Zwischenzeitlich mochte man meinen, alles sei gegessen. LN, KWL, Senat, und die willigen Mehrheitsbeschaffer im Rathaus verpassten keine Gelegenheit, diesen Eindruck zu erwecken. Was wahr und was unwahr ist, konnte der gemeine Bürger mitunter kaum auseinander halten.
Das passte den bauwütigen KaiLine-Protagonisten gut ins Kalkül. Man sei „Kaufmann“ und müsse sich „an die Fakten halten“, hieß es, als wären alle diejenigen, welche die Stadt vor einer irreversiblen Stadtbildzerstörung und auch vor finanziellen Risiken bewahren wollten, schöngeistige Träumer. „Fakten“ sind im Hinblick auf den kolportierten Geist der Lübecker Hafen City aber folgende:
1. Im September 2011 wurde ein Bebauungs- und Flächennutzungsplan verabschiedet, der 85.000 m² neue Bruttogeschossfläche mit 60 % Wohnungen im Luxussegment und 40 % Gewerbe vorsieht. Die Beschlussvorlage, kurzfristig eingebracht, war unverzüglich in der Bürgerschaft zu beraten, denn man hatte mit der Anpreisung der Baufelder bereits begonnen und Besucher der Immobilienmesse Expo Real in München freuten sich schon auf ein „Get-together“ mit den munteren Marketingstrategen aus der Hansestadt. Die Abgeordneten waren folglich sauer. Doch sie ließen sich überzeugen, man könne ja nun nicht wieder zurückrudern, um noch einmal grundsätzlich in der Sache zu diskutieren. Die Strategie des Senats war also aufgegangen, scheinheilig gelobte man Besserung.
2. Nach den ersten Verkaufsbemühungen der KWL stand dann ein Jahr später die Anhandgabe (nicht der Verkauf!) an die ersten Interessenten zur Debatte. Wieder war die Beschlussvorlage nur kurz vor Beginn der Expo Real in München eingebracht worden, wo man die nächsten beiden Grundstücke bewerben wollte. Der Hauptausschuss, der sich vor der Bürgerschaftssitzung zu beraten hatte, lehnte die Anhandgabe jedoch ab; Fragen zu Risiken für die Stadt, zur Erhaltenswürdigkeit der historischen Kaischuppen und zur sozialen Durchmischung bei zukünftigen Mietern und Pächtern waren innerhalb eines Jahres nicht befriedigend oder gar nicht beantwortet worden. Die zwischenzeitliche Beschäftigung mit der städtebaulichen und stadtbildprägenden Bedeutung des alten Hafenareals sowie mit alternativen Entwicklungsperspektiven ließ die Bündnisgrünen zurückrudern. Doch nun erkannte die FDP-Fraktion ihre Chance, sich trotz bisheriger Ablehnung des Projekts als investorenfreundliche Verlässlichkeitsgarantin zu produzieren. Sie sprang Senat und SPD zur Seite.
3. Die Anhandgabe ermöglichte infolgedessen den ersten Investoren, im Rahmen eines Architektenwettbewerbs ihre konkreten Architektur- und Nutzungskonzepte auszuarbeiten. Die Entwürfe der vier- und fünfgeschossigen Gebäuderiegel der Architekten Petersen Pörksen Partner und BKSP sehen nun rund 80 exklusive Wohnungen sowie Gastronomie, Geschäfte und Büroflächen vor. Ob diese Architektur- und Nutzungsvorstellungen nun verfangen oder ob das Bewusstsein der städtebaulichen, stadtentwicklungsperspektivischen und langfristig ökonomischen Dimension dieses Vorhabens darüber erhaben ist, wird nun die Augustsitzung der im Mai des Jahres neu gewählten Bürgerschaft zeigen.
Noch ist also nichts verloren. Die Tür zu neuen Wegen steht offen, offener als lange zuvor. Glaubt man den Aussagen in Wahlprogrammen und Wahlkampfveranstaltungen, dürfte das KaiLine-Projekt in seiner jetzigen Form im August beendet sein. In der Folgezeit dürfte dann darüber debattiert werden, wie der westliche Altstadtrand ganzheitlich, identitätswahrend, altstadtverträglich und für die Stadt ökonomisch nachhaltig entwickelt werden kann. Was dann endlich auch mit Bürgerbeteiligung diskutiert und von der Bürgerschaft entschieden werden sollte, wären unter anderem folgende Aspekte:
Änderung des Bebauungs- und Flächennutzungsplans
Zuschnitt der Baufelder unter Berücksichtigung der vorhandenen Kaischuppen mit Ausweisung ergänzender Bereiche für Neubauten; Einbeziehung der Mittleren Wallhalbinsel in ein Gesamtkonzept für Erholung, Freizeitgestaltung, Wohnen, Gewerbe und Parken — auch für die MuK und die Altstadt.
Umgang mit der historischen Bebauung und Oberflächengestaltung
Aussagen zum Erhalt von Gebäuden und Pflasterungen und zum möglichen Umgang mit diesen; Antworten darauf, wie Sanierung, Umbau, Ausbau und Erweiterung innerhalb der äußeren Hüllen gelingen kann oder welche Teile unter bestimmten Bedingungen einem städtebaulich einfühlsamen Neubau weichen dürfen. Erörterung der Nutzungszuweisungen zu einzelnen Gebäuden, um z. B. im Schuppen F auch eine Veranstaltungs- und Messehalle, im Winter eine Markthalle einrichten zu können, in der Lärm entwickelndes Gewerbe untergebracht sein darf (Proberäume, Konzerte, Feiern etc.), also Dinge, die in den Schuppen auf der Altstadtinsel nicht gestattet sind.
Einbindung des aktuellen Investoreninteresses
Ausweisung von Neubaufeldern auf der Mittleren Wallhalbinsel als Ausweichflächen, damit die aktuellen Bewerber ihre Bauvorhaben dort verwirklichen können. Die dort bereits vorhandene Erschl