Sylvain Luc und Richard Galliano, Foto: (c) Olaf Malzahn

Richard Galliano & Sylvain Luc
Hommage à Édith Piaf

Wenn man den Sommer hier im verregneten Lübeck verbracht hat, mit Fernweh und Sonnendurst, oder wenn man gerade zurückgekehrt ist und am liebsten gleich wieder losfahren möchte, dann kann man an diesem Abend auf Reisen gehen.

Schon die Räume der Kulturwerft Gollan, die vor zwei Jahren eröffnet wurden und vor 135 Jahren erbaut, katapultieren in eine andere Welt: Der große Konzertsaal leuchtet intensiv warmrot – in schönem Kontrast zu der rauhen, kalten Ästhetik der Werfthalle.

Vom Quäken und Tröten bis zum feierlichen Orgelklang hat das Akkordeon, dieses eigenwillige Instrument, ein reiches Klangspektrum. Richard Galliano spielt mit diesem Reichtum, wie es nur die ganz großen Meister vermögen. Er hat etwas von einem Meisterkoch, der lustvoll-augenzwinkernd Johannisbeerjus mit Lakritze mischt – das Ergebnis ist etwas ganz Eigenes, Großartiges, das so gut ist, dass es nicht anders sein könnte.

Sylvain Luc und Richard Galliano, Foto: (c) Olaf MalzahnSylvain Luc und Richard Galliano, Foto: (c) Olaf Malzahn

So spielen er und sein ebenbürtiger Partner, der Gitarrist Sylvain Luc mit den Gassenhauern von Édith Piaf. Da schwelgt das Akkordeon ohne Kitsch und Pathos, dann fiept und rattert es, es haucht, stöhnt, dröhnt auch mal, um gleich wieder ganz zart zu klingen – die Rhythmen wechseln schneller als man sein Schunkeln stoppen könnte, der Jazz umarmt den Tango, und war das eben Satie? Es ist ein großes Vergnügen, der bravourösen Spielfreude der beiden Künstler zu Lauschen – frei von jeder Show, es geht allein um die Musik. Man genießt, dass sie dieses Programm schon seit zwei Jahren spielen, hört, wie tief sie es verinnerlicht haben, dass sie sich blind verstehen.

Sie changieren zwischen Augenzwinkern, ernsthaftem Sinnieren, überbordender Jugendlichkeit, schwindeligem Tanz, inniglichem Innehalten, sinnlichem Genießen, Intimität und weiten Klängen, die aus dem All gespeist sein könnten. Sie sind verschmitzte, freche Jungs und gleichermaßen reife, kluge Künstler. Es könnte einem schwindelig werden! Aber erstaunlicherweise ergibt all dies ein Ganzes, Eigenes – aber nicht Rundes, denn diese Musik hat schon Stacheln und Ecken.

Als Zugabe spielen die zwei Künstler "Imagine" von Lennon. Ganz zart, sehnsüchtig und traurig – eine Hommage an die Vision einer friedlicheren Welt. Sie haben wohl, anders als wir im Publikum, schon von den Anschlägen dieses Abends in Barcelona gehört. Von dieser Realität durfte man sich einen Abend lang erholen – auf einer facettenreichen, inspirierenden Reise.


Fotos: (c) Olaf Malzahn


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