Langsam wird es anscheinend zur vorweihnachtlichen Tradition, dass die großartige Rammstein-Tribute-Band Feuerengel versucht, die Gollan-Halle in Schutt und Trümmer zu zerlegen. Auch am Samstag gaben sich die sechs Recken aus Scheeßel alle Mühe, die Bühne abzufackeln.
Mit ihrer ausgefeilten Show aus grandiosen Pyro-Techniken, Lichtshow, Bühnenbild, Klamotten und Maske, aber besonders dem authentischen Sound kommen sie ihren Idolen ziemlich nahe. Ihnen gelingt die perfekte Illusion, so dass die Zuschauer kaum merken, dass nicht ihre berühmten Vorbilder auf der Bühne stehen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die beiden Gitarristen von Feuerengel ihre Gitarren von der gleichen Firma wie ihre Rammstein-Kollegen bezogen haben. Auch der Bassist Holger Sommer hat sich mittlerweile einen 4-saitigen Bass wie vom Original zugelegt. Auch in der Pyrotechnik hat Feuerengel ziemlich aufgesattelt. Es gibt Feuerkaskaden, mal brennt den Gitarristen der Kittel, oder Sänger Delic singt mit brennender Schulter. Auch der Keyboarder wird mit Flammenwerfer traktiert und im riesigen Suppentopf gekocht, während Delic auch mit der Feuer-Harfe über die Bühne fackelt.
Dabei hat 1997 noch alles relativ harmlos begonnen. Ein Jahr vorher waren Rammstein tatsachlich zu Gast beim Hurricane-Festival in Scheeßel, wo der spätere Feuerengel-Sänger mit 2 Kollegen als Bühnentechniker arbeitete. Sie waren so beeindruckt von der gigantischen Show der ostdeutschen Musiker, dass sie mit Feuerengel eine Cover-Band gründeten. Mittlerweile gibt es die Band auch schon seit 27 Jahren. Und mit dem Erfolg der Originale als berühmteste Band aus Deutschland weltweit, wurden auch Feuerengel immer besser und erfolgreicher. Seit Jahren spielen sie Shows in Deutschland, Holland, Belgien und der Schweiz, sogar in der Türkei in Istanbul sind sie schon zweimal aufgetreten. Kein Wunder, dass sie also auch 2016 erstmals in der damals noch recht neuen Gollan-Kulturwerft auftraten. Mittlerweile war die beste Rammstein-Tribute-Band Europas bereits zum vierten Mal hier zu Gast, und das Publikum ist immer noch voll aus dem Häuschen.
Vor ausverkaufter Halle bot die sechsköpfige Band rund um Sänger Boris Delic, die Gitarristen Florian Arp und Daniel Behrmann, Keyboarder Chris Haertel, Bassist Holger Sommer und Schlagzeuger Christoph Rosenplänter eine rundum gelungene und gefeierte Show. Kein Wunder also, dass die Band stolz auf ihrer Homepage berichtet, dass sie sogar schon zweimal vor ihren echten Kollegen auftreten durften. Auch bei der Fernsehshow von Joko und Klaas waren sie schon zu Gast. Sie sind etwa sowas wie Rammstein zum Anfassen, nicht so bierernst auf der Bühne, sondern eher locker und voller Witz und Spielfreude. Die Besucher merken, dass Feuerengel immer noch ganz große Fans von Rammstein sind und vor allem Freude haben, die Songs und die Show ihrer Vorbilder selber auf die Bühne zu bringen.
So bieten sie dem Lübecker Publikum am Samstag-Abend auch ein buntes Potpourri aus alten und neuen Songs der Band. Am Beginn stehen Rammstein und Armee der Tristen, gefolgt von Hits wie Asche zu Asche, Mein Teil, Deutschland, Du hast, Feuer frei, Du riechst so gut oder Radio. Dazu wird wieder ordentlich Pyro abgefeuert, dass der Fotograf und die ersten Reihen der Zuschauer Hitzewellen auf die Ohren kriegen. Die Stage-Managerin der Band machte sich im Vorfeld Sorgen, dass mir meine langen Haare im Fotografengraben in Flammen aufgehen könnten. Aber mir war schon klar, was mich erwartete. Ich war nämlich bereits 2016 beim Debüt von Feuerengel in Lübeck dabei. Also Ohrstöpsel rein, damit das Gehör keinen Schaden nimmt bei der zu erwartenden Akustik eines startenden Jumbo-Jets und Abstand gehalten vom Bühnenrand, um nicht abgefackelt zu werden. Es wurde trotzdem ordentlich heiss und laut.
Dass sich Rammstein in der letzten Zeit ordentlich Ärger wegen der sexuellen Eskapaden von Sänger Lindemann, dem diverse Frauen Missbrauch unter dubiosem Drogenkonsum vorwarfen, eingehandelt hatte, spielte an dem Abend keine Rolle. Das überwiegend Ü-50 - Ü-60-Publikum in typischen schwarzen Klamotten von Rammstein oder Wacken wollte einfach gut unterhalten werden und ordentlich Party machen. Als Sänger Boris Delic das Volk befragte, was es hören wollte und als Antwort bekam: Dicke Titten, verwies er aber darauf, dass auch Kinder im Publikum wären. Aber natürlich spielte die Band den Song denn doch. Und die Kinder in der ersten Reihe hatten auch dicke Kopfhörer auf und haben den Text hoffentlich nicht so richtig mitbekommen.
Ansonsten war hauptsächlich Spass, Haareschütteln und viel Bier trinken bei der gelungenen Party angesagt. Am Ende gab es natürlich natürlich auch noch Zugaben wie Engel auf die Ohren und sowohl Band wie Publikum waren zufrieden.
Fotos: (c) Holger Kistenmacher