Am Samstag wurde im Hafenschuppen C auf der Nördlichen Wallhalbinsel das Musikfestival KUNST am KAI mit einem Friedenskonzert eröffnet. Über 300 Mitwirkende (Chor/Orchester/Tänzer) standen auf der Bühne und setzten bei ausverkauftem Haus und in wunderbarer Kulisse ein Zeichen für den Frieden.
Gabriele Pott, die musikalische Leiterin und Initiatorin des Festivals, eröffnet den Abend mit einer Ansprache, in der sie das Friedensoratorium des Komponisten Karl Jenkins vorstellt. The Peacemakers/Die Friedensstifter wurde 2012 vollendet, eine Zeit, in der auch die westliche Welt zunehmend wieder von Krieg und Unfrieden direkt oder indirekt betroffen ist. Das Stück greift die Sehnsucht des Menschen nach Frieden auf und begibt sich in verschiedenen Kulturen auf die Suche: So kommen verschiedene Friedensstifter aus der ganzen Welt zu Wort, die maßgeblich als Pioniere Wege zum Frieden aufgezeigt haben.
Der walisische Komponist Karl Jenkins war selbst als Pionier in den 70er Jahren Mitglied der Band Softmachine. Er war einer der Wegbereiter der progressiven Jazzrock- und Fusionszene. Sein Oratorium The Peacemakers ist kein schwer konsumierbares, zeitgenössisches Chorwerk. Es mischt vielmehr Klassik mit Pop-Elementen und erinnert zeitweise auch an Carl Orffs Carmina Burana.
Die Bühne im Hafenschuppen füllt sich am Abend eindrucksvoll mit den vielen, vielen Sängerinnen und Sängern der einzelnen Chöre: Lübecker Singakademie, Buxtehude-Chor Bad Oldesloe, NOTABENE, Chor International, Lübecker Mädchenchor, Berliner Mädchenchor, Kinderchor der Waldorfschule Lübeck, Oberstufenchor der Waldorfschule Lübeck. In ihrer Mitte nehmen die Mitglieder der Lübecker Philharmoniker ihren Platz ein.
Das Konzert beginnt mit den Worten von Jesus Christus aus der Bergpredigt in der Bibel: "Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen." Es folgt eine Fanfare. Das Wort "Frieden" erklingt in vielen Sprachen. Danach erscheinen Jugendliche und Kinder, die in verschiedenen Kostümen die Worte der jeweiligen Friedensstifter und Religionen, darunter Mahatma Gandhi, Dalai Lama, Franz von Assisi, Worte aus dem Koran usw. tänzerisch zum Ausdruck bringen - unter der choreographischen Leitung von Shiao Ing Oei und Alicja Adamska. Sehr gelungen und berührend, wie die Jugend und auch die Kleinsten das Bewusstsein für den Wert des menschlichen Lebens und die Sehnsucht nach Frieden im Herzen der Zuschauer hervorrufen.
Gabriele Pott ergänzt das Oratorium von Karl Jenkins kompositorisch mit sprachlichen, musikalischen und tänzerischen Einlagen: In einer Text-Collage tragen Schüler der Waldorfschule das aktuelle Thema Flucht vor und veranschaulichen, wie sich in Deutschland bereits Unfriede breit macht. Eine Tänzerin trägt einen orientalischen Tanz vor, der in das Friedenskonzert aufgrund der erotischen Wirkung und durch das Spiel mit einem Krummsäbel einen starken Kontrast hineinträgt. Danach singt ein kleines Mädchen ein libanesisches Friedenslied mit der Bitte, ihm die Kindheit nicht zu rauben und den Kindern eine Chance zu geben. Dem Abend in seiner Gesamtkomposition gelingt es, das Thema Krieg und Frieden von der politischen Ebene, die uns alle derzeit so sehr beschäftigt und leider auch polarisiert, auf die rein menschliche Ebene zu bringen. Dazu ist Kunst im Idealfall in der Lage.
Sehr gelungen wirkt die Zusammenarbeit von Profis und Laien an diesem Abend. Sie vermittelt sehr gut den Gedanken des Friedens, der auch auf einer gelungenen Gemeinschaft beruht. Viel zur einzigartigen Atmosphäre des Abends trägt der urige, authentische Charakter des Hafenschuppens bei, der zum Glück durch das Engagement Lübecker Bürger dauerhaft gerettet werden konnte. In der Pause strömen die Zuschauer an die Hafenkante und genießen einen stimmungsvollen Abend in maritimem Ambiente.
Verdient ist der überschwängliche Applaus am Schluss. Alle Beteiligten haben dem Publikum einen unvergesslichen Abend geschenkt. Allen voran ist Gabriele Pott zu danken, die dieses Musikfestival zum dritten Mal mit großer Energie und viel Herzblut gestemmt hat. Sie ist eine wahre Pionierin in Lübeck, die neue, inspirierende Wege beschreitet. Das Festival KUNST am KAI ist derzeit das Beste, was Lübeck an frischer, innovativer Kultur zu bieten hat.
Nach der Zugabe im Konzert gibt es noch eine Zugabe auf dem Nachhauseweg. Der Blick von der Nördlichen Wallhalbinsel auf die Silhouette der Stadt in fantastischer Abendstimmung ist das Sahnehäubchen am Samstag und lässt mich auch vergessen, dass gerade die erste Halbzeit des Klassikers Deutschland-Italien läuft ...