Eigentlich gehört Jim Osterberg, wie Iggy Pop mit bürgerlichem Namen heißt, schon seit Jahrzehnten wie auch Keith Richard von den Stones zu den unsterblichen Untoten des Rock´n´Roll. Mittlerweile ist der ewige wilde Mann der Punk- und Rockgeschichte aus Detroit/USA schon 78 Jahre alt und leidet seit Jahren an diversen körperlichen Gebrechen.
Seine Skoliose, eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule und ein Hüftschaden zwingen ihn zum Tragen eines orthopädischen Schuhs und zu einem humpelnden Gang. Trotzdem schont sich Iggy keine Sekunde lang, gibt Vollgas auf der Bühne im Hamburger Stadtpark und euphorisiert das mit gut 4.000 Besuchern ausverkaufte Rund, welches dieses Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert.
Anfänglich mit Lederweste stürmt Iggy nach seiner Band die Bühne, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Gleich zu Beginn des eineinhalb-stündigen Sets sprintet die Punk-Ikone, noch mit einer Lederweste bekleidet, nach seiner 7-köpfigen Band auf die Bühne, um sich sofort seiner Weste zu entledigen. Wie gewohnt tritt er seit Jahrzehnten mit nacktem Oberkörper auf und zeigt seine Lederhaut, die ihm schon den Beinamen Punk-Leguan einbrachte. Dass seine Haut voller Narben und Falten daherkommt, scheint ihn absolut nicht zu stören. Er hat halt den Körper eines Greisen, dessen Fettgehalt bei minus 10 Prozent liegen dürfte und sein begeistertes Publikum liebt ihn dafür, dem Diktat der Jugendlichkeit und der sexy Körper im Pop-Geschäft locker den Stinkefinger zu zeigen.
Außerdem hat Iggy es immer noch drauf. Trotz lädiertem Körper ist er noch erstaunlich gut bei Stimme und wieselt über die Bühne, wenn auch im Humpelschritt. Selbst das gesamte Klischee der Punk-Attitüden weiß er locker zu bedienen. Er rotzt auf die Bühne, zieht grimmige Gesichter und fackelt mit der Faust herum. Er wirft sich sogar zu Boden, sodass sich einige Fans Sorgen machen, ob er denn wieder hoch kommt. Aber Iggy rappelt sich wieder auf und schmeißt die Beine in die Höhe und seinen Mikrophonständer durch die Gegend - alte Punk-Schule.
Alter wilder Mann, Foto: (c) Holger Kistenmacher
Dazu liefert er einen musikalischen Set von insgesamt 17 Edel-Krachern aus seiner mittlerweile 60-jährigen Musikerkarriere ab, die alle, egal ob Alt-Punk oder Jung-Fan jubeln lassen. Er beginnt den Abend mit vier alten Nummern aus seiner legendären „Stooges“-Zeit: „T.V. Eye, Raw Power, I Got a Right und Gimme Danger“. Gut abgehangenes Punk-Material aus wilden Frühzeiten seiner unendlichen Musikerkarriere. Dann folgen seine kommerziell erfolgreichsten Songs, wie „Passenger“ und „Lust for Life“, wo alle mit gröhlen können. Dazu wirft er sich in Posen oder genießt das Bad in der Menge. Er klatscht mit Zuschauern ab und winkt freundlich ins Publikum. Ganz ersichtlich genießt Iggy das Konzert, welches von seiner sieben-köpfigen Band wunderbar inszeniert wird. Er hat sogar zwei schwarze Bläser dabei, zwei weibliche Musikerinnen an Bass und Keys, zwei weiße Gitarristen und einen weiteren Schwarzen an den Drums.
Obwohl er sich zwischenzeitlich auch mal eine kleine Pause sitzend auf einem Monitor-Lautsprecher gönnt, zeigt Iggy keine Alters-Müdigkeit. Wie ein wilder Alien flitzt er von Bühnenrand zu Bühnenrand, sucht immer wieder den direkten Kontakt zu seinen Fans. Es folgen Gassenhauer wie „I Wanna Be Your Dog“ oder “Search and Destroy“ aus seeligen Stooges-Zeiten. Aber er hat auch Aktuelles im Angebot. Aus seiner letzten Studio-Scheibe von 2023 stammen Songs wie „Some Weird Sin“ oder „“Frenzy“, wo er sich immer noch Schwanz-orientiert gibt: „Ive got a dick and two balls“, so dass er kein Viagra bräuchte. Kein Wunder bei einer sexy Ehefrau, wie Nina Alu, mit der er seit 2008 verheiratet ist. Außerdem ernährt er sich seit Jahren vegan, ist clean und schwimmt täglich in einer geheimen Bucht, die kein Tourist kennt, wenn er in seiner Wahlheimat Miami ist, wie er in einem Interview erzählte.
Foto: (c) Holger Kistenmacher
Heute geht es ihm gut, er ist fit und gesund, auch trotz jahrelangem Missbrauch von Alkohol und Drogen aller Arten, die ihm in den Siebziger Jahren fast das Leben gekostet hätten, wäre er nicht zu David Bowie nach Berlin gezogen. Sein Freund und musikalischer Mentor hatte damals in der Hauptstraße von Berlin-Charlottenburg dafür gesorgt, dass Iggy von den harten Drogen loskam und ein musikalisches Comeback starten konnte. Aus der Zeit stammte auch die Nummer „1970“, die begleitet von einem lustigen „Fucking Germany“ von Iggy vorgetragen wurde. Und natürlich durfte auch das „Real Wild Child“ nicht fehlen.
Schon längst jubeln ihm die Fans mit erhobenen Händen zu, aber ganz zum Schluss will Iggy noch mal richtig Spass für alle. Bei der Schluß-Nummer „Funtime“ schafft er es, dass diverse „La Ola Wellen“ durch den Stadtpark schwappen. Immer wieder reißen die Fans auf Iggy´s Anweisung die Arme in die Luft. Dankbar und höflich bedankt sich ein beglückter Alt-Punker bei seinem Publikum, winkt, wirft Kuss-Hände unters Volk und humpelt von der Bühne.
Fotos: (c) Holger Kistenmacher