Ergebnisse der Perspektivenwerkstatt Lübeck 2030
„Ich wünsche mir Fußwege ohne Fahrradfahrer“

Sie heißen Jasper, Jeremy, Carlotta oder Anja, und sie wünschen vieles in ihrer Stadt anders, als es heute ist.

Es beginnt bei den Graffiti: Schöner wären solche mit Gestalten und Geschichten und nicht solche mit „leeren Strichen und Zeichen“. Gut wäre auch, wenn es Dächer gäbe für die Fahrräder am Bahnhof beispielsweise. Die gelben Müllsäcke sollten nicht durch die Altstadtstraßen fliegen, sondern in Kästen gesammelt werden. Der elfjährige Pascal schlägt vor, die großen grauen Mülltonnen fantasievoll zu bemalen, denn so, wie sie sind, machen sie die Stadt „im Ausdruck schmutziger“. Wasserspiele und Wasserparcours, wie es sie an der Obertrave gibt, sollte es auch auf der Ostseite der Altstadt geben, aber sie müssten spannender sein als die vorhandenen.

Die gelben Müllsäcke sollten nicht durch die Altstadtstraßen fliegen.Die gelben Müllsäcke sollten nicht durch die Altstadtstraßen fliegen.

Etwa 70 Kinder und Jugendliche, wohnhaft überall im Stadtgebiet, viele von ihnen zwischen 9 und 14 Jahre alt, waren während der Osterferien im April einer Einladung zur Projektwoche „Ich und die Welt – Die Welt und ich“ in das Kinder- und Jugendkulturhaus „Röhre“ gefolgt. Sie malten, bastelten, zeichneten und schrieben auf, was sie sehen, sich wünschen und was sie ängstigt. Die Ergebnisse trug Bärbel Pfanne, Leiterin der „Röhre“, in dicken Laitz-Ordnern zusammen und übergab diese an den Fachbereich 5 der hansestädtischen Verwaltung, Planen und Bauen. Dort wurden Ergebnisse eingebaut in die Angebote der „Perspektivenwerkstatt 2.0“, die am 1. und 2. Juni mit 200 Teilnehmern in der Hanseschule durchgeführt wurde.

Am zweiten Sitzungstag der Werkstatt, die sich dem Thema Lübeck 2030 verschrieben hatte, trugen vier Kinder mittels einer einstündigen Power-Point-Präsentation die wesentlichen Ergebnisse ihres Nachdenkens über die Stadt von übermorgen vor. Mehrere Jugendliche, die ebenfalls an der Projektwoche im April teilgenommen hatten, übernahmen den technischen Support. Die Vortragenden selbst zeigten eine beeindruckende Konzentration und Ausdauer, so dass es die erwachsenen Zuhörer und Zuschauer waren, die nach rund 60 Minuten um eine Verschnaufpause baten.

Ein Schwerpunkt zukünftiger Stadtraumgestaltung im Stadtzentrum, also der Altstadtinsel, liegt für die Kinder im Bereich von öffentlich frei zugänglichen Angeboten: Gewünscht werden mehr soziale Räume mit Spiel- und Spielgerätangeboten (Brettspiele, Kicker), offene Spielplätze mit Angeboten zum Klettern und mit Trampolinen und auch ein frei zugänglicher Kanuanleger.

Was im Stadtzentrum vermisst wird, das sind schöne, saubere und frei zugängliche Toiletten und freies WLAN. Es wurde berichtet, freies WLAN gäbe es am Burgtor, aber nicht bei Karstadt. (Dort werden auch Fahrradparkplätze vermisst!) Was den Verkehr im Stadtzentrum betrifft, so steht Abgasfreiheit ganz weit oben auf der Wunschliste, dicht gefolgt vom Wunsch nach deutlich mehr Zebrastreifen. Fußwege, auf denen keine Fahrradfahrer unterwegs sind, wurden mit Nachdruck von den Verkehrsplanern erbeten.

So soll Lübeck 2030 aussehen, aber am liebsten abgasfrei. (Jesper Berg, 11)So soll Lübeck 2030 aussehen, aber am liebsten abgasfrei. (Jesper Berg, 11)Viele Wünsche und Vorschläge betreffen das Aussehen und die Nutzung der Gebäude in der alten Stadt. Anastasia (13) möchte mehr bunte Häuser und mehr Straßenkunst. Mit diesem Wunsch steht sie nicht allein, andere Stimmen klagen über zu viele Brauntöne und sie wünschen sich neue Häuser, die wie alte Häuser gebaut sind. Juliane (9) und Fritz (10) vermissen mehr faire Läden: „Damit die Bauern überall mehr bezahlt bekommen.“ Beklagt werden die Leerstände, hingewiesen wurde auf die ehemalige Postfiliale in der Königstraße und auf das Haus mit der Hanseatendiele, Ecke Königstraße/Glockengießerstraße. Ein Vorschlag zielt darauf ab, in diesem Abschnitt der Königstraße einen Blitzer aufzustellen. Was die Leerstände betrifft, so gibt es die Idee, eine Altstadtstraße als „günstige, gesunde, warme Essmeile“ herzurichten. Auch Geschäfte mit exotischen Lebensmitteln sollen dabei sein.

Ein ganzes Bündel von Wünschen ist den Themen Gesundheit, Sicherheit und Zukunft gewidmet. Olivia (11) fordert, „dass man gar nicht erst so viel Plastik herstellt“. Jan (19), einer der engagiert helfenden Jugendlichen, hat schriftlich festgehalten: „Ich möchte keine Dealer in der Altstadt. In meiner Familie habe ich gesehen, was Drogen für einen Schaden anrichten können.“ Yanic (10) hat in einem einzigen Satz zusammengefasst, was ihn auf dieser Welt bewegt: „Ich möchte, dass es später auch noch einen schönen grünen Wald gibt, aber auf der anderen Seite auch noch die Altstadt gibt und auch die Zukunft.“

Bärbel (57), (es könnte sich um die Leiterin der Röhre in der unteren Mengstraße, Nr. 35/Ecke Gerade Querstraße, Bärbel Pfanne, handeln) hat einen Wunsch für die Gäste Lübecks formuliert: Es sollte mehr Postkästen geben.

Die 2017 von der Bürgerschaft beschlossene und wegen diverser Wahltermine auf den 1. und 2. Juni 2018 terminierte Perspektivenwerkstatt wurde vom Hamburger Planungsbüro „Tollerort“ sorgfältig, pfiffig und ergebnisorientiert vorbereitet. Im Fokus stand, so ebenfalls von der Bürgerschaft beschlossen, der Bereich Straßenverkehr. Ein breiter Konsens der 200 Teilnehmer der Werkstatt erbrachte dringenden Handlungsbedarf:

1. Auf der Achse Lindenplatz-Holstentor, Holstenstraße, Krähenstraße. Hier sollen die Verkehre von Fußgängern, Fahrradfahrern und Individual- und Busverkehr anders sortiert werden.

2. Die Durchfahrt für individuellen Durchgangsverkehr in der Großen Burgstraße, über den Koberg, die Breite Straße und die Beckergrube soll beendet und die Straßenräume von ruhendem Verkehr befreit werden. In beiden Bereichen wird von Eingriffen ein deutliches Plus an Lebensqualität und Attraktivität für Einheimische, für Gäste und für Altstadthandel und -gewerbe erwartet.

Ich wünsche mir Fußwege ohne FahrradfahrerIch wünsche mir Fußwege ohne Fahrradfahrer

Was die Verkehrsarten betrifft, so sollen Fußgängerinteressen zukünftig Priorität haben vor Fahrradfahrern und motorisiertem Verkehr. Deutlich aufgewertet werden sollen die vorhandenen Straßenräume, das betrifft zunächst und in der Hauptsache die Holstenstraße, die Krähenstraße und die Beckergrube.

Dass nach dem Willen von Bürgermeister Jan Lindenau noch in diesem Jahr ein erstes Pilotprojekt gestartet werden soll, ist von den Teilnehmern der Abschlussdiskussion am 2. Juni als hoffnungsgebendes Zeichen bewertet worden.

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