Juliette and the Licks rocken das Hamburger Docks

Der Beginn des Konzertabends im Hamburger Docks auf der Reeperbahn gestaltete sich, gelinde gesagt, schwierig. Der Grund: Trotz bestätigter Anmeldung hatte man mich auf der Presseliste irgendwie vergessen einzutragen. Nieselregen, Stehen in der Kälte, diverse Telefonate und Schulterzucken waren die Antwort.

Als es endlich ein Einsehen gab, waren die Bandmitglieder der Vorgruppe Waco aus London in ihren bunten Hawaiihemden schon fast durch mit dem Einheizen. Zur Überraschung aller gab es aber noch eine weitere dreiköpfige Band aus Kanada, die mit gegrölten Kick-Ass-Stücken und einem cool Kaugummi-kauenden Gitarristen mit Punk-Attitude ordentlich Lärm (um nix) machten. Dann marschierten endlich Juliette and the Licks auf die Bühne und legten gleich garagenmäßig ordentlich los. Auf ihrer Come-Back-Tour durch Europa nach 9 Jahren Funkstille waren die Erwartungen der Fans auch schon ziemlich hoch. Hatte die Ausnahme-Schauspielerin Juliette Lewis (Natural Born Killer, From Dusk till Dawn etc.) mit der Power einer hervorragenden Bühnenpräsenz musikalisch vor etwa 10 Jahren doch in Hamburg zuletzt ein denkwürdiges Konzert voller Wildheit und derbsten Rockkrachern abgeliefert.

Und sofort springt auch diesmal im rappelvollen Saal des Docks der Funken über. Juliette Lewis legt los von Null auf Hundert. Mit wild geschminktem Gesicht, einer sexy eng sitzenden Goldglitzerhose, hohen Stilettos und St.-Pauli-T-Shirt stolziert sie rasant über die Bühne, traktiert das Mikrofonkabel und singt, als ob es um ihr Leben geht. Die 4-köpfige Band unterstützt sie dabei souverän und mit viel Druck, was die ersten Reihen im Publikum sofort zum Tanzen und Pogen nutzen. Nach einigen alten Nummern gibt es mit Sex einen neuen Song, indem Juliette Lewis belegt, dass ihr neues Material schnell und bluesy und in Anlehnung an den Garagensound der späten 60er (a la Iggy Pop and the Stooges, MC5 etc.) klingen soll. Dazu gibt die Sängerin die wilde Rampensau, die auch das Publikum zum Mitsingen annimieren will. „Can I tell you, what I want?“, gefolgt vom Bühnensprint auf die andere Bühnenseite: „Can I tell you, what I need?“

Dazwischen beweist Juliette Lewis aber auch gesanglich ihre Klasse, wenn sie die eine oder andere ruhigere reduzierte Bluesnummer in ihr Programm einstreut. Es folgt das neue funky Solo-Stück Hello Hero mit gut geölten Gitarrensoli, bevor die Band den Bühnenkracher Got love to kill raushaut, zu dem Juliette Lewis sich mit stattlichem Bizeps in Kämpferpose präsentiert und den Damen im Publikum zuraunt: „This one is for the Ladies.“ Aber auch der alte Creedence-Clearwater-Klassiker Proud Mary wird zu Gehör gebracht. Im Zugabenteil gibt es weiteres neues Material wie This I know und You´re Speaking my Language, was neugierig auf das neue Album macht, welches demnächst auf dem Markt erscheinen soll. Gröhlender Applaus und diverse Handküsse von der exzellenten und äußerst sympathischen Sängerin beenden einen Konzertabend, der sich dann doch noch zum Guten gewendet hat.

Fotos: Holger Kistenmacher

 

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.