Es gibt jede Menge Krimireihen, die mal mehr oder weniger stimmig aufeinander aufbauend sind oder einfach nur immer wieder das gleiche Personal auffahren, um Mord und Totschlag aufzuklären. Dann gibt es aber auch welche, die versuchen, verschiedene Genres zu verbinden, zum Beispiel Kunst und Kommerz, gepaart mit Spannung und Intrigen.
Oder französische Lebensart gespickt mit kulinarischen Leckerbissen in Verbindung mit Mord und Gemeinsinn. Aber auch Spiritualität und Achtsamkeit, die auf schwarzen Humor und blutige Mordtaten treffen. Genau aus diesen Themenfeldern habe ich für Sie diesmal drei besonders gelungene Beispiele ausgesucht.
Beginnen möchte ich mit dem dritten Fall rund um die Kunstdetektei von Schleewitz, die vom Autor Bernhard Jaumann in München angesiedelt wurde. Nachdem in den beiden vorausgegangenen Bänden - „Der Turm der blauen Pferde“ (2019) und „Caravaggios Schatten“ (2021), den ich hier ebenfalls rezensiert habe, Gemälde von Franz Marc und der berühmte italienische Maler des Frühbarocks im Mittelpunkt standen und die drei Angehörigen der Kunstdetektei auf Trab hielten, ist es diesmal der Graffiti-Superstar Banksy, der das Trio umtreibt.
Plötzlich tauchen überall die berühmten Ratten als Stencils im Münchner Stadtraum auf. Sie sind eines der humorvollen Hauptmotive des Geheimnis-umwitterten Sprayer-Stars, dessen Identität seit Jahren für Diskussionen in den Medien wie auch in der Kunstwelt sorgt. Als die Kunstdetektive nach Bogenhausen gerufen werden und dort an der Fensterfront einer Villa die Kopie des 2018 bei Sotheby´s halb geschredderten „Girl with Ballon“ vorfinden, ist die Neugier auf den neuen Fall bei von Schlewitz, Klara Ivanovic und Max Müller geweckt. Die Aufsehen erregende Aktion in London war nicht nur ein gewaltiger PR-Coup von Banksy, sondern trieb den Preis des halb vernichteten Bildes in Schwindel erzeugende Höhen. Auch wenn Banksy später sein Werk, das eine Mädchenhand zeigt, dem ein herzförmiger Ballon entgleitet, später in „Love is in the Bin“ umbenannte, war die Kunstwelt geschockt, aber begeistert. Der humorvolle und politische Guerilla-Künstler sorgte erst unlängst wieder mit seinen beeindruckenden Streetart-Serien in den Trümmern der Ukraine für weltweites Aufsehen.Dementsprechend ist die Aufregung in München groß, als immer mehr angebliche Werke von ihm dort auftauchen. Während einige Wohnungsbesitzer die Graffitis schnöde überstreichen lassen, versuchen andere, die neuen Werke abzumontieren und gewinnbringend zu vermarkten. Obwohl das Management des Künstlers die Echtheit der Bilder bestreitet, rollt die Vermarktungs- und Verwertungsmaschine des Kunstmarktes an. Ein gestohlenes Motiv wird in einer wahren Bieterschlacht zu einem irren Preis versteigert. Die abmontierte Tür samt Kunstwerk wird für 700.000 Euro unter den Hammer gebracht. Der Hype um die angeblich echten Banksy´s schlägt wilde Kapriolen und die Kunstdetektive versuchen Licht ins Dunkle zu bringen. Dabei versuchen sie wie schon so viele andere, die wahre Identität des berühmtesten Unbekannten in der Gegenwartskunst herauszufinden. Die Presse und die Medien springen auf den Zug mit auf, den bereits diverse Trittbrett-Fahrer in Gang gebracht haben. Es geht um Intrigen, Skandale und Geheimnisse, um Kunst und Kommerz, Original und Kopie und überhaupt um das große Geld, das in der Kunstwelt verdient werden kann.
Jaumann schafft es auch in seinem dritten Band, Humor und Spannung aufkommen zu lassen, wobei er auf lockere und souveräne Weise kunsthistorische Hintergründe zu Banksy und seinem Werk erklärt und die Leserschaft lange im Unklaren darüber lässt, ob die Bilder jetzt echt sind oder nicht. Ein Katz- und-Maus-Spiel auf verschiedensten Ebenen vor dem Hintergrund eines scheinbar völlig aus dem Ruder gelaufenen Kunstmarktes. Lesenswert!
Bernhard Jaumann: Banksy und der blinde Fleck, Galiani Verlag, Berlin 2023, 320 Seiten, Amazon.
Mein nächster Krimi-Tipp stammt aus der Feder von Bestseller-Autor Karsten Dusse, der mit seiner Buchreihe „Achtsam morden“ ein Millionen-Publikum erreicht hat. Jetzt hat er mit „Achtsam morden im Hier & Jetzt“ seinen vierten Band vorgelegt, um ein Bekenntnis zur freien Liebe, zu Tantra und Bhagwan abzugeben. Der indische Guru und Lehrer war in den 80er Jahren sowohl einer der umstrittensten, wie auch erfolgreichsten Sektenführer der Welt mit einer riesigen Anhängerschaft sowohl in Asien als auch in der westlichen Welt. Unsere Lesereise führt uns zurück in die Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als Bhagwan, der sich später Osho nennen sollte, mit seinen lebensbejahenden Lehren und Therapieformen zunächst im indischen Poona und später in Oregon in den USA die Achtsamkeit im Hier und Jetzt propagierte.
Aber zunächst geht es wiederum um Björn Diemel, den Protagonisten der Krimireihe, der Redebedarf mit seinem Achtsamkeitscoach, dem Therapeuten Joschka Breitner hat, sowohl über die Einschulung seiner Tochter als auch über das Tantra-Seminar, das er aus Versehen mit seiner Ex-Frau besucht hat. Doch sein Therapeut liegt zusammengeschlagen im Krankenhaus, nachdem ein Eindringling in seiner Praxis auf der Suche nach dem Tagebuch von Breitner von diesem scheinbar gestört wurde. Diemel will sich eigentlich bessern, obwohl sich die Leichen in seinem Keller mittlerweile stapeln, aber dann stößt er mehr zufällig auf das Tagebuch seines Therapeuten, mit dem er grundsächlich seine mörderische Vergangenheit aufarbeiten will.
Darin erfährt er, dass Joschka Breitner Anfang der 80er Jahre Anhänger von Bhagwan war. Je weiter er sich in das Tagebuch vortastet, umso näher kommt er der Geschichte seines Therapeuten, wie auch der Geschichte der Achtsamkeitslehre, wie aber auch dem Aufstieg und Verfall einer erfolgreichen Sekte, die schlussendlich die Ursache der akuten Todesgefahr für Therapeut und Klient darstellt. Es häufen sich die Probleme um eine weitere Leiche, die Spannung wächst, aber auch der Humor kommt nicht zu kurz. Die ganze Geschichte ist gespickt mit philosophischen und therapeutischen Zitaten sowohl von Bhagwan selbst als auch dem Buch von Joschka Breitner „Godwork Orange - Meine Zeit mit Bhagwan. „Sei dir selbst ein Witz, der dich erheitert“, (Bhagwan Shree Rajneesh: Intelligenz des Herzens). Diese Weisheiten kombiniert Autor Karsten Dusse mit Witz und Ironie, aber auch kunstvoll erdachten Charakteren und dem insgesamt kreativen und spannenden Aufbau seines Krimis.
So lernen wir, dass zum Beispiel Elektroautos ihre Vorzüge haben, wenn man eine überschüssige Leiche nicht identifizierbar verbrennen will. Aber auch über Praktiken von Sex, Tantra, freier Liebe und unendlichen Orgasmen erfährt der Leser/die Leserin viel. Das passiert mal mit völlig losgelöster Absurdität, dient aber auch dem Spannungsaufbau im Verlauf der Geschichte. Man lernt viel über die wahre Geschichte der Bhagwan-Sekte, erfährt selbst viel über Achtsamkeit im Leben und im Alltag und darf gleichzeitig einer Krimi-Store folgen, die in gut lesbarer Sprache vor allem sehr unterhaltsam ist.
Karsten Dusse: Achtsam morden im Hier und Jetzt. Heyne Verlag, München 2022, 480 Seiten, Amazon.
Auch mein dritter Autor ist Bestseller-Produzent und steht mit seinem aktuellen Band wieder einmal weit oben auf der Belletristik-Liste. Gemeint ist der Schotte Martin Walker, Jahrgang 1947, dessen Krimi-Reihe um den Chef de Police der kleinen Gemeinde Saint-Denis im Perigord aus dem Dèpartment Dordogne im Süden Frankreichs spielt. Sowohl diese sogenannten Bruno-Krimis, als auch ein wunderbares Kochbuch und ein Reisebuch aus der Region von Martin Walker, der mit seiner Frau mittlerweile in der Gegend lebt, habe ich bereits hier vorgestellt.
Denn immer geht es neben den regionalen und häufig kniffligen Kriminalfällen in seinen Büchern auch viel um die Kultur und Kochkunst der Gegend. Im mittlerweile 15. Fall für Chef de Police Bruno „Troubadour“ geht es um die Sommersaison in Saint-Denis, die mit Tennis-Turnier und dem alljährlichen Sommerkonzert und allerlei wunderbaren Buffets wieder viel zu bieten hat. In diesem Jahr soll die okzitanische Folk-Band Les Troubadours auftreten, die sich mit ihren Liedern für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ausspricht. Alles scheint geregelt, als die Band mit ihrem Hit-Song für Katalonien für Zündstoff in Spanien sorgt. Gerüchte um einen terroristischen Anschlag bringen Bruno sofort in Alarmbereitschaft. Gleichzeitig gibt es im privaten Umfeld von Bruno wieder Sorgen und Freuden. Ein prügelnder Ehemann soll aus der Haft entlassen werden und bedroht Ex-Frau und Kinder. Und natürlich muss sich Bruno sowohl darum wie um seine sportlichen Leistungen im Tennis kümmern, aber auch um seinen Hund plus Nachwuchs, wie auch um die kulinarische Verköstigung von Freunden, Nachbarn, Gästen und Kollegen. Also hat Bruno mal wieder alle Hände voll zu tun. Aber weil er ja leidenschaftlich kocht und sich dabei die erlesensten Menü-Folgen ausdenkt, hat Bruno auch genügend Zeit, nebenbei über diesen aktuellen Fall nachzudenken.
Während ein Wildschwein über dem offenen Feuer gebraten wird, in der Gemeinde gefeiert und geschlemmt wird, kreisen die Hubschrauber der Polizei und von der Terrorismus-Abwehr über dem Dorf auf der Suche nach den vermeintlichen Attentätern. Langsam nähert sich der brillant ausgedachte Kriminalfall seinem Höhepunkt, während die lebendige Dorfgemeinschaft um Freundschaft, Solidarität und Unterstützung ringt. Erneut ist Martin Walker ein großer Wurf gelungen, in dem alles drin ist: Gemeinsinn, Freundschaft, Rezepte, Geschichte, Musik, Krieg und Liebe. Und über allem schwebt als dunkle Wolke eine gezielte Desinformationskampagne. Da kommt dann auch mal wieder Walkers Vorleben als Journalist durch, wenn er Geschichten am Puls der Zeit erfindet. So verpackt er Ernstes gekonnt mit französischer Lebensart, kriminelle Geschichten mit kulinarischen Köstlichkeiten, Spannung mit bester Unterhaltung.
Guten Appetit beim Lesen und Genießen!
Martin Walker: Troubadour, Diogenes Verlag, Zürich, 2023, 400 Seiten, Amazon.
Die Bücher sind in den inhabergeführten Buchhandlungen Belling, Prosa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR, Störtebeker, Buchstabe und Bücherliebe erhältlich.