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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
Ein Film zum Lachen und Weinen

Als Theater-Schauspieler ist er ein Bühnen-Berserker und als Schriftsteller hat er mit seinen autobiografischen Büchern ein Millionen-Publikum begeistert: Joachim Meyerhoff.

Jetzt ist sein erster Band seiner sehr persönlichen Familiengeschichte, den ich hier auch als Roman vorgestellt habe, als Film herausgekommen. Unter der Regie von Sonja Heiss („Hotel Very Welcome“ oder „Hedi Schneider steckt fest“) ist die Tragikomödie „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ ein großer amüsanter Wurf, der aber auch seine sehr traurigen Seiten hat.

Es geht um das Aufwachsen des Joachim Meyerhoff in der Kinder- und Jugend-Psychiatrie in Schleswig, wo sein Vater Richard Meyerhoff (David Striesow) als Psychiatrie-Professor Direktor der Einrichtung ist. Gemeinsam mit der Mutter Iris (Laura Tonke) und den beiden älteren Brüdern lebt Klein-Joachim, genannt Josse mitten auf dem Anstaltsgelände. Die „Irren“ gehören sozusagen und manchmal auch sprichwörtlich zur Familie. Zum Geburtstag des Vaters werden dann einige Patienten zu Kaffee und Kuchen ins Elternhaus eingeladen, anstatt den Kollegen des Vaters, die dieser eher nicht so normal findet. Für Josse und seine beiden Brüder ist es dagegen völlig normal auf dem Gelände zu spielen oder auch sich auf dem Weg zur Schule von ihnen begleiten zu lassen.

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Teilweise von einem jungen Mann, der seinen Vater mit Chauffeurmütze und Tröte von Zuhause abholt, um ihn zur Arbeit zu fahren mit seinem unsichtbaren Fantasie-Auto. Überhaupt spielen die „Irren“ einen wichtigen Teil in den jungen Jahren von Josse. So ist der schweigsame Riese, der „Glöckner“ genannt, weil er immer mit zwei Glocken bewaffnet bimmelt über das Gelände streicht, sein Kumpel, Freund und Tröster. Wenn seine Brüder Josse einmal wieder geärgert oder gemobbt haben, oder wenn er traurig ist, muntert der Riese ihn wieder auf, indem er mit ihm auf den Schultern durch die Gegend trabt und ihn hinterher ganz behutsam wieder vor der Tür seines Hauses absetzt.

Weil seine Brüder Josse aber sehr häufig triezen, flippt er mitunter völlig aus und schreit wie die Hölle. Dann muss er von den Eltern auf die laufende Waschmaschine gesetzt werden, wo er ordentlich durchgeschüttelt wird, bis er sich wieder beruhigt. Auch die erste vorsichtige Verliebtheit erlebt der junge Joachim, der beim allmählichen Heranwachsen von drei verschiedenen Schauspielern (Camille Loop Motiven, Arsens Bullmann, Merlin Rose) dargestellt wird, mit einer Patientin seines Vaters. Ein suizidales Mädchen, Marlene (Pola Geiger) wird seine erste Freundin, die er schüchtern küsst. In völliger Selbstverständlichkeit erzählt sie ihm von ihrem Selbstmord-Versuch mit Tabletten.

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Überhaupt kann man sagen, dass die gesamte Geschichte wunderbar funktioniert, weil die Darsteller/innen der Psychiatrie von realen psychisch Kranken als Laien-Schauspieler/innen gespielt werden. In Zeiten von politisch überkorrekten Bedingungen ist so ein Film ja äußerst schwierig, denn leicht könnten die Patienten herabwürdigend und lächerlich machend dargestellt werden. Dies passiert aber in dieser wunderbaren Tragikomödie nicht, denn der Respekt und die Empathie gegenüber den psychisch kranken Menschen wird in der gesamten Familie Meyerhoff vorgelebt.

Ähnlich wie in dem berühmten und Oscar-belohnten Psychiatrie-Klassiker „Einer flog über das Kuckucksnest“ mit Jack Nicholson als aufsässigen Psychiatrie-Insassen könnte dieser Film vielleicht sogar dafür sorgen, dass Vorurteile abgebaut werden. Der damalige Film von 1975 spielte übrigens in einer echten psychiatrischen Klinik in Salem im amerikanischen Staat Oregon, wo noch Elektroschock-Therapie zum allgemeinen Behandlungs-Repertoire solcher Einrichtungen gehörte. Der Leiter der damaligen Klinik betrachtete die Dreharbeiten für die teilnehmenden Patienten als therapeutische Maßnahme, die viel verändert hatte, sowohl in der Klinik als auch später in der Wahrnehmung von psychisch kranken Menschen in der Gesellschaft.

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Der jetzige Film ist dagegen eher harmlos und witzig, weil er die Familiengeschichte der Protagonisten in den Vordergrund stellt. Zunächst ist Klein-Josse noch ein großer Bewunderer seines Vaters Richard, der ein Segelboot anschafft, aber nicht nutzen kann, weil er sofort seekrank wird und bei der Prüfung zum Segelboot-Schein über Bord kotzt. Auch später im Privatleben der Familie werden die Spannungen und Risse innerhalb des Lebens immer eindeutiger. Mutter Iris träumt von Italien und Vater Richard rennt jedem Rock hinterher. Immer wenn sich der Vater ein hautenges, rosanes Hemd über den dicken Bauch zwängt, weiss die Mutter, dass er wieder fremd gehen will, was natürlich auch den Jungs nicht verborgen bleibt.

Und auch sonst verläuft das Leben manchmal dramatisch und traurig. Erst stirbt der alte Familienhund, dann verliert sein Bruder bei einem Verkehrsunfall sein Leben, als Joachim auf Schüleraustausch in den USA weilt. Diese Emanzipationsgeschichte vom Kind über den Jugendlichen bis zum Erwachsenenleben wird in drei Episoden gezeigt. Tragödien sind immer wieder präsent und werden mit großer Ernsthaftigkeit dargestellt und gelebt, egal ob der Vogel, der gegen die Scheibe geflogen ist und stirbt, beerdigt werden muss oder ein Hund oder Mensch stirbt. Der eigentlich sehr humorvolle Film hat diverse Momente der Traurigkeit.

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Eine besonders groteske Note erfährt der Film, als sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (Axel Milberg) zu einem Wahlkampf-PR-Termin in der Psychiatrie einfindet und zielsicher mit dem Gesicht nach unten im Matsch landet. Mehr soll hier mal nicht verraten werden. Die Szene ist urkomisch! Einfach der ganz normale Wahnsinn, wie er im Buche steht und jetzt auch auf der Leinwand zu bewundern ist.

P.S. Der Film läuft derzeit im Filmhaus Lübeck.

 

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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