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Frank-Peter Lehmann
Wandelism - Der Film - jetzt im Stream

Bei den gerade zu Ende gegangenen Nordischen Filmtagen Lübeck war es leider allgemeine Praxis. Das Streamen der Filme dürfte sich ja bei den Nutzern der verschiedenen Plattformen auch schon länger durchgesetzt haben. Für viele, meist jüngere Menschen ist das Schauen von Filmen digital auf dem Handy oder Laptop längst zur Gewohnheit geworden.

Mir persönlich fehlt zwar noch immer die Magie und das Erlebnis, einen schönen Film auf großer Leinwand im dunklen Kinosaal inmitten vieler anderer zu schauen, aber die Digitalisierung bietet eben auch die Möglichkeit, Perlen der Filmkunst oder besondere Filme, die eher kaum den Weg in die großen Kinos schaffen, trotzdem sehen zu können - wenn auch nur auf dem heimischen Computer.

So einen besonderen Film möchte ich heute dem interessierten Publikum vorstellen. Freunde des Independent-Films und der Street-Art dürften sich hier besonders angesprochen fühlen. Es geht um den Film: „Wandelism“ vom Berliner Kameramann und Filmemacher Frank Peter Lehmann, der ursprünglich aus Husum stammt. Es geht dabei um die Entstehung eines Gesamt-Kunstwerkes, welches 2018 im Berliner Stadtteil Wilmersdorf in einem alten Autohaus stattfand.

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Insgesamt 88 nationale und internationale Stars der Street-Art-Szene hatten damals die Möglichkeit erhalten, sich in dem maroden Gebäude auszutoben und das Gebäude über einen kurzen Zeitraum mit ihrer vielfältigen Kunst zu verschönern. Urban-Art-Künstler wie „The Schnu“, Baye Fall, Jerome Graff, Marion Schatte oder die „Berlin Kids“ griffen also zu Spraydosen, Farben und diversen anderen kreativen Materialien, um in einer wahrer Kunstschlacht einen sehr besonderen, speziellen Ort temporär zu schaffen.

Die ganze Geschichte war ein ziemlicher Erfolg. Wochenlang standen Schlangen von Besuchern vor den Türen, um die geile Urban-Art-Show zu besichtigen. Außerdem wurden durch den Eintrittspreis, den Verkauf von Speisen und Getränken und Spenden viel Geld eingespielt, welches zu 30 Prozent in soziale Projekte gesteckt wurde. So wurde zum Beispiel die AWO-Kita Kinderwald in Berlin-Mitte mit Geld bedacht, das dazu genutzt wurde, dass Kinder mit Künstlern zusammen ihre Tagesstätte verschönern konnten.

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Außerdem ging es den teilnehmenden KünstlerInnen „um die Rückeroberung des öffentlichen Raums, um Freiräume für Kunst, beziehungsweise übergeordnet um die Freiheit der Kunst, auch wenn dafür illegale Maßnahmen ergriffen werden müssen“. Das ehemalige Autohaus wurde damals 2018 mit riesigen Wandmalereien, beeindruckenden Autoskulpturen, Installationen und ganzen komplett umgestalteten Treppenhäusern und Räumen verschönert. Besonders die öffentlich zugängigen Toilettenräume begeisterten als Gesamt-Kunstwerke. Meine Anmerkung damals: „Schöner Scheißen mit Hai“. (Siehe meinen Artikel vom 27.04.2018 in "unser Lübeck").

Lehmann hat die Künstler und KünstlerInnen damals mit seiner Filmkamera über mehrere Wochen begleitet. So konnte er die gesamte Aufbauzeit, die glorreiche Eröffnung, viele Interviews mit den TeilnehmerInnen und Organisatoren dokumentieren. Als roter Faden im Film dient ihm seine kleine Tochter Maleika, die völlig ohne Scheu und ungeniert im Autohaus rumturnt, die Künstler anquatscht, teilweise beim Malen mitmischen darf oder sich später mit BesucherInnen amüsiert. Der aufschlussreiche Film zeigt viele der teilnehmenden KünstlerInnen bei ihrer Planung und Ausführung der jeweiligen Werke und informiert in Interviews über ihren persönlichen Werdegang.

Foto: Holger KistenmacherFoto: Holger KistenmacherLehmann kommt den Protagonisten dabei sehr nahe. Gleichzeitig kann man bei der Entstehung dieser wunderbaren Urban-Arbeit den Machern und Macherinnen förmlich über die Schulter schauen. Außerdem sollte man wissen, dass das alles längst Geschichte ist, denn das Gebäude wurde nur ein paar Monate später abgerissen. Mittlerweile stehen da vor Ort schon längst neue Apartment-Wohnungen.

Frank Peter Lehmann arbeitet schon lange als professioneller Kameramann und hat in den letzten Jahren mit vielen Regisseuren in aller Welt an teilweise preisgekrönten Dokumentationen mitgearbeitet, u.a. an einem Film über Osama Bin Laden, den Deutschen Geheimdienst BND, der erst jüngst bei Arte und in der ARD lief, Filme rund um Fußball und Brasilien anlässlich der WM in dem südamerikanischen Land oder auch zuletzt über den Lachsfang und die unglaubliche Zucht dieser Raubfische in norwegischen oder chilenischen Fischfarmen, die ganze Landschaften vergiften und gruselige Krankheiten auf noch wilde Lachse übertragen.

Auch dieser Streifen war im deutschen Fernsehen zu sehen. Außerdem war er auch schon einmal Teilnehmer bei den Nordischen Filmtagen. Vor ein paar Jahren hatte er dort seinen Hochzeitsfilm, eine traditionelle afrikanische Feierlichkeit von Freunden von ihm in Tansania gezeigt. Ein bunter witziger Foto: Holger KistenmacherFoto: Holger KistenmacherFilm, der eigentlich nur ein ganz besonderes persönliches Geschenk von ihm an seine Freunde werden sollte, aber viele der damaligen Besucher begeisterte.

Sein jetziger Film „Wandelism“ ist im Netz unter www.behindthetree als Stream verfügbar. Er kostet 3 Euro pro Stream, wobei dem Filmemacher 1 Euro als Anteil zusteht. In Zeiten von Corona ist nämlich auch Frank-Peter Lehmann als sogenannter Solo-Selbständiger seit Anfang des Jahres ohne Arbeit und Einkommen. Zur Zeit hangelt er und seine kleine Familie sich mit Grundsicherung und Krediten vom Staat durch. Also drei Euro investieren, einen tollen Film über Urban-Art schauen und dabei einem kreativen Künstler der Filmbranche helfen!!!

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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