Dirigent Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

Musik- und Kongresshalle Lübeck
Große Kontraste im ersten Sinfoniekonzert der Lübecker Philharmoniker

Die neue Saison der Lübecker Philharmoniker begann mit zwei sehr gegensätzlich wirkenden Kompositionen. Dabei war nicht einmal die Spanne der Entstehungszeit der Grund für diese Aussage, obwohl sie berechtigt wäre. Immerhin betrug sie eineinhalb Jahrhunderte, eine Zeit, die durch große stilistische Änderungen gekennzeichnet war.

Was in diesem Konzert auffiel, war ein ganz anderer Interpretationsansatz in der Wiedergabe der Werke. Das Programm (Berichtet wird hier über die zweite Aufführung am 15. Septembers 2025), begann mit Ludwig van Beethovens 1806 komponiertem Violinkonzert in D-Dur, seinem op. 61. Es ist eines der bedeutendsten Werke seiner Art, bei dem immer wieder auf dessen Ausnahmestellung hingewiesen wird. Erstmals versuchte in ihm ein Komponist, zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester eine gleichberechtigte Partnerschaft herzustellen, wie Beethoven es auch bei den etwa gleichzeitig entstandenen Klavierkonzerten 4 und 5 tat und wie es später vor allem bei Schumann oder Brahms zum Vorbild wurde. So steht nicht allein das Können des Solisten, seine Virtuosität im Vordergrund, er wird vielmehr zum Partner im gesamten Stimmengeflecht. Konsequent erscheint heute, dass der Solist bei der Uraufführung Franz Clement (1780-1842) war, kein angereister Virtuose, sondern ein Konzertmeister des traditionsreichen Orchesters am Theater an der Wien, in dessen Auftrag dieses besondere Werk entstand.

Den Lübecker Saisonauftaktkonzert dirigierte Stefan Vladar, der inzwischen langjährige Generalmusikdirektor des Orchesters, einer, der die Fähigkeiten „seines“ Orchesters wie kein anderer einsetzen kann. Mit Frank Peter Zimmermann war ein Virtuose verpflichtet worden, der (nach dem Programmheft) einer der „führenden“ Geiger „unserer Zeit“ ist und der in „bedeutenden Konzertsälen“ überall auf der Welt spielte. Zimmermann übernahm die Rolle des Primus inter pares, des „Ersten unter Gleichen“, mit großer und sensibler Spielfreude, immer dem Orchester zugewandt und sorgsam mit ihm im Kontakt, auch in vielen Momenten die erste Geigenstimme unterstützend. Vladar achtete dabei auf ein beeindruckendes Miteinander, das niemals den Solisten überdeckte. Grandios, wie die Orchestermitglieder ihm folgten, manchmal, vor allem im beseelten Larghetto, dem zweiten Satz, mit einem zurückhaltenden, mitunter kaum noch wahrnehmbaren Pianissimo.

Frank Peter Zimmermann, Foto: (c) Irène ZandelFrank Peter Zimmermann, Foto: (c) Irène Zandel 

Das Publikum war fasziniert von der Leistung Zimmermanns und spendete langen Beifall, auch wenn nicht erreicht war, was Beethoven beabsichtigte: die Gemeinsamkeit von Solo und Orchester. Der Solist zog weit mehr die Aufmerksamkeit auf sich, auch durch den wunderbar dunkelgründigen Ton seiner Stradivari „Lady Inchiquin“ von 1711. In seiner Zugabe dankte er seinerseits mit einer rasanten Bearbeitung von Schuberts „Erlkönig“. Musste er im Konzert die Fähigkeiten der Geige herausstellen, sich vielseitig über das Melodische zu artikulieren, zeigte Zimmermann in der Zugabe, dass sein Instrument fähig war, eine dramatische Ballade mitsamt einer vollgriffigen Klavierbegleitung zu ersetzen. So geistreich bearbeitet, hätte der, der Goethes Text kannte, mitsingen können.

Nach der Pause saß das Publikum einem groß besetzten Orchester gegenüber. Holz- und Blechbläser sowie Hörner waren vierfach besetzt. Neben Pauken und einigem Schlagwerk gab es zwei Harfen, Celesta und Klavier sowie einen großen Streicherapparat. Das versprach ein großes Hörerlebnis. So wurde das Orchester mit viel Beifall begrüßt, auch wenn das Programm den selten zu hörenden Witold Lutosławski (1913-1994) ankündigte, der dieses Werk zwischen 1950 und 1954 geschaffen hatte. Es war eine Zeit, die im Allgemeinen durch die beim Konzertpublikum weniger gern gehörten „Neutöner“ geprägt war. Es ist zugleich ein Komponist, dessen Lebensschicksal durch die politischen Verhältnisse bedrängt war. Zum einen war es der Einmarsch der Nazis in Warschau, wo er studierte. Er wurde eingezogen und geriet in Gefangenschaft. Zum anderen beeinflusste ihn die künstlerisch rigide sowjetische Kulturpolitik, die das Leben in Warschau nach dem Kriege bestimmte.

Sein vielseitiges Œuvre, auch das dreisätzige „Konzert für Orchester“ war wohl dadurch bestimmt, zumal er „seit seiner Kindheit … vom Orchesterklang fasziniert“ war (aus einem Zitat im Programmheft). So war eine Reihe von Anspielungen auf und Übernahmen von Volksmusik zu hören. Darin folgte er seinem Vorbild Béla Bartók. Hämmernde Flächen erinnerten an Strawinskys „Sacre“, auch Ravels „Bolero“ tauchte im letzten Satz im Klangbild auf. Trotz des großen Orchesters aber gab es auch sehr zarte und differenzierte Partien. Alles hatte das Publikum zum Schluss so überzeugt, dass das Orchester durch langen Applaus und stehende Ovationen für seine Leistung gefeiert wurde.


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