Peter Somuah, Foto: (c) Holger Kistenmacher

JazzBaltica Doppelkonzert vom Freitag
Peter Somuah Quartett und Michael Wollny Trio

Alles wartet schon gespannt auf den Beginn des JazzBaltica-Konzerts am Freitagnachmittag, als unser Landesvater, Ministerpräsident Daniel Günther, plötzlich neben mir Platz nimmt.

Allerdings ist unserer erster Landespolitiker nicht als Jazz-Freund gekommen, sondern soll in offizieller Funktion den diesjährigen IB Jazz Award 2025 vergeben. Er kann auch danach nicht lange bleiben, hat wieder Termine beim NDR im Fernsehen, schade eigentlich, denn er verpasst zwei absolute Klasse-Konzerte von großartigen Musikern. Aber zunächst gibt es Blumen und Urkunde für den 26jährigen Jazzsänger Lennart Meyer aus Braunschweig. Bescheiden, aber hocherfreut nimmt der junge Sänger die „große Ehre und Inspiration“ entgegen und spielt dann mit Mr. JazzBaltica, Nils Landgren und seiner „roten Hupe“ ein super improvisiertes „Summertime“. Starker Einstieg für ein großartiges Konzerterlebnis der Sonderklasse.



Denn dann kommen die fünf Musiker des coolen Trompeters Peter Somuah aus Ghana auf die Bühne und legen ein Set zwischen Anflügen an Altmeister Miles Davis und rasanter afrikanisch inspirierter Musik zwischen Highlife und Afrobeat hin. Der junge und hochtalentierte Peter Somuah aus Accra wechselt lässig zwischen Trompete, Flügelhorn und Gesang. Dabei wird er wunderbar unterstützt von seiner jungen Truppe mit dem spritzigem Pianisten Anton de Bruin und der Rhythmus-Combo aus Marijn van der Ven am Bass, Jens Meijer an den Drums und Danny Rombout an den Percussions. Leichtfüssig wechseln sie die Rhythmen zwischen schriller und aggressiver Improvisation und südamerikanischen Samba-Klängen.

Dann beweist der junge, lustige Peter Somuah, dass er auch singen kann: „When you told to much“. Danach werden wieder super tanzbare Highlife-Rhythmen angeschlagen. Wenig später glaubt man sich in eine dunkle, verrauchte Bar von New York versetzt, wo sie eine slow vorgetragene ruhige Ballade zelebrieren. Aber immer auch erlaubt der exzellente Trompeter und Flügelhornspieler Somuah seinen Mitstreitern Ausflüge in Solopfade, wie das wunderbar gespielte Piano-Solo von Anton de Bruin. Peter Somuah tänzelt dazu grinsend über die Bühne, um dann wieder seine Trompete mit allerlei Echo und elektronischen Spielchen zum singen zu bringen.

Marijn van der Ven und Peter Somuah, Foto: (c) Holger KistenmacherMarijn van der Ven und Peter Somuah, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Am Ende wird es dann noch einmal richtig wild, als der Trompeter seine filigranen Finger über sein Blasgerät fliegen lässt. Einigen älteren Herrschaften wird dieser wilde Ausritt durch die Improvisationskunst dann doch zu schrill, schnell und laut. Man sieht zugehaltene Ohren - schade eigentlich, denn das volle Programm Jazz aus Afrika muss manchmal auch unbeherrscht und laut und grell sein. Super Applaus von mir und dem gut gefüllten Saal!

Nach einem erfrischendem Pausen-Pils geht es gleich absolut hochklassig weiter. Nils Landgren kündigt ein überirdisches Trio an, nämlich die beim JazzBaltica immer wieder gerne gesehenen Musiker des Michael Wollny-Trios. Michael Wollny dürfte schon seit Jahren neben Joachim Kühn der beste Jazz-Pianist Deutschlands sein. Seine schlafwandlerische Art, sich an den Tasten sitzend und stehend tief in die Saiten des Geräts einzugraben ist grandios. Er und seine beiden Mitstreiter: Tim Lefebvre am Bass und Eric Schaefer an den Drums sind unfassbar gut aufeinander eingespielt. Am Ende der eineinhalb Stunden durchgängiger Improvisationsmusik erzählt Wollny, von dem man vorher keine Begrüßung noch Ansagen zu hören bekam, dass das Trio seit mittlerweile über zehn Jahren zusammen spielt. Vor gut zwei Jahren haben sie es sich abgewöhnt, überhaupt eine Setlist vorzulegen.

Michael Wollny, Foto: (c) Holger KistenmacherMichael Wollny, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Sie fangen einfach an und spielen dann ohne Punkt und Komma ein unglaubliches Konzert zwischen Sensibilität und unfassbarer Gelassenheit. Immer wieder wechselt Geschwindigkeit und Dynamik, blumige Momente werden durch rasante Rhythmus-Wechsel abgelöst. „Als Improvisator spielen Erinnerungen in seiner Musik eine große Rolle“, erklärt der Ausnahme-Musiker Wollny. „Und diese Erinnerungen kommen im Moment des Spielens wieder zu einem zurück und setzen so ihre Existenz im Hier und Jetzt fort“. Und das spürt man im gesamten Konzert. Die drei Musiker verbindet eine Liebe, Kraft und Fähigkeit zur Improvisation, die unendlich erscheint. „Wir könnten jetzt auch noch 6 Stunden so weiter spielen, ohne dass die Lust und die Qualität weniger werden würde“, behauptet der Pianist, und alle glauben ihm aufs Wort.

Michael Wollny Trio, Foto: (c) Holger KistenmacherMichael Wollny Trio, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Als spezielle Zugabe spielt das Trio dann noch ein entspanntes Stück von der von ihnen geliebten Singer-Songwriterin St. Vincent: „Huey Newton“ und gut ist. Beglückt und beseelt spaziert alles aus dem Saal, hinaus in einen wunderbaren Sommerabend an der Küste.


Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Das Konzert mit Peter Somuah in der ZDF-Mediathek
Das Konzert mit Michael Wollny in der ZDF-Mediathek

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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