Termingerechte Fertigstellung
Konzept für die behutsame Entwicklung der Nördlichen Wallhalbinsel an die Stadt überreicht

Die Hafenanlage Nördliche Wallhalbinsel war um 1900, nach der Überplanung und Umgestaltung durch Peter Rehder, der seinerzeit modernste Seehafen Europas.

Die Anlage galt auch als richtungsweisend für den Ausbau des Hamburger Hafens. Inzwischen sind die Hamburger mit der Restaurierung der Speicherstadt und dem Bau ihrer Hafencity eine ganze Länge voraus. Mit dem Entwicklungskonzept der PIH (Projektgruppe Initiative Hafenschuppen) versucht die BIRL zweierlei: eine Alternative zu den (Wohnungsbau-)Konzepten der Stadt (federführend: KWL) zu bieten und ein umfangreiches Beispiel für die Restaurierung und moderne Nutzung eines ehemaligen Industrieareals aus dem 19. Jahrhundert zu entwickeln.

Die Arbeitsgruppe hatte zwei Jahre Zeit (Bürgerschaftsbeschluss vom 26.10.2013), ein Konzept für die „behutsame Entwicklung des Areals“ (S. 8)1 vorzulegen, und zwar unter weitestgehender Beibehaltung der jetzigen Hafenschuppen“ (dito).

Der Kernplan

Dafür entwickelte die Projektgruppe der BIRL unter Mithilfe mehrerer Architektenbüros (Conplan, Beck, Herion, Bertz & Kozanow, Hansen, Modersohn & Freiesleben, Neke) einen Kernplan, der von folgenden Prämissen ausging:

● Alle Hafenschuppen bleiben wegen ihrer stadt- und industriegeschichtlichen Bedeutung als Ensemble erhalten, und zwar verbunden mit einer materialgerechten Instandsetzung.

● Eine Funktionsvernetzung zwischen Wallhalbinsel und der Altstadt als Wohn- und Geschäftsviertel wird konzeptionell und praktisch angestrebt (ergänzende Angebote durch Freizeit- und Kultureinrichtungen).

● Die nachhaltige Quartiersentwicklung im Sinne einer „Nutzer- und Bewohner-Identifikation“ (S. 9) muss sichergestellt sein.

Das Rahmenkonzept

Die vorhandenen Schuppen werden restauriert bzw. entsprechend ihrer künftigen Nutzung umgestaltet. Im Eingangsbereich zur Wallhalbinsel auf der nördlichen Seite (Wallhafen/Kulenkampkai) entsteht nach dem Willen der Planer − auf dem Areal des ehemaligen, abgerissenen Schuppens E − ein Parkhaus als Neubau. Gegenüber, ebenfalls auf der freien Fläche (gegenwärtig Parkplatz), ist ein Hotel als Neubau (Architektenwettbewerb) vorgesehen.

Der Strandsalon („Strandoase“) am Nordende soll so erweitert werden, dass eine Ganzjahresnutzung möglich ist.

Der Schuppen A, der erste der vier in der Kaiserzeit errichteten Kaispeicher auf der Seite des Kulenkampkais, wird in seinem südlichen Teil für die Popkultur in Lübeck hergerichtet; in den nördlichen Teil des Schuppens zieht das z.Zt. in Schuppen F untergebrachte Flohmarktkaufhaus Kaupuskoipi um.

Wohnen und Arbeiten können sowohl in Schuppen B als auch in Schuppen F realisiert werden; in F auf der Seite des stadtseitigen Behnkais ausschließlich für Wohnzwecke − nicht zuletzt wegen der vorhandenen stabilen Betonkonstruktion (dieser Schuppen stammt aus dem Jahr 1939). In den nördlichen und südlichen Gebäuderiegeln von F ist eine gewerbliche Nutzung geplant.

Wallhalbinsel, Übersicht über die Schuppen, Konzeption: Modersohn & Freiesleben Architekten BDA, BerlinWallhalbinsel, Übersicht über die Schuppen, Konzeption: Modersohn & Freiesleben Architekten BDA, Berlin

Der Kaispeicher C (Baujahr 1901) ist der älteste unter den Schuppen. Wegen Kriegsschäden wurde er ab 1956 wieder hergestellt, und zwar mit einer stabilen Gitterrahmenkonstruktion. Vorgesehen ist dieser Schuppen für die kulturelle Nutzung (Musiktheater) und die Förderung der Jugendarbeit. Die Planer betrachten diesen Schuppen aber auch als Raumreserve, um „auf zukünftige Nutzungen flexibel einzugehen“ (S. 24).

Schuppen D mit seiner Nähe zum Strandsalon wird sich kulturellen, handwerklichen und sozialtherapeutischen Projekten widmen.

Erschließung und Freiflächenkonzept

Die Kaianlagen (Wallhafen, Hansahafen) sind Eigentum der Hansestadt Lübeck. Sie sollen künftig der Freizeitschifffahrt zur Verfügung gestellt werden (Sportboothafen Behnkai). Für die Wegevernetzung muss die Regelung durch einen Bebauungsplan vorliegen. Gedacht ist an eine Sammelstraße ausgehend vom Einmündungsbereich Drehbrücke.

Die Erschließung des Quartiers mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen benötigt eine völlig neue Planung. Die Kosten sind „durch alle Investoren über die Entwicklungs- und Erschließungsgesellschaft umzusetzen“ (S. 45).

Die historischen Gleisanlagen bleiben erhalten (Integration in die neuen Verkehrsanlagen).

Die Finanzierung und Umsetzung

Die Realisierung des vorgestellten Konzepts der PIH bedarf einer politischen Entscheidung (voraussichtlich Februar 2016, Bürgerschaft), die den Investoren und Nutzern „für Teile der Liegenschaften eine Anhandgabe“ (S. 75) gewährt, denn, so wird im Konzept fortgeführt, die „Anhandgabe ist die Bedingung für die Finanzierbarkeit weiterer Planungsaufgaben“. Nach der Berechnung der PIH wird der Reingewinn für die Stadt die geforderten 900.000 Euro betragen.

Eigentlich sind damit alle Anforderungen der Stadt für die Entwicklung der Nördlichen Wallhalbinsel erfüllt.

Bewertung und Bedeutung

Die Hansestadt hat mit diesem von der BIRL vorgelegten Entwicklungskonzept die Chancen, ein Industrieareal aus dem 19. Jahrhundert in historisch behutsamer Weise zu revitalisieren. Und zwar auf eine Weise, wie es viele andere Städte mit Industriedenkmälern europaweit schon vorgemacht haben. In Lübeck besteht jedoch die einmalige Chance, dass nicht nur einzelne Gebäude erneuert und einer modernen Nutzung zugeführt werden, sondern ein geschlossenes Ensemble.

Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, ein Raumangebot zu erstellen und zu nutzen, das vielen Bürgern dieser Stadt als lebendige Begegnungsstätte für kulturelle und soziale Aktivitäten zusätzlich zur Verfügung gestellt werden kann - und das in Sichtweite und mit Anbindung an die historische Altstadt.


Pdf-Download: Konzept für die Nördliche Wallhalbinsel in Lübeck

Foto1: Wallhalbinsel, Collage: Modersohn & Freiesleben Architekten BDA, Berlin
Foto2: Wallhalbinsel, Übersicht über die Schuppen, Konzeption: Modersohn & Freiesleben Architekten BDA, Berlin

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