Foto: (c) Kolja Schulze-Rohr

JazzBaltica 2018 – "Alles und Meer" in Timmendorfer Strand
Ein Jazzfest der Superlative

Der große Jazz-Impresario Nils Landgren hat zum diesjährigen Festival JazzBaltica ungezählte Jazzgrößen und Nachwuchstalente aus Skandinavien und Deutschland an die Timmendorfer Ostseeküste eingeladen, und sie kamen in aller Vielfalt und Virtuosität.

Unter dem Motto "Alles und Meer" fand das Festival erstmals im Ortskern von Timmendorfer Strand rund um die Trinkkurhalle statt. Für die Top Acts bot der große Festsaal des Maritim-Seehotels jeweils 1000 Besuchern Platz. Der zunächst so gefürchtete Umzug aus der groovigen Werfthalle im Niendorfer Hafen zum Ortskern und biederen Festsaal des Maritims ging glatt und besonders erfolgreich über die Bühne. Der große Saal war in allen zehn Haupt-Konzerten mehr als ausverkauft, darüber hinaus kamen mit 17.000 Besuchern inclusive der Open-Air-Veranstaltungen insgesamt 3.000 mehr als im Vorjahr.

Impresario Nils Landgren im Festsaal des Maritim-Seehotels, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannImpresario Nils Landgren im Festsaal des Maritim-Seehotels, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Auch wenn die Luft im dicht bestuhlten Saal während der Konzerte sauerstoffarm schwül wurde, entfachten die Musiker ungehindert und durchgehend wahre Begeisterungsstürme. Besonders beliebt war die dreireihig gestopfte Empore, die neben einer guten Sicht auch beste Akustik garantierte. Hier sah man im massenhaften Ansturm auf die unnummerierten Plätze jeweils nach Öffnung der Türen so manchen sportlichen Enthusiasten über ganze Stuhlreihen springen. Für die Künstler schien die im Saal vorhandene Bühne durchaus professionellen Anforderungen zu entsprechen. Auch die Außenveranstaltungen mit freiem Eintritt fanden allseits großen Zuspruch.

Die Eröffnung und gleichzeitig den Wechsel zum neuen Spielort zelebrierte Nils Landgren bildlich per Schiff aus Niendorf kommend auf der Landungsbrücke und zog laut schallend mit seiner Marching Band über die Open-Air-Spielstätten hinein in den Festsaal. Noch auf der Brücke wurde er stimmungsvoll von dem neuen Bürgermeister sowie dessen Stellvertreterin begrüßt. Ganz offiziell erhielt er die jüngste Entscheidung der Gemeinde, wonach JazzBaltica weitere fünf Jahre im Ort bleiben kann und zusätzlich weiter von ihr gefördert werden soll.

JazzBaltica Allstar Band, Foto: (c) Rolf KißlingJazzBaltica Allstar Band, Foto: (c) Rolf Kißling

Den Festivalauftakt gab traditionell die lebhaft bunte JazzBaltica-All Star Band, frei nach dem Motto: Jazz ist weiblich! Zwanzig ganz unterschiedliche Frauen haben sich zu einem bunten, spritzigen Ensemble zusammengefunden, um gemeinsam im Bigbandformat zu musizieren und improvisieren. Die Musikerinnen stammen mit Tini Thomsen (Altsaxophon) als Ausnahme allesamt aus den skandinavischen Ländern. Die Leitung der Band wird jährlich einer anderen Musikerin aus der Band übertragen.

So war in diesem Jahr die norwegische Trompeterin Hildegunn Oiseth an der Reihe, die zudem das extravagante, nur selten gespielte Bukkehorn (Ziegenhorn) beherrscht. Unter ihrer Leitung wurden Klänge aus Afrika, Asien sowie ihrem Heimatland Norwegen unkonventionell durchmischt, mal melancholisch, meistens temperamentvoll spritzig. Barfuß wirbelte die Frontfrau in ihrem rotwallenden Gewand über die Bühne. Für die großen Soli trat sie jeweils zur Seite und ließ ihren Damen jede Entfaltung. Nils Landgren hatte nicht zu viel versprochen, als er die Powerfrauen in seiner trockenen Art "Eine Super-Band!" nannte.

Weiter ging es mit dem Instrument dieses Festivals, dem Bass. Kein Geringerer als der schwedische Bassist Lars Danielsson sollte in diesem Jahr anlässlich seines 60. Geburtstags besonders geehrt werden. Insgesamt drei Konzerte waren allein für ihn vorgesehen. Hinzu kamen als weitere Bassisten Eva Kruse und Peter Ilg mit jeweils eigenem Konzert, womit ein absoluter Bassisten-Schwerpunkt der Extraklasse zu erkennen war.

Lars Danielsson Birthday Party, Foto: (c) Nicolaus Fischer-BrüggemannLars Danielsson Birthday Party, Foto: (c) Nicolaus Fischer-Brüggemann

Ein besonderes Schwergewicht am Bass ist vor allem Dieter Ilg aus Freiburg, der mit seiner Band am Sonntagnachmittag unmittelbar nach Wolfgang Haffner auftrat. Der Humor in seinen Ansagen war von trockenster Sprödigkeit. Tiefernst, ohne jeden Anflug eines Lächelns und mit intellektuell übersprießendem Understatement verkündete er jeweils die Titel seiner Bach-Variationen. Unter anderem bewunderte er den Mut von Nils Landgren, ihn mit dem Bassisten Lars Danielsson zu demselben Festival eingeladen zu haben. Er steht zu seinem miesepeterig scheinenden Ausdruck. Den im krassen Gegensatz zu ihm ständig fröhlichen Schlagzeuger Wolfgang Haffner nannte er leicht despektierlich "Den, der immer lacht!". Musikalisch konnte Dieter Ilg im Trio mit Rainer Böhm (Piano) und Patrice Heral (Drums) von seinem allerfeinsten Jazz überzeugen. Sehr erfolgreich hat er sich seit Jahren auf Interpretationen klassischen Materials von Verdi, Wagner, Beethoven und Bach spezialisiert. In diesem Konzert stellte er einen Teil seiner zahlreichen Goldberg-Variationen vor und improvisierte aus Bachs Melodien allerfeinsten Jazz.

Der immer fröhliche Schlagzeuger Wolfgang Haffner ließ es davor spanisch zugehen. Die Ideen für seine neuen Kompositionen brachte er von seinen regelmäßigen Aufenthalten auf Ibiza mit. Mal orkanartig und dann wieder leise flüsternd führte er rasant durch sein Programm. Seinen Begleitern ließ er mit eigenen Soli viel Raum, den diese zur Freude des Publikums erstklassig zu füllen wussten. Es waren Christopher Dell am Vibrafon, Christian Diener am Bass und Simon Ausländer an den Pianos.


Kamera: Hildegard Przybyla

Die Geburtstagsfeierlichkeiten für Lars Danielsson gipfelten in einem illustren Abschlusskonzert mit insgesamt zehn Ausnahmemusikern des Festivals. Neben Paolo Fresu, Randy Brecker, Christopher Dell, Wolfgang Haffner, Ulf Wakenius und Nils Landgren ließ es das Geburtstagskind samt singender Ehefrau Cäcilie Norby so richtig krachen. In fast überbordender Stimmung befeuerten sich die Musiker in feinster Jazz-Manier gegenseitig und brachten den Saal schlussendlich mit einer Version des Beatles-Songs "Come Together" zum Kochen. Mit Cohens "Hallelujah" als Zugabe brachten Lars Danielsson und Cäcilie Norby ein sehr großes, einzigartiges Jazz-Festival zu Ende.


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