Foto: (c) Maximilian Probst

Tänzer/innen 40+ zeigen zwei Stücke von Merce Cunningham & Mathilde Monnier
Dance On Ensemble auf Kampnagel

Das Konzept „Dance On“ von der Initiative Diehl und Ritter beruht auf der älteren Idee des Niederländischen Tanztheaters, das bereits vor ca. 20 Jahren unter der Leitung von Choreograf Kilian älteren Tänzer/innen über 40 Jahren die Möglichkeit bot, ihr tänzerisches Können und ihre Professionalität ausleben zu können. Jetzt war die künstlerische Exzellenz derartiger Tänzer und Tänzerinnen bei einem Abend auf Kampnagel zu besichtigen.

Das Dance On Ensemble, das 2015 von Diehl und Ritter gegründet wurde, versucht, die künstlerische Beziehung von Tanz und Alter sowohl auf der Bühne als auch in der Gesellschaft zu priorisieren. Dabei nehmen sie sich bahnbrechende zeitgenössische Tanzwerke vor und verwirklichen angepasste Choreografien unter Zusammenarbeit mit renommierten Choreografen und Filmemachern, wie zum Beispiel Rabin Mroué, Deborah Hay, Lucinda Childs und Jan Martens. Die teilnehmenden Tänzer und Tänzerinnen sind alle zwischen 43 und 71 Jahren alt und haben früher in berühmten Gruppen wie Ballett Frankfurt, Nederlands Dancetheater, Martha Graham Dance Company oder Hamburg Ballett getanzt.

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Bei den zwei gezeigten Werken auf Kampnagel handelt es sich einerseits um das radikal experimentelle Werk „Story“ von der Tanz-Ikone Merce Cunningham aus dem Jahre 1963, sowie andererseits um eine zeitgenössische, choreografische Antwort von „Story“ der französischen Choreografin Mathilde Monnier „never ending Story“.

Es beginnt mit einer grell ausgeleuchteten Bühne voller Gemälde, Öltonnen und einem riesigen Handy. Wie im Original wird parallel zum Tanz von einer Künstlerin „Anika Lazar“ live auf der Bühne ein Bild gemalt. Bei Cunningham war damals Robert Rauschenberg auf der Bühne. Dazu gab es live-Musik zwischen Elektronik und Gitarren-Sound von Matteo Kuhlmey. Während die 3 Tänzer und 3 Tänzerinnen mit wechselnden Kostümen sehr strukturierte, aber auch freie Bewegungsabfolgen mit individuellen Ausführungen zwischen Sprüngen, Läufen, Figuren und Drehungen vollführten, die zwar auf konkreten Anweisungen basierten, ihnen aber auch bestimmte Freiheiten zugestanden, nahm das amorphe, grelle Bild der Künstlerin langsam Gestalt an. Dabei gab es für die sensationelle Choreografie von Cunningham als historisches Meisterwerk des Tanzes nur fragmentarisches Archivmaterial. Ganz großes Kino!

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Teil zwei war dafür umso atemberaubender. Es begann mit konzentrierter rhythmischer Fußarbeit der fünf Tänzer/innen im halb dunklen Bühnenraum, der dann aber immer energetischer wurde. Mathilde Monnier reagiert mit ihrer Arbeit auf Cunnigham und verwendet die Poesie eines Zeitgenossen vom Künstler-Paar Cunningham/Cage, David Antin. Während sie immer raumgreifender und wilder tanzen, diskutieren und reden die Tänzer/innen über das Stück und über die Macher. Häufig hat es den Anschein, dass das Gesprochene sofort auf die Bewegungen der Körper übergeht. Das ist anstrengend, aber auch voller Humor. „Während sie tanzen und sprechen, erleben sie den Gedanken, wie er auf den Geist und vor allem auf den Körper trifft“.

„Ja, der Gedanke wird buchstäblich vom Körper produziert“, erklärt Monnier ihre Arbeit. Ihr gesamtes bahnbrechendes Konzept in der atemberaubenden Umsetzung durch das wunderbare Dance On Ensemble hat dabei immer eins im Blick: „Reden und Tanzen, reden während man tanzt, tanzen während man spricht. Tanzen als Versuch, sich dem zu nähern, was der Gedanke ist, aber auch dem einzigartigen Klang der eigenen Stimme, die einen Gedanken formuliert“. Und das schaffen die fünf Tänzer und Tänzerinnen in beeindruckender Manier.

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Sowohl was die künstlerische Qualität und ihr Können, als auch die bewundernswerte Kondition und Energie dieser „alten Künstler“ angeht, sind ihre kreativen Leistungen schier unglaublich. Der donnernde Applaus war mehr als verdient.


Fotos: (c) Maximilian Probst

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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