Frau Lottermoser
Abenteuer eines Hemdchenbeutels

An einem Montag im Oktober
ging Studienrätin Lottermoser
zum Penny, der schön nah gelegen -
der vielen Angebote wegen:
Die Süßkartoffeln aus den Staaten,
hatte der Prospekt verraten,
gab's zum Super-Schleuderpreis,
Frau Lottermoser also reißt
'nen Hemdchenbeutel von der Rolle
für die Ami-Stärke-Knolle,
zuhause wird er mit den Schalen,
randvoll zum Kompost getragen –
die Schalen fliegen in die Tonne,
doch ihn vergisst man in der Sonne.

Da kommt ein Wind – ich glaub von Süden –
um ihn in die Luft zu fliegen,
er flog bis Kopenhagen-Stadt
und haargenau ins Freiluftbad,
wo ihn ein Kopenhagner schnappte
und ihn zum Badedienst verkappte.
Danach vergaß er ihn im Becken;
der Beutel blieb im Abfluss stecken,
und löste sich nach einer Weile
in kleine Einzelbeutelteile.

Da kam der Möwen rauer Schar
und schrie: “Nun seht doch, nein, wie wunderbar!
Was einer Mahlzeit reicher Fülle!“
Flugs fraßen sie die Plastikhülle,
und der Raubgier dieser Meute
wurde unser Beutel Beute.

Die Möwe ist robust gebaut
und hat den Beutel rasch verdaut.
So kam er dann im Möwendreck
auf ein monströses Schiffsverdeck:
Arielle, der Luxusdampfer,
ging in St. Petersburg vor Anker,
dort rieb man ihn von Deck und Planken
und trieb ihn zwischen Wasserpflanzen,
wo er zwischen Dorsch und Flossen
geriet, die ihn vor Ort genossen.

Da es an Fischerei nicht mangelt
ward´ der Dorsch alsbald geangelt:
Man schnitt ihn – der zu Eis erstarrte –
noch auf dem Kutter in Quadrate,
und schickte ihn, ganz ohne Gräte,
zu Händen deutscher Hansestädte.

Und vom Container schließlich fällt
der Dorschfang ein ins Tor zur Welt:
Man schichtet ihn auf die Palette
zur Fahrt durchs Land zur Penny-Kette,
dort trägt ihn wer aus tiefer Kühle
nach Hause, heim zu Herd und Spüle,
und – man hat es längst erraten –
Frau Lottermoser tut ihn braten.

Britta Koth
Britta Koth
alias Serra Sand, geburtenstarker Jahrgang, Schwäche für Literatur, Studium der Germanistik und Philosophie in Heidelberg, Studium der Germanistik und Sozialwissenschaften in Göttingen (Magistra), Studium der Psycho-Gerontologie in Erlangen-Nürnberg (Diplom), Training Werbe-Texterin (Berlin), Texterin in div. Werbeagenturen in Berlin, Hamburg und Lübeck, Freie Autorin und Lyrikerin mit Wohnsitz in Mecklenburg am Schaalsee.

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