Jede neue Sturmböe, die vielfarbige Schaumberge Richtung Publikum blies, wurde mit lauten Jubel-und Lustschreien begrüßt. Dabei waren die großen und kleinen Gäste vor dem Holstentor ausdrücklich davor gewarnt worden, dass der künstliche Schaum, der aus abbaubaren Lebensmittelfarben erzeugt wurde, Flecken auf Kleidung hinterlassen könne.
Das schien aber keinen abzuschrecken, denn die Farbspritzer würden bei der nächsten Wäsche bei 30 Grad locker wieder verschwinden. Also stürzten sich hauptsächlich viele Kinder lustvoll in den Kunstschaum, der in Regenbogenfarben gerauscht kam. Teilweise kräftige Böen bliesen den Schaum zunächst Richtung Publikum und über deren Köpfe, um dann abzuheben und über das Holstentor hinaus in den sonnigen Abendhimmel zu verschwinden.
Dabei sah es zunächst gar nicht gut aus für das geplante Kunst-Spektakel. Die steife Brise, die mit teilweisen Windgeschwindigkeiten von über 50 km/h um das Lübecker Wahrzeichen wehte, veranlasste die Behörden und die Polizei, das für 14 Uhr geplante Kunstevent zu verbieten. Zu der Zeit hatten sich schon Hunderte neugierige Kunstfreunde auf dem Rasen vor dem Holstentor eingefunden. Es gab einen kurzen Testlauf der Schaumkanone, der sich allerdings sofort in alle Richtungen in die Höhe verteilte und teilweise den Autoverkehr störte. Also musste die Aktion notgedrungen auf 19 Uhr verschoben werden. Zu dem Zeitpunkt sollte laut Wetterprognose der Wind nachlassen.
Zwar waren so einige Besucher, die teilweise extra aus dem Umland angereist waren, sehr enttäuscht, als Kunsthallen-Leiterin Noura Dirani die schlechte Nachricht verbreitete. Trotzdem füllte sich der Rasen vor dem Holstentor bereits um 18.30 Uhr wieder mit Hunderten von Leuten. Besonders direkt vor dem abgegrenzten Bereich vor dem Holstentor, der mit einer großen Plane zum Schutz abgedeckt war, drängten sich viele Kinder und alle möglichen Fotografen und Kameraleute, die sich ein Bild oder Video vom Spektakel erhofften.
Als dann kurz nach 19 Uhr erste gelbe Schaumschwaden aus der Kanone vor dem geschützten Tor hervorquollen, war der Jubel groß. Immer weitere Farben wurden hinter der schwarzen Abdeckplane unterhalb des Tores von Helfern der Künstlerin zusammengemischt. Stephanie Lüning bediente selbst den Farb-Computer, der das eingefärbte Wasser zu Schaum verwandelt und durch die Farbkanone presste. Zwischendurch luscherte sie immer mal wieder durch kleine Löcher in der Plane, um zu überprüfen, wie sich die Schaumberge farblich Richtung Publikum bewegten.
Wie sie im Interview betonte, geht es ihr in ihrer Kunst immer um Vergänglichkeit. Am liebsten arbeitet sie in der Öffentlichkeit, im öffentlichen Raum, um Gebäude oder Natur mit Kunst zu bespielen, die sich wieder verflüchtigt. So hat sie schon diverse Schaum-Kunst-Spektakel überall in Europa inszeniert. Natürlich ist so ein historisches Gebäude mit seiner geschichtlichen Bedeutung wie in Lübeck eine besondere Herausforderung. Gerade der goldene Text am Tor: „Einigkeit nach Innen, Frieden nach Außen“ hat sie sehr inspiriert, weil in früheren Zeiten die Besucher der Stadt ja direkt durch das Tor in die alte Stadt einzogen. Heute möchte sie durch die Regenbogen-Farben, die aus der Stadt herausquellen, ein Statement setzen für Freude, Toleranz und das Willkommen-heißen von Gästen aus aller Welt.
Ob das gelungen ist, sollten andere beantworten. Die vielen großen und kleinen Gäste vor dem Tor waren von dem bunten Kunst-Spektakel auf jeden Fall überaus begeistert, auch wenn im Vorfeld wieder einmal sehr kontrovers in Lübeck diskutiert wurde. Und das Holstentor hat auch keinen Schaden genommen!
Fotos: (c) Holger Kistenmacher