Nutzung von Industriedenkmälern als Ensemble zu; das ist europaweit nicht alltäglich – auch wenn andere (Hafen-)Städte schon ein ganzes Stück weiter sind auf diesem Weg (Bremen, Hamburg, Bremerhaven, Antwerpen, Liverpool).

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Titelfoto: Die Projektentwickler der PIH, Jörg Sellerbeck und Detlev Holst, verfolgen von der Zuschauertribüne die Debatte um die Zukunft der Wallhalbinsel (Foto: BZ)


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