Normalerweise präsentieren die Künstler und Künstlerinnen des Defacto Art ihre Arbeiten in der Kunsttanke unweit des Holstentores, in ihren dortigen Ateliers, dem Galerieraum oder dem lauschigen Garten an der Trave. Jetzt wurden sie aber vom Marienpastor Robert Pfeifer eingeladen, ihre aktuellen Werken in der großen Marienkirche am Markt zu zeigen.
Als Titel der Ausstellung wurde der Sündenfall Adams und Evas ausgewählt, der beschreibt, wie sich die beiden Sünder im Paradiesgarten verstecken, nachdem Eva vom verbotenen Apfel gegessen hat. Woraufhin Gott ruft: „Adam, wo bist du?“ Der hebräische Name Adam bedeutet Erdling, Mensch, erklärte Pastor Pfeifer bei der Vernissage. Außerdem trägt die größte der neuen Glocken von St.Marien, die sogenannte Schöpfungsglocke die Inschrift: „Mensch, wo bist du?“
Damit war das Thema der Ausstellung Programm, und alle teilnehmenden Künstler/innen haben sich an dieser Thematik abgearbeitet. Es gibt viel Malerei zwischen zarten Aquarellen von Christel Eikenbusch bis zu Öl-Malerei von Imken Kramp, die die dreifache Gloria ausstellt. Bei Sieglinde Toths Werken geht es um die 7 Tage der Schöpfung, von Tag eins mit Licht und Finsternis bis zu Tag sieben, wo die Erde endlich fertig ist. Dagegen sind die farbenfrohen und abstrakten Bilder von Ingrid Friedrichsen ohne konkretes Thema, sondern behaupten so bunt zu sein wie der Regenbogen bei der Schöpfung. Und auch die Malereien von Birte Wördemann haben christliche Bezüge: „Wenn die Liebe mithilft“ heißt ihre Serie.
Aber neben den Malereien und Zeichnungen gibt es noch so einige andere Kunstgenres zu bestaunen, nämlich Textilarbeiten, Skulptur, Fotos und Installationen. Wobei hier der kritische Ansatz der Künstler mehr zum Tragen kommt.
So scheut sich Peer-Oliver Nau mit seiner so bunten, wie rauen Holzarbeit nicht, das Jesuskind eine ordentliche Arschversohlung durch Maria zu verpassen. Seine Holzskulptur auf 70er-Jahre-Tapete zeigt, wie Maria das Jesuskind über das Knie legt und den schon roten Hintern mit weit ausholendem Armschwung kräftig prügelt. Diese provokante Arbeit, ausgerechnet in der berühmten Marienkirche ausgestellt, dürfte so manch Gläubigen erschrecken. Dabei geht die Arbeit des Lübecker Künstlers auf eine alte, nicht weniger kontroverse Arbeit des
Auch die zweite Arbeit von Nau wirkt in einer Kirche eher provokant. Seine Installation mit bunten Mohnblüten und dem Schriftzug „Opium“ verweist auf den berühmten Satz von Lenin: Religion ist Opium fürs Volk. Auch die Bodenarbeit von Janine Turan wirft Fragen auf: Sie hat die 10 Gebote Moses zertrümmert und auf roten Teppich gelegt. Mit dem Titel: „Quo Vadis“ hinterfragt sie mit ihren Gesteinsscherben der alttestamentarischen Gesetzestexte, was ist wirklich von den 10 Geboten heute geblieben. Darüber lässt Traute Ohlenbusch unter dem Titel „Imago Abiit“ einen zarten Engel schweben.
Apropos Schweben. Von dem hohen Gewölbe der imposanten Marienkirche hängt ein 38,5m langes Seil mit einem tonnenschweren Stein vom Brodtener Ufer. Diesen hat der Vorsitzende des Kunstvereins, Peter Fischer in einen Fisch verwandelt und das ganze als Foulcaultsches Pendel unter die Kirchendecke gehängt. Die Schwingungen des Kunstwerks
Wieviel Einfluss der Mensch auf die Weiterentwicklung der Erde nimmt, zeigen auch die großartigen Fotos von Thomas Schmitt-Schech, der Angesichts von Umweltzerstörung und Klimawandel keine guten Perspektiven erkennen kann, die vom gestaltenden Menschen auf unsere Welt ausgehen. Und Monika Callies Textilarbeit kommt schlicht zu dem Ergebnis: „Experiment gescheitert?“. Hoffnung gibt es aber trotz allem auch, denn die Bildhauerin Andrea Liske hat genau 365 verschieden große Keramikengel in den Altarraum unter dem Kreuz platziert, also nicht nur einen Engel pro Tag eines Jahres, sondern auch jeweils einen Engel für die Hoffnungen und Wünsche, die die Menschen haben, wenn sie in die wunderbare Marienkirche kommen.
Fotos: (c) Holger Kistenmacher