Chef-Styler, Hamburg-Ikone, HipHop-Erneuerer und Disco-Funker Jan Delay war nach zwei Jahren wieder beim Gollan-Open-Air zu Gast und hat die Massen (ausverkauft mit ca. 5.000 Leuten) von Anfang an voll im Griff.
Anlässlich seiner Jubiläums-Tour „Forever Jan - 25 Jahre Jan Delay und Disco No. 1“ hat die tanzfreudige Truppe wieder einmal Station in Lübeck gemacht. Best gelaunt und geschmackvoll bekleidet erobert die 12-köpfige Combo rund um den näselnden Sänger, Performer und großartigen Entertainer die Bühne mit dem Opener „Hallo“, was vom begeisterungswilligen Publikum mit einem tausendfachen „Hallo Jan“ beantwortet wird.
Während ich mich direkt vor der Bühne im Fotografengraben noch an die wummernden Bässe gewöhnen muss, kommt auf die Frage von Jan Delay: "Lübeck, habt ihr Bock auf Party?" eine mindestens genauso laute Antwort aus den Kehlen der Fans, die sich vor der Bühne drängeln. Schilder mit Grüßen werden hoch gehalten, die Arme von links nach rechts geschwungen und wenn der Meister zum Springen auffordert, springt halt die Menge. Egal, ob dabei das teure Bier verschüttet wird. Delay gibt den Tanzbären, rennt und springt von einer Bühnenseite zur anderen. Schon nach der ersten Nummer entledigt er sich seines schicken Sakkos mit Einstecktuch und zeigt seine unzähligen Tattoos.
Bei „türlich, türlich“ kommt völlig 'überraschend' sein alter Kumpel, Mitmusiker bei den Beginners und langjähriger WG-Kollege „Das Bo“ auf die Bühne und rockt mit ihm zusammen das Haus. Zwischendurch plaudert Delay über seine lange Karriere. Was zunächst als sensationelle HipHop-Szene mit den Beginners in Hamburg begann, wurde schnell langweilig, weil die Plattenfirmen auf den Zug mit aufsprangen und den letzten Mist produzierten, erklärt der Ausnahme-Künstler. Also machte sich Delay im August vor 25 Jahren selbständig und haute sein erstes super erfolgreiches Solo-Album mit Reggae- und Tanznummern raus. Der alte Nena-Titel: „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ schoss sofort durch die Decke. Er könne jetzt diese ganzen Reggae-Nummern spielen, will aber lieber das Publikum abstimmen lassen. Die dürfen sich aus vier Titeln den beliebtesten auswählen per Ablausometer gemessen, erläutert Jan Delay. Als die Titel „Wassermann“ und „Ich will nicht, dass sie meine Lieder spielen“ etwa gleichauf liegen, werden halt beide Nummern gespielt.
Dann begann seine Disco-Funk-Zeit. Mit der Gründung der Combo „Disco No. 1“ ging der Siegeszug von super tanzbaren Songs weiter. Die gesamten Musiker und Musikerinnen, insbesondere die drei Bläser (Lieven Las Vegas, Philipp Kacza und Jonny Johnson) und die drei Damen für den Gesang (Melissa Audrey, Mimi Demissie und Binta Hübener) folgen ihrem Chef und legen eine wilde Tanz-Choreografie nach der anderen auf die Bühne. Und auch das Publikum lässt sich nicht lumpen: Mal springen alle gleichzeitig in die Luft, hüpfen von links nach rechts und umgekehrt oder schwingen die Arme, mal einzeln, dann mit Tüchern und Kleidungsstücken wedelnd über dem Kopf. Bei der Nummer „Freeze“ frieren alle in der Bewegung ein, wenn die Musik stoppt. Und selbst als der Meister das Publikum auffordert, bei der nächsten Pause, jemanden auf die Schultern zu nehmen, machen Hunderte mit. „Respekt für die Untensteher“, bekundet der sichtlich beeindruckte Entertainer.
Dazu glitzert die Bühne in wunderbarem Licht, natürlich mit den riesigen Markenzeichen von Delay: Der Hut und die Sonnenbrille in Leuchtfarben. Überhaupt verdienen die Leute der Technik, Sound und Licht einen Sonder-Applaus: Ganz großes Kino!
Ein besonderes Highlight war dann für mich die wunderbare Nummer von Rio Reiser: „Für immer und Dich“. Und natürlich durften die Hits wie „Feuer“ und „Oh Jonny“ nicht fehlen, die von allen textsicher mitgesungen wurden. Als sich der wunderbare Abend dann so langsam gen Ende neigte, wurden im Zugaben-Teil noch einige unverzichtbare Songs, wie „Eule“ und „St. Pauli“ - die Hamburg-Hymne zum Besten gegeben. Euphorisch wurden die Musiker und Musikerinnen dann in die Nacht verabschiedet, obwohl jeder noch unendlich lange hätte Tanzen, Jubeln und Feiern können. Wie sagt man im Norden: „Junge komm bald wieder“!
Fotos: (c) Holger Kistenmacher