Keine Frage

Mein Ich gibt´s jetzt seit 50 Jahren,
verfolgt vom Sinn, der mich streng fragt:
Aus diesen zwanzigtausend Tagen -
was hast Du – sprich! – daraus gemacht?

Seit meiner Ankunft stellt die Frage
sich mir wie eine Schulduhr neu,
und erwartet alle Tage
wie wohl die Antwort auf sie sei.

Die schien mir mal im Innig-Lieben,
mal in der Freundschaft warmem Glanz,
mal in der Künste Kunst zu liegen –
doch niemals war es das so ganz.

Der Ehrgeiz, dieser Pyromane
fand in mir Brennstoff noch und noch,
doch blieb am Ende nur das lahme
und ruß-verkohlte Sinnen-Loch.

Ob reinen Herzens große Güte,
ob Ehrenamt voll Empathie,
ob gottgeöffnetes Gemüte –
den Kern der Sache traf das nie.

Die kleinen Dinge: Gänseblümchen,
ein Tropfen Tau, ´ne Handvoll Spatz,
ein wohl gewürztes Kerbelsüppchen -
die Antwort? „Wieder mal verpatzt!“

Auch Lust und Leidenschaft versprachen -
nicht weniger als Epikur –
zwar Sinnlichkeiten aller Arten,
vom Sinn jedoch meist keine Spur.

Low-Carb Diät und Rote Rüben,
Fair-Bio-Rohkost, Früchte, Fisch,
statt klarem Apfelsaft nur trüben-
wohl schwer gesund – doch mehr auch nicht.

Mein Ich erforschte Philosophen,
wie Schopenhauer, Hume und Kant,
und dennoch hieß es nach den großen
Sinn-Fragezeichen: „Unbekannt!“

Blieb noch das Traben durch die Lande,
das Selbsterlösertum im Sport,
als Reaktion gab das bekannte
„Das soll die Lösung sein?“ Rapport.

Die Drogen blieben mir noch offen:
Das weiche Bier, der harte Stoff –
In denen Glaube, Liebe, Hoffen
und auch der Sinn gleich mit ersoff.

Selbst Gärtnern wollte nicht genügen,
nach dem Gegrubber hieß es schlicht:
„Du kannst Dich gerne selbst betrügen“,
doch mich, den Sinn, nasführst Du nicht.“

„Ein Haustier könnte ich beschaffen –
ein Kätzchen, Häschen, einen Hund?“
„So einfach lässt sich das kaum machen,“
entschied des strengen Sinns Befund.

„Mensch, die Magie hab´ ich vergessen,
den Seelenhalt in letzter Qual!“
Als Antwort kam da nur gemessen:
„Na, dazu frag den Faust erstmal…“

Jetzt konnt´s nur Transzendenz noch richten -
wie Yoga, Kloster, Fastenkur -
doch der Sinn, er folgt mitnichten
dem Leuchten dieser lichten Spur.

„Was tun?“ will ich mit Lenin wissen -
„wo steckt jetzt diese Antwort? Sprich!
Man hat mich in die Welt geschmissen –
warum, das weiß der Schmeißer nicht?“

Jetzt ist die Antwort wohl gefunden,
sie saß im Abendsonnenschein,
sie gähnte und hat dann befunden:
„Der Sinn? Na, einfach da zu sein.“

Britta Koth
Britta Koth
alias Serra Sand, geburtenstarker Jahrgang, Schwäche für Literatur, Studium der Germanistik und Philosophie in Heidelberg, Studium der Germanistik und Sozialwissenschaften in Göttingen (Magistra), Studium der Psycho-Gerontologie in Erlangen-Nürnberg (Diplom), Training Werbe-Texterin (Berlin), Texterin in div. Werbeagenturen in Berlin, Hamburg und Lübeck, Freie Autorin und Lyrikerin mit Wohnsitz in Mecklenburg am Schaalsee.

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